Pharmareferenten ohne Kontrolle
Pharmareferenten beeinflussen das Verordnungsverhalten von Ärzten (a-t 2003; 34: 89-90). Wäre dies nicht so, gäbe es diesen Berufsstand wahrscheinlich gar nicht mehr. Unter der Überschrift „Pharmareferenten und Patientensicherheit” wird jetzt die Qualität der Angaben von Pharmareferenten in Frankreich, Kanada und den USA untersucht. Dazu haben 255 niedergelassene Ärzte in Toulouse, Montreal/Vancouver und Sacramento insgesamt 1.692 Präsentationen von Pharmareferenten unmittelbar nach deren Besuch oder zumindest noch am gleichen Tag mithilfe eines speziellen Fragebogens dokumentiert. Das Ergebnis ist deprimierend: In durchschnittlich 59% der Gespräche geben die Pharmareferenten überhaupt keine Informationen zu Risiken, in 8% stellen sie unbelegte Behauptungen zur Sicherheit auf und in 13% erwähnen sie nicht zugelassene Indikationen. Sicherheitsinformationen, die Mindestanforderungen erfüllen – definiert als Erwähnung von jeweils mindestens einer zugelassenen Indikation, einer schweren (sofern vorhanden) und einer sonstigen unerwünschten Wirkung sowie einer Gegenanzeige bei gleichzeitigem Verzicht auf unbelegte Behauptungen zur Sicherheit und auf Erwähnung nicht zugelassener Indikationen – werden nur in 1,7% der Gespräche vermittelt. Die Qualität der Promotionsgespräche schnitt in Frankreich in der Tendenz weniger schlecht ab, wahrscheinlich weil dort die Tätigkeit von Pharmareferenten einigen behördlichen Regelungen unterliegt. In Kanada ist die Regulierung der Tätigkeit von Pharmareferenten hingegen weitgehend den Industrieverbänden überlassen. In den USA gilt das Prinzip der „fairen Balance”: Nutzen und Schaden sollen zur Sprache kommen. Insgesamt unterscheidet sich die Qualität der Präsentationen in den drei Ländern jedoch nicht grundlegend. Die Autoren führen dies auf fehlende Kontrolle der Arzt-Pharmareferent-Interaktion zurück. Erstaunlich ist, dass die Ärzte die wissenschaftliche Qualität der erhaltenen Informationen trotz der offensichtlichen gravierenden Mängel zu 57% als gut oder ausgezeichnet und zu 33% als ausgewogen bewerten. Die Beurteilung fällt tendenziell positiver aus, wenn die Referenten im Gespräch unerwünschte Effekte erwähnen. Auch geben etwa zwei Drittel der Ärzte an, dass sie geneigt sind, die beworbenen Produkte häufiger zu verordnen. Hier stellen sich Fragen nach der rationalen Basis der Verordnungsentscheidungen, die auf Kenntnis von Nutzen und Schaden gründen sollten (MINTZES, B. et al.: J. Gen. Intern. Med., online publ. am 5. Apr. 2013, doi: 10.1007/s11606-013-2411-7).
© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 5. Juli 2013
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