BISPHOSPHONATE BEI OSTEOPOROSE
… keine Nutzenbelege für eine mehr als drei- bis vierjährige Therapiedauer
Die optimale Dauer der Therapie mit Bisphosphonaten bei Osteoporose ist nicht bekannt. Wirksamkeitsdaten aus randomisierten kontrollierten Studien beziehen sich auf eine Behandlung über maximal drei bis vier Jahre. In der FLEX*-Studie, einer randomisierten Extensionsuntersuchung der FIT*-Studie mit Frauen nach den Wechseljahren, bringt die Fortsetzung der Therapie mit Alendronat (FOSAMAX, Generika) über fünf weitere Jahre eine Minderung klinisch auffälliger Wirbelbrüche, nicht aber von durch Screening erfassten Wirbelbrüchen oder von nichtvertebralen Frakturen (a-t 2007; 38: 23).1
Inzwischen liegt eine ähnliche Extensionsstudie für Zoledronat (ACLASTA) vor. 1.233 Frauen mit postmenopausaler Osteoporose, die in der Zulassungsstudie HORIZON-PFT*
(vgl. a-t 2007; 38: 99-101) drei Jahre lang einmal jährlich 5 mg Zoledronat i.v. erhalten haben, werden randomisiert weiteren jährlichen Zoledronat- oder Plazeboinfusionen zugeteilt. Wie die FLEX-Studie ist auch die HORIZON-PFT-Extensionsstudie primär auf die Knochendichte an der Hüfte angelegt. Der Wert unterscheidet sich bei Studienende nach drei Jahren signifikant, aber nur geringfügig. Im Gegensatz zu Alendronat in der FLEX-Studie wirkt sich die fortgesetzte Zoledronattherapie ausschließlich auf gescreente Wirbelbrüche günstig aus (3% versus 6,2%; Odds Ratio [OR] 0,51; 95% Vertrauensbereich [CI] 0,26-0,95). Klinisch auffällige Wirbelbrüche nehmen dagegen numerisch zu (keine absoluten Zahlenangaben; Hazard Ratio 1,81; 95% CI 0,53-6,2). Nicht vertebrale Frakturen (8,2% unter fortgesetztem Zoledronat vs. 7,6% nach Absetzen) und Hüftfrakturen (1,3% vs. 1,4%) unterscheiden sich nicht.2 Vorübergehender Anstieg des Serumkreatinins kommt unter Verum signifikant häufiger vor (2,9% vs. 0,7%). Ähnlich wie in der ursprünglichen HORIZON-PFT-Studie nimmt Vorhofflimmern unter Zoledronat zu, hier allerdings nur numerisch (3,4% vs. 2,1%). Auch Schlaganfälle werden häufiger beobachtet (3,1% vs. 1,5%; p = 0,06), sollen aber nicht mit Vorhofflimmern in Zusammenhang stehen. Hypertonie ist dagegen unter Zoledronat signifikant seltener (7,8% vs. 15,1%). Eine Patientin unter Verum erleidet eine Kiefernekrose.2
Ein von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA erstelltes Review, in dem die Daten aus diesen beiden Extensionsstudien sowie einer weiteren, nicht randomisierten Extensionstudie mit Risedronat (ACTONEL, Generika) gepoolt werden, findet im Hinblick auf die Gesamtrate osteoporotischer Frakturen keinen Vorteil der über drei bis vier Jahre hinaus fortgesetzten Therapie mit Bisphosphonaten. Dagegen scheint der Nutzen der vorherigen Therapie in den Absetzgruppen gegenüber den ursprünglichen Plazebogruppen zumindest in dem in den Studien erfassten Zeitraum fortzudauern. Dies könnte mit der langen Verweildauer von Bisphosphonaten im Knochen zusammenhängen.3-5 Unklar ist, wie lange der nach Absetzen von Alendronat und Zoledronat fortdauernde Nutzen anhält und ob dieses Phänomen auch für andere Bisphosphonate wie Risedronat gilt. Unklar ist auch, ob es Risikogruppen gibt, die von einer längeren Therapie oder von Wiederaufnahme der Behandlung nach einer Pause profitieren würden.
Andererseits gibt es mit den Kiefernekrosen (a-t 2005; 36: 23-4, 2009; 40: 16, 39, 92) und den seltenen atypischen Femurfrakturen (a-t 2010; 41: 117-8) klinisch bedeutsame Langzeitrisiken der Bisphosphonate. Für orale Bisphosphonate wird zudem ein erhöhtes Risiko von Speiseröhrenkarzinomen diskutiert, wobei hier die Datenlage allerdings widersprüchlich ist: Nach einer britischen Fall-Kontroll-Studie besteht ein erhöhtes Risiko (relatives Risiko [RR] 1,30; 95% CI 1,02-1,66), insbesondere bei mehr als dreijähriger Einnahme (RR 2,24; 95% CI 1,74-3,43).6 Dagegen finden andere Beobachtungsstudien keinen Zusammenhang,7,8 bzw. keinen Zusammenhang mit zunehmender Therapiedauer.9 Für Patienten mit BARRETT-Ösophagus soll jetzt aber in die Fachinformation zu Alendronat ein Warnhinweis vor Speiseröhrenkarzinomen aufgenommen werden.10
Nutzenbelege für Bisphosphonate bei Osteoporose aus randomisierten kontrollierten Studien gibt es nur für eine Therapiedauer von drei bis vier Jahren.
In der Gesamtschau der inzwischen vorliegenden Extensionsstudien ist der klinische Nutzen einer längeren Therapie nicht belegt.
Die therapeutische Wirksamkeit von Alendronat (FOSAMAX, Generika) und Zoledronat (ACLASTA) scheint dagegen nach Absetzen noch mehrere Jahre anzuhalten - möglicherweise aufgrund der langen Verweildauer der Mittel im Knochen.
Unklar ist, wie lange der nach Absetzen fortdauernde Effekt anhält und ob dieses Phänomen auch für andere Bisphosphonate wie Risedronat (ACTONEL, Generika) gilt. Offen ist auch, ob bestimmte Risikogruppen von einer längeren Therapie oder von Wiederaufnahme der Behandlung nach einer Pause profitieren würden.
Den zeitlich begrenzten Nutzenbelegen stehen potenzielle Risiken der Langzeitanwendung wie Kiefernekrosen und atypische Frakturen gegenüber, unter oralen Bisphosphonaten möglicherweise auch Speiseröhrenkarzinome. Die Extensionsstudie mit Zoledronat weist erneut auf das nephrotoxische Potenzial des Mittels und das möglicherweise erhöhte Risiko von Vorhofflimmern hin.
Wir sehen beim derzeitigen Kenntnisstand im Allgemeinen keine Indikation für eine länger als drei bis vier Jahre dauernde Behandlung mit Bisphosphonaten bei Osteoporose.
(R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse) | |
R 1 | BLACK, D.M. et al.: JAMA 2006; 296: 2927-38 |
R 2 | BLACK, D.M. et al.: J. Bone Miner. Res. 2012; 27: 243-54 |
3 | FDA: Background Document Advisory Committee Meeting 9. Sept. 2011 http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/CommitteesMeetingMaterials/Drugs/ DrugSafetyandRiskManagementAdvisoryCommittee/UCM270958.pdf |
4 | WHITAKER, M. et al.: N. Engl. J. Med. 2012; 366: 2048-51 |
5 | FDA: Diavortrag Advisory Committee Meeting 9. Sept. 2011; http://www.fda.gov/downloads/AdvisoryCommittees/CommitteesMeetingMaterials/Drugs/ ReproductiveHealthDrugsAdvisoryCommittee/UCM271906.pdf |
6 | GREEN, J. et al.: BMJ 2010; 341: c4444 (8 Seiten) |
7 | CARDWELL, C.R. et al.: JAMA 2010; 304: 657-63 |
8 | ABRAHAMSEN, B. et al.: J. Bone Miner. Res. 2012; 27: 679-86 |
9 | VESTERGAARD, P.: Calcif. Tissue Int. 2011; 89: 434-41 |
10 | BfArM: Stufenplanbescheid Alendronat-haltige Arzneimittel vom 10. Mai 2012 http://www.bfarm.de/SharedDocs/1_Downloads/DE/Pharmakovigilanz/ stufenplverf/alendronat_anhoerung_20120510.pdf?__blob=publicationFile |
* | FIT = Fracture Intervention Trial FLEX = Fracture Intervention Trial Long-term Extension HORIZON-PFT = Health Outcomes and Reduced Incidence with Zoledronic Acid Once Yearly Pivotal Fracture Trial |
© 2012 arznei-telegramm, publiziert am 1. Juni 2012
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