Bis zu eine Milliarde Euro jährlich für Anwendungsbeobachtungen? 2005 wurden etwa 700 als Anwendungsbeobachtung (AWB)
deklarierte Studien angemeldet. Die Tendenz ist steigend. Anfang des Jahrzehnts ist man noch von etwa 400 solcher Studien pro Jahr ausgegangen (Dtsch. Med.
Wschr. 2003; 128: 49). Marketingleute mögen AWB: Im Gegensatz zu klinischen Studien der Phase 3 sind hunderte, oft sogar tausende Ärzte beteiligt,
die das Präparat auch tatsächlich verordnen. In Infotreffen und Informationsschreiben kann das Präparat zudem im besten Licht dargestellt werden.
Im Rahmen des "Zuwendungsmarketings" erhalten die beteiligten Ärzte und ggf. auch Apotheker Honorare zwischen 25 € und 600 € pro Patient.
Das fördert die Bindung an die Firma. All dies hat Folgen: Die Verordnung der Mittel des Sponsors steigt in diesen Praxen (ANDERSEN, M. et al.: J. Am. Med.
Ass. 2006; 295: 2759-64). Dieser Studientyp wird daher hauptsächlich mit Arzneimitteln durchgeführt, die zur Behandlung chronischer Erkrankungen
dienen und bei denen die Hersteller um Marktanteile ringen. Zahlreiche Firmen betreiben einen gigantischen Aufwand: So startet AstraZeneca 2005 eine
Anwendungsbeobachtung bei knapp 17.000 Ärzten für den Protonenpumpenhemmer Esomeprazol (NEXIUM MUPS 20 mg). Gleichzeitig will Altana
Pantoprazol (PANTOZOL 20 mg) von 6.000 Ärzten beobachten lassen. Das häufig herangezogene Argument, mit ihnen solle die Anwendung eines
Arzneimittels bei Patientengruppen geprüft werden, die nicht in klinische Studien einbezogen waren, ist unglaubwürdig, da AWB fast nie systematisch
veröffentlicht und somit der Fachwelt vorenthalten werden und die Präparate zum Beobachtungszeitpunkt oft schon Jahre auf dem Markt sind, NEXIUM
beispielsweise fünf Jahre und PANTOZOL elf Jahre! Weitere Studienschwerpunkte mit jeweils mehreren tausend Ärzten sind auch Lipidsenker (Ezetimib +
Simvastatin: INEGY) sowie Mittel gegen Bluthochdruck (Irbesartan:
APROVEL/COAPROVEL), Harninkontinenz (Duloxetin: YENTREVE) und Neurodermitis
((Pimecrolimus: ELIDEL Creme). Anwendungsbeobachtungen müssen nach dem
Arzneimittelgesetz an die Kassenärztlichen Vereinigungen gemeldet werden. Eine Veröffentlichungspflicht steht jedoch aus. Die Studien des Jahres 2005
verursachen in Deutschland insgesamt Kosten zwischen 300 Millionen ([a1] und einer Milliarde (. Das weltweite Budget für diesen Studientyp wird für 2001
auf 3,6 Milliarden Dollar geschätzt. Das entspricht knapp 12% der internationalen Forschungsaufwendungen (PRIVITERA, M.D.: Ann. Pharmacother. 2003; 37:
741-3). Der Betrag wird von den Herstellern dem Posten Forschung zugerechnet - nicht dem Marketing -, und die Kassen zahlen für die Medikamente.
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