PROBIOTIKA ERHÖHEN MORTALITÄT BEI AKUTER PANKREATITIS
In unserer Übersicht zum Nutzen von Probiotika in der Prophylaxe und Therapie von Durchfällen weisen wir auf Risiken für Patienten mit gestörter Abwehrlage oder schweren Grunderkrankungen hin. Unter der Einnahme sind lebensbedrohliche Infektionen vorgekommen (a-t 2007; 38: 89-91).
Jetzt bestätigen sich die Sicherheitsbedenken in der multizentrischen niederländischen PROPATRIA**-Studie. Bereits vor Wochen sorgte sie für Schlagzeilen in der Tagespresse. Jetzt liegt sie vollständig veröffentlicht vor:1 Geprüft wird der Nutzen von Probiotika bei akuter Pankreatitis. 298 erwachsene Patienten mit Entzündung der Bauchspeicheldrüse, für die ein schwerer Krankheitsverlauf prognostiziert wird, erhalten randomisiert und verblindet maximal vier Wochen lang zweimal täglich entweder eine Mixtur mit sechs verschiedenen Probiotikastämmen*** oder Plazebo, zunächst über eine nasojejunale Ernährungssonde parallel zur enteralen Ernährung, später gegebenenfalls auch per os. Als primärer Endpunkt wird das Auftreten einer infektiösen Komplikation (infizierte Pankreasnekrose, Bakteriämie, Lungenentzündung, Urosepsis oder infizierter Aszites) innerhalb der dreimonatigen Nachbeobachtung definiert. Die Sterblichkeit ist einer von zahlreichen sekundären Endpunkten.1
In der abschließenden Auswertung ist die Rate infektiöser Komplikationen unter Probiotika numerisch, nicht aber statistisch signifikant erhöht (30% versus 28%, relatives Risiko [RR] 1,06; 95% Vertrauensbereich [CI] 0,75-1,51). Mit Ausnahme der Urosepsis tritt jede einzelne der im primären Endpunkt erfassten Infektionen unter den Probiotika häufiger auf als unter Plazebo. Auffällig ist aber vor allem eine deutlich, auch statistisch signifikant höhere Mortalität unter Verum (16% vs. 6%; RR 2,53; 95% CI 1,22-5,25). Die meisten Patienten versterben an Multiorganversagen (13% vs. 5%). Neun Patienten unter Probiotika erleiden eine Darmischämie (bei 8 tödlich). Unter Plazebo wird die Komplikation nicht beobachtet.1 Die Autoren diskutieren die Möglichkeit, dass Probiotika die während einer schweren Pankreatitis ohnehin eingeschränkte Durchblutung der Darmschleimhaut weiter verschlechtern, weil zusätzlich Sauerstoff verbraucht oder eine lokale Entzündung induziert wird. Dies könnte die auffällig häufigen Darmischämien begünstigt haben. Die Autoren raten von der Anwendung von Probiotika bei Patienten mit schwerer Pankreatitis ab und weisen darauf hin, dass Probiotika keine harmlosen Nahrungsergänzungen sind, insbesondere nicht für schwer erkrankte Patienten.1
Wir halten die Anwendung von Probiotika bei kritisch kranken Patienten grundsätzlich für kontraindiziert
(R = randomisierte Studie) | ||
R 1 | BESSELINK, M.G.H. et al.: Lancet 2008; 371: 651-9 | |
* | Vorversion am 14. Febr. 2008 als blitz-a-t veröffentlicht. | |
** | PROPATRIA = PRObiotics in PAncreatitis TRIAl | |
*** | Die Zubereitung enthält sechs verschiedene Stämme gefriergetrockneter, lebensfähiger Bakterien: Lactobacillus acidophilus, Lactobacillus casei, Lactobacillus salivarius, Lactococcus lactis, Bifidobacterium bifidum und Bifidobacterium lactis. Die Tagesdosis beträgt 1010 Bakterien. |
© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 14. März 2008
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