logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2010; 41: 42 
Nebenwirkungen

REZEPTFREIES ORLISTAT (ALLI): ERST IM MARKT ETABLIEREN, DANN WARNEN

Im April 2009 wurde der Lipasehemmer Orlistat unter dem Handelsnamen ALLI als rezeptfreies Präparat auf den Markt gebracht. Zu diesem Zeitpunkt waren verschiedenste Probleme dieses Therapieprinzips aufgrund der Erfahrungen mit dem höher dosierten, rezeptpflichtigen Orlistatpräparat XENICAL bereits bekannt. Sie wurden in die Fachinformation von ALLI jedoch nur unvollständig aufgenommen. Unerwähnt blieben die potenzielle Hemmung der Absorption von Schilddrüsenhormon und Antiepileptika sowie das Risiko einer Pankreatitis oder einer Oxalatnephropathie unter dem Mittel (vgl. a-t 2009; 40: 44-5).1 Erst ein halbes Jahr später fordert die europäische Arzneimittelbehörde Nachbesserung. Seit November 2009 muss in der Fachinformation vor diesen potenziellen Störwirkungen gewarnt werden. In der Zwischenzeit waren der Behörde 45 Berichte über Schilddrüsenunterfunktion und andere Schilddrüsenfunktionsstörungen, zwölf Berichte über Krampfanfälle und 23 Berichte über Pankreatitis unter ALLI zugegangen.2 Für die Warnung vor Oxalatnephropathie beruft sich die Behörde auf Literaturberichte,2 die aber, soweit wir sehen, ebenfalls bereits vor oder bei Markteinführung von ALLI publiziert wurden. So wurde im April 2009 über einen 66 Jahre alten Diabetespatienten berichtet, der nach dreimonatiger Einnahme von Orlistat eine akute Oxalatnephropathie mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz entwickelt, in deren Verlauf er drei Wochen später an Herzstillstand verstirbt.3 Ein weiterer Bericht stammt aus 2007,4 eine klinische Studie, die eine erhöhte Oxalatausscheidung im Urin unter Orlistat dokumentiert, aus 2008.5 Als Pathomechanismus wird verstärkte Absorption von Oxalat aus dem Darm diskutiert, die wiederum auf die Bindung der durch Orlistat im Darmlumen zurückgehaltenen Fettsäuren mit Kalzium zurückgeführt wird, das dann seinerseits für die Bindung von Oxalat weniger verfügbar ist.5 Wir raten von ALLI wie auch von dem rezeptpflichtigen XENICAL ab, -Red.

  (R = randomisierte Studie)
 1GlaxoSmithKline: Fachinformation ALLI, ohne Datum; Zugriff Juni 2009
 2EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) ALLI, Procedural steps taken and scientific information after the authorisation, Stand Nov. 2009
http://www.ema.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/alli/H-854-en8.pdf
 3KARAMADOUKIS, L. et al.: Clin. Nephrol. 2009; 71: 430-2
 4COURTNEY, A.E. et al.: Nephrol. Dial. Transplant. 2007; 22: 621-3
R5SARICA, K. et al.: Obesity 2008; 16: 1579-84

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 16. April 2010

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 2010; 41: 42