Antiarrhythmika bei Vorhofflimmern - mehr Schaden als Nutzen? Chronisches Vorhofflimmern ist die häufigste klinisch relevante
Rhythmusstörung überhaupt. Nach Rhythmisierung bringt die Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus durch Antiarrhythmika (Rhythmuskontrolle)
gegenüber einer alleinigen Absenkung der Ventrikelfrequenz (Frequenzkontrolle) keine Vorteile hinsichtlich Mortalität und Insultrate. Auch
Lebensqualität und Belastbarkeit bessern sich nicht. Im Gegensatz zur hohen Effektivität einzelner Antiarrhythmika bei der Rhythmisierung sind die
Erfolgsaussichten für die Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus mit bestenfalls 50% bis 70% nach einem Jahr mäßig. Die antiarrhythmische
Dauertherapie ist zudem mit häufigen Störwirkungen belastet (a-t 2003; 34: 2-3). Jetzt
untersucht eine systematische Übersicht, ob sich die Effektivität verschiedener Antiarrhythmika zur Rhythmuskontrolle unterscheidet. Nur kontrollierte
Studien mit einer Mindestdauer von sechs Monaten gehen ein. Sie müssen Daten zu Todesfällen, embolischen Ereignissen, proarrhythmischen Effekten,
Rezidiven von Vorhofflimmern oder zu Studienabbrüchen auf Grund von Störwirkungen enthalten. Für die Endpunkte werden jeweils Einjahresdaten
kalkuliert. 44 Studien mit zusammen 11.322 Patienten werden eingeschlossen. Sie sind insgesamt von eher mäßiger Qualität. Unter Klasse IA-
Antiarrhythmika (Chinidin [CHINIDIN DURILES u.a.], Disopyramid [RYTHMODUL u.a.]) ist die Sterblichkeit im Vergleich zu Plazebo oder
Nichtbehandlung erhöht (Odds Ratio (OR) 2,39; p = 0,04). Das Ergebnis ist vor allem durch Studien mit Chinidin in hoher Dosierung (800 mg bis 1.800 mg
täglich) bedingt. In zwei größeren, methodisch guten Studien mit niedriger dosiertem Chinidin (täglich 320 mg bis 480 mg) bleibt sie jedoch
unbeeinflusst. Mittel der Klasse IC (Flecainid [TAMBOCOR u.a.], Propafenon [RYTHMONORM u.a.]) haben keinen Effekt auf die Mortalität. Unter den Klasse-
III-Mitteln Amiodaron (CORDAREX u.a.; OR 1,96) und Sotalol (SOTALEX u.a.; OR 2,09) ist sie numerisch erhöht. Amiodaron reduziert die Mortalität jedoch
in direkten Vergleichen mit den Klasse-I-Antiarrhythmika (OR 0,39; p = 0,009), numerisch auch gegenüber Sotalol. Alle Mittel der Klassen IA, IC und III
vermindern Rezidive von Vorhofflimmern nach einem Jahr. Sie treten unter Plazebo oder Nichtbehandlung bei 71% bis 84%, unter Antiarrhytmika
bei 44% bis 67% auf. Amiodaron ist bei jedem dritten Patienten, Flecainid bei jedem vierten, Chinidin und Sotalol nur bei jedem achten erfolgreich. Im direkten
Vergleich zeigt sich Amiodaron effektiver als Klasse-I-Mittel oder Sotalol. Die Abbruchraten wegen Störwirkungen liegen in den Studien
zwischen 9% und 23%. Das Risiko ist unter Disopyramid (OR 3,85), Flecainid (OR 9,14) und Amiodaron (OR 5,55) deutlich und unter Propafenon (OR 1,69)
mäßig höher als unter Plazebo oder Nichtbehandlung. Die Ergebnisse für Chinidin und Sotalol sind heterogen: in den beiden größten
Studien treten Studienabbrüche nicht gehäuft auf, jedoch in allen übrigen (OR 3,02 bzw. 3,58). Zu proarrhythmischen Effekten
kommt es in 1% bis 7%. Nur unter Propafenon sind sie nicht gehäuft, bei den anderen Mitteln 2- bis 6fach gegenüber Plazebo - unter Amiodaron allerdings
nur im Trend. Im direkten Vergleich zu den Klasse-I-Mitteln kommen unter Amiodaron Studienabbrüche (OR 0,52; p = 0,004) und Arrhythmien (OR 0,28; p <
0,001) seltener vor. Für andere geplante Analysen (Raten an Insulten oder Embolien; Herzinsuffizienz) reichen die Angaben in den Einzelstudien nicht aus. Die
Nutzen-Schaden-Relation von Antiarrhythmika für eine Rhythmuskontrolle ist nach Ansicht der Autoren immer noch ungeklärt. Sie warnen vor Mitteln der
Klasse IA. Wenn eine Rhythmuskontrolle angestrebt wird, sollte bevorzugt Amiodaron eingenommen werden (LAFUENTE-LAFUENTE, C. et al.: Arch. Intern. Med.
2006; 166: 719-28). Wir empfehlen aufgrund der Datenlage bei Vorhofflimmern primär eine Frequenzkontrolle, z.B. mit Betablockern, bei Risikopatienten
kombiniert mit Antikoagulanzien, als Therapieverfahren der Wahl.
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