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Nebenwirkungen

LEUKOENZEPHALOPATHIE (PML) UNTER NATALIZUMAB (TYSABRI)

Der rekombinante humanisierte Antikörper Natalizumab (TYSABRI) wird seit drei Jahren zur Therapie der schweren schubförmig remittierenden Multiplen Sklerose (MS) angeboten. Da bereits während des Studienprogramms drei Patienten an progressiver multifokaler Leukoenzephalopathie (PML) erkrankt sind und alle drei gleichzeitig weitere immunsuppressiv wirkende Substanzen verwendeten, wurde die Zulassung zur Risikominderung auf die Monotherapie beschränkt (a-t 2006; 37: 69-71). Diese Maßnahme hat die oft tödliche opportunistische Infektion jedoch nicht verhindert: Seit der Zulassung sind 13 weitere Anwender des Integrinhemmers an Leukoenzephalopathie erkrankt. Die Betroffenen haben zwischen 12 und 35 Infusionen erhalten.2 Aktuelle Auswertungen der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA ergeben nach mindestens 24 Infusionen eine Erkrankungsrate von 0,4-1,3 pro 1.000 Patienten.1 Dafür, dass das Erkrankungsrisiko mit der Anwendungsdauer zunimmt, spricht auch der Zeitverlauf: Alle Erkrankungen sind erst ab Juli 2008 und somit mehr als zwei Jahre nach der Zulassung bekannt geworden.3,4

Die Symptomatik der PML, "die noch nie bei einem MS-Patienten vor Natalizumab-Anwendung beschrieben wurde",2 kann anfänglich MS-Symptomen ähneln. Daher ist es auch nach Bekanntwerden der schweren Schadwirkung zu Fehldeutungen der neurologischen Krankheitszeichen gekommen mit der Folge, dass die Behandlung mit Natalizumab nicht abgebrochen, sondern fortgesetzt wurde.5

Welche Anwender gefährdet sind, lässt sich nicht erkennen: JC-Viren, die Erreger der PML, können unter Natalizumab auch bei asymptomatischen Patienten reaktiviert sein. Sie sind zudem auch bei einem großen Teil der Bevölkerung nachweisbar. Geeignete Urin- oder Bluttests fehlen, die eine Vorhersage über ein erhöhtes PML-Risiko erlauben.6

Vor Melanomen und Leberschäden in Verbindung mit Natalizumab haben wir in a-t 2008; 39: 24 und 80 gewarnt. Da der Nutzen in der derzeit zugelassenen Indikation zudem nicht ausreichend geprüft ist, raten wir von der Therapie mit dem Antikörper ab, -Red.

 1FDA: Information on Natalizumab (marketed as TYSABRY), 9/2009;
http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/PostmarketDrugSafetyInformationforPatientsandProviders/ucm107198.htm
 2CHEN, Y. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 1067-74
 3Biogen idec, elan: Pressemitteilung vom 22. Juli 2008
http://www.biogenidec.com/news/BiogenIDECPR_2008_26.pdf
 4Biogen idec, Report vom 31. Juli 2008;
http://www.sec.gov/Archives/edgar/data/875045/000095013508005223/b714958ke8vk.htm
 5WENNING, W. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 1075-80
 6MAJOR, E.O.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 1041-3

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 9. Oktober 2009

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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