logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
                            a-t 2009; 40: 61-2nächster Artikel
Im Blickpunkt

BEISPIEL HPV-IMPFUNG: IST DIE STIKO ÜBERFORDERT?

"Impfkommission erneut in der Kritik",1 titelt die Süddeutsche Zeitung. Die Empfehlung des Gremiums zur HPV-Impfung (CERVARIX, GARDASIL) beruhe offenbar auf "schlampiger Expertise".1 Hintergrund ist ein Schreiben der STIKO an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Dieser hatte die Kommission zu einer Neubewertung der Immunisierung aufgefordert, nachdem im November vergangenen Jahres 13 Wissenschaftler in einem Manifest die Impfempfehlung kritisiert hatten (a-t 2009; 40: 15). Darüber hinaus formulierte der G-BA konkrete Fragen,2 die sich vor allem auf eine umstrittene Berechnung beziehen, mit der die STIKO 2007 in ihrer Begründung der Impfempfehlung "eine realistische Abschätzung der zu verhindernden Fälle" an Gebärmutterhalskrebs vorgenommen hatte. Dabei war sie von einer "lebenslangen Impfeffektivität von 92,5%" hinsichtlich der Verhinderung von Zervixkarzinomen3 ausgegangen, und zwar ohne Einschränkung auf bestimmte HPV-Typen, obwohl nur 70% der Karzinome mit den im Impfstoff enthaltenen HPV-Typen 16 und 18 assoziiert sein sollen (a-t 2008; 39: 125):

"Hieraus ergibt sich, dass bei einer Lebenszeitinzidenz von 1.100/100.000 ... und einer angenommenen lebenslangen Impfeffektivität von 92,5% etwa 98 Mädchen geimpft werden müssen, um einen Fall an Gebärmutterhalskrebs zu verhindern. Berücksichtigt man eine mögliche Durchimpfung von 70%, würde etwa jedes 140. Mädchen einer Geburtskohorte von der Impfung profitieren." (STIKO, 2007)3

Auch die aktuelle Antwort der Kommission enthält laut Stellungnahme der Patientenvertreter im G-BA "zahlreiche Ungereimtheiten" und "zweifelhafte Schlussfolgerungen".4 So habe die STIKO nicht erwähnt, dass sie 2007 fälschlicherweise von einer Impfeffektivität von 92,5% gegen alle HPV-Typen ausgegangen sei. Stattdessen versuche sie, "Fehler in ihrer ursprünglichen Begründung unbemerkt zu korrigieren": So sei aus der Durchimpfungsrate von 70% die Häufigkeit von 70% der durch HPV 16 und 18 verursachten Krebsfälle geworden. Die Durchimpfungsrate wird nun mit 100% angesetzt.4 Dabei bliebe das Ergebnis, dass etwa jedes 140. Mädchen einer Geburtskohorte profitiert, unverändert. Widersprüche in ihrer Argumentation scheine die STIKO nicht zu bemerken, kommentieren die Patientenvertreter.1 Oder will sie sie nicht sehen, weil ihr Vorsitzender bereits vorab verkündet hatte, dass die erneute Bewertung nicht anders ausfallen werde? 4

Es stellt sich die Frage, wie eine Kommission, die offenbar nicht in der Lage ist, Berechnungen zum Nutzen einer Immunisierung korrekt und mit realistischen Annahmen durchzuführen, Empfehlungen abgeben kann, denen - nicht zuletzt nach Einschätzung eines ihrer Mitglieder5 - die Bedeutung eines medizinischen Standards zukommt. Auch Impfempfehlungen müssen wissenschaftlich valide und überprüfbar sein. Daher fordern wir die Ablösung des Gremiums in seiner jetzigen Form, -Red.

  1 BERNDT, C.: Süddeutsche Ztg. vom 19. Juni 2009
  2 Gemeinsamer Bundesausschuss: Schreiben an die STIKO vom 19. Jan. 2009
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST14-2425.pdf (Seite 3 und 4)
  3 Epidemiol. Bull. 2007; Nr. 12: 97-103
  4 Stellungnahme der Patientenvertretung im G-BA zur HPV-Impfung vom 18. Juni 2009
  5 LEIDEL, J.: Schreiben vom 23. Febr. 2009;
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST14-2402.pdf

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 3. Juli 2009

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

                            a-t 2009; 40: 61-2nächster Artikel