logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2009; 40: 83nächster Artikel
Kurz und bündig

Idiopathische periphere Fazialisparese - Nutzen von Kortikosteroiden gesichert

Nachdem trotz jahrzehntelanger Forschung ein Nutzen von Kortikosteroiden bei idiopathischer peripherer Fazialisparese in den zumeist kleinen randomisierten kontrollierten Studien nicht hinreichend belegt werden konnte, erschien 2007 eine erste größere Studie zu der Frage, die einen signifikanten Vorteil der frühzeitigen Behandlung mit Prednisolon (DECORTIN H, Generika) dokumentierte. Uns schien ein Therapieversuch mit Prednisolon beim damaligen Kenntnisstand gerechtfertigt (a-t 2007; 38: 104). 2008 wird eine zweite große Studie veröffentlicht, in der sich ebenfalls ein signifikanter Nutzen von Prednisolon ergibt. Eine jetzt publizierte, methodisch sorgfältig durchgeführte systematische Übersicht bestätigt die therapeutische Wirksamkeit einer Kurzzeitanwendung von Kortikosteroiden bei der so genannten BELL'schen Lähmung: Sie senken das relative Risiko (RR) einer unzureichenden Wiederherstellung nach mindestens vier Monaten um 31% (RR 0,69; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,55-0,87). Geschätzt auf der Basis einer großen Beobachtungsstudie zum Verlauf der unbehandelten Erkrankung bedeutet dies eine absolute Risikominderung von 29% auf 20%. Auch das unter den sekundären Endpunkten erfasste Risiko unwillkürlicher Mitbewegungen mimischer Muskeln (so genannter Synkinesien) und autonomer Störungen als Folge der Fazialisparese wird gemindert (RR 0,48; 95% CI 0,36-0,65). Die Qualität der Evidenz für diese Ergebnisse schätzen die Autoren als hoch ein. In Subgruppenanalysen ergibt sich eine signifikante Abhängigkeit des Therapieerfolgs von der Dosierung. Danach ist ein Effekt nur bei einer kumulativen Dosis von mindestens 450 mg Prednisonäquivalent zu sichern. Auch scheint eine ausgeprägte Lähmung schlechter anzusprechen als eine mäßige. Dieser Unterschied ist jedoch nicht signifikant (p = 0,06). Die Kurzzeittherapie scheint im Allgemeinen gut verträglich zu sein. In einer kleineren Studie werden allerdings bei vier Patienten peptische Ulzera unter Methylprednisolon (URBASON, Generika) beobachtet. Nähere Umstände, etwa zur Begleitmedikation dieser Patienten, sind aber nicht bekannt. Die Metaanalyse bestätigt zudem den fehlenden Nutzen von antiviralen Mitteln wie Aciclovir (ZOVIRAX, Generika; RR der unzureichenden Wiederherstellung 1,14; 95% CI 0,80-1,62). Überraschend findet sich jedoch ein Hinweis auf möglichen Synergismus zwischen Kortikosteroiden und antiviralen Mitteln. Die Kombination scheint einen Zusatznutzen gegenüber Kortikosteroiden allein zu haben. Der Effekt ist allerdings nicht signifikant (p = 0,05). Er bedarf der Bestätigung in weiteren Studien (DE ALMEIDA, J.R. et al.: JAMA 2009; 302: 985-93; ati-d). Bei idiopathischer peripherer Fazialisparese ist die frühzeitige Therapie mit Prednisolon (keine zugelassene Indikation) zu empfehlen. Die Dosierung sollte sich an den beiden großen Positivstudien orientieren: In einer wurde zehn Tage lang täglich zweimal 25 mg Prednisolon per os eingenommen, in der anderen fünf Tage lang einmal täglich 60 mg, anschließend fünf Tage lang täglich jeweils 10 mg weniger. Eine allgemeine Empfehlung für zusätzliche antivirale Mittel lässt sich derzeit nicht aussprechen, -Red.

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 11. September 2009

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.