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Im Blickpunkt

WENIGER ANTIDEPRESSIVA, MEHR SUIZIDE?
...Studienautor rudert zurück

Seit 2003 bzw. 2005 warnen die US-amerikanischen und europäischen Arzneimittelbehörden FDA und EMEA vor einer Zunahme der Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen, die Antidepressiva einnehmen. In der Folge soll parallel zum Rückgang der Antidepressivaverordnungen die Selbstmordrate angestiegen sein, dies postuliert zumindest eine amerikanisch-niederländische Korrelationsstudie im September 2007.1 "Suizidrate bei Jugendlichen nach Rückgang der Antidepressiva-Verordnung stark gestiegen", titelt daraufhin beispielsweise die Ärztezeitung.2

Während sich in der Publikation sogar konkrete Vorhersagen über zukünftige Selbstmordraten bei weiter rückläufigen Verordnungen finden, rudert jetzt der niederländische Koautor R. HERINGS zurück: "Keiner der Autoren schlussfolgerte, dass durch geringeren Verbrauch von Antidepressiva die Suizidrate ansteigen wird. Das ist eine Korrelationsstudie, und wir sind uns sehr wohl im Klaren darüber, dass wir aus ihr keine kausalen Schlüsse ziehen können. Solche Korrelationen können nur dazu benutzt werden, um über Hypothesen zu spekulieren".3 Pikant ist dabei, dass HERINGS, der beispielsweise vor einigen Jahren für Janssen-Cilag eine Studie zur "erhöhten Rate von Suizidversuchen nach Unterbrechen der Antipsychotikaeinnahme" durchgeführt hat,4 seine Interessenkonflikte in der aktuellen Korrelationsstudie,1, verschweigt.5

Unsere Einschätzung, dass die vorhandenen Daten die angebliche Zunahme der Suizidalität nicht belegen (a-t 2007; 38: 92-3), wird zudem gleich doppelt bestätigt. Ein Statistiker, der auch das zentrale Statistikinstitut der Niederlande (CBS) berät, von dem die niederländischen Daten der Beobachtungsstudie stammen, stellt die Interpretation ebenfalls in Frage: Er kann "in der Graphik ... keine Zunahme der Selbstmordfälle bei Jugendlichen erkennen".5 Tatsächlich liegen die für 2005 (dem letzten Erfassungszeitraum der niederländischen Daten der Korrelationsstudie) beim CBS registrierten 51 Suizide von unter 20-Jährigen innerhalb der normalen Schwankungsbreite (minimal: 33 Suizide 2003, maximal: 56 in 1997) der seit 1994 verfügbaren Werte.6

Auch die neuen, noch vorläufigen Zahlen der US-amerikanischen "Centers for Disease Control" widersprechen der in der Korrelationstudie geäußerten Schlussfolgerung. Demnach haben in den USA 2005 weniger unter 25-Jährige Selbstmord begangen als 2004, dem letzten Erfassungszeitraum amerikanischer Daten in der Studie.7,8 Dabei sind die Verordnungen von SSRI für pädiatrische Patienten mit Depressionen auch in 2005 deutlich gesunken.7,9

Entgegen anders lautender Darstellungen ist ein Anstieg der Selbstmordrate bei Kindern und Jugendlichen aufgrund der Warnungen vor der Verordnung von Antidepressiva nicht zu erkennen. Entsprechende Meldungen, die der Interessenlage der Anbieter entgegenkommen, haben sich als Fehlinterpretation erwiesen.

  1 GIBBONS, R.D. et al.: Am. J. Psychiatry 2007; 164: 1356-63
  2 Ärzte Zeitung vom 19. Sept. 2007
  3 HERINGS, R.: Schreiben vom 10. Jan. 2008
  4 HERINGS, R.M.C., ERKENS, J.A.: Pharmacoepidemiol. Drug Saf. 2003; 12: 423-4
  5 Noorderlicht; http://noorderlicht.vpro.nl/artikelen/38241591/
  6 Daten des CBS; zu finden unter: http://www.cbs.nl/en-GB/default.htm
  7 JUREIDINI, J.: Am. J. Psychiatry 2007; 164: 1907
  8 KUNG, H.C. et al.: Deaths; Preliminary Data for 2005. Hyattsville, Md, National Center for Health Statistics, 2005;
http://www.cdc.gov/nchs/products/pubs/pubd/hestats/prelimdeaths05/prelimdeaths05.htm
  9 LIBBY, A.M. et al.: Am. J. Psychiatry 2007; 164: 884-91

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 18. Januar 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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