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Therapiekritik

PD-MED-STUDIE ZUR INITIALEN THERAPIE DES MORBUS PARKINSON

Zur initialen Therapie des Morbus PARKINSON werden in erster Linie Levodopa (plus Dekarboxylasehemmer; MADOPAR, Generika), nichtergoline Dopaminagonisten wie Pramipexol (SIFROL, Generika) oder Monoaminooxidase-B (MAO-B)-Hemmer wie Selegilin (SELEGILIN AL u.a. Generika) empfohlen.1,2 In randomisierten Vergleichsstudien wirkt Levodopa besser auf die PARKINSON-Symptomatik als Dopaminagonisten. Dopaminagonisten gehen andererseits im Vergleich zu Levodopa mit geringerem Risiko für motorische Spätkomplikationen wie Dyskinesien und Fluktuationen einher, jedoch mit einer höheren Rate nichtmotorischer unerwünschter Effekte.3 Da ältere Patienten weniger von motorischen Komplikationen unter Levodopa betroffen sind, aber empfindlicher für Störwirkungen durch Dopaminagonisten, wird für diese Gruppe der Therapiebeginn mit Levodopa bevorzugt.1,2,4 Jüngeren Patienten ohne wesentliche Komorbidität wird dagegen primär ein Dopaminagonist empfohlen.1 Orientierend werden in der deutschen Leitlinie 70 Jahre als Altersgrenze angegeben,1 andere Autoren empfehlen 60 Jahre.4 MAO-B-Hemmer gelten nach den wenigen Direktvergleichen als schwächer wirksam sowohl als Levodopa wie auch als Dopaminagonisten.5 Sie werden für die initiale Therapie bei milder Symptomatik empfohlen.1,4

Mit der öffentlich geförderten PD-MED-Studie wird jetzt erstmals eine große pragmatische randomisierte Langzeitstudie publiziert, in der alle drei Optionen der initialen PARKINSON-Therapie verglichen werden. 1.620 im Mittel 62 bis 71 Jahre alte Patienten mit neuer oder kürzlich gestellter Diagnose, die eine medikamentöse Therapie benötigen, aber zuvor nicht oder weniger als sechs Monate lang (8%) mit dopaminergen Mitteln behandelt wurden und bei denen Unsicherheit besteht, welche Wirkstoffklasse bevorzugt werden soll, nehmen an der offenen, hauptsächlich in Großbritannien durchgeführten Studie teil. Randomisiert wird im Verhältnis 1 : 1 : 1. MAO-B-Hemmer bzw. Levodopa können aber, wenn sie für einzelne Patienten nicht in Betracht kommen, von der Randomisierung ausgenommen werden. Die Studienärzte können die Präparate in der jeweils zugeteilten Wirkstoffklasse und die Dosis gemäß Zulassung frei wählen. Bei unzureichendem Ansprechen oder Störwirkungen kann die Medikation gewechselt werden oder es können andere PARKINSON-Mittel ergänzt werden. Primäre Endpunkte sind die krankheitsbezogene Lebensqualität, erfasst mit der Mobilitätssubskala des Parkinson’s Disease Questionnaire (PDQ-39*), sowie eine (noch nicht publizierte) Kosten-Nutzen-Analyse. Zu den sekundären Endpunkten gehören die anderen Domänen und der Summenscore des PDQ-39, Auftreten von Dyskinesien und motorischen Fluktuationen, Adhärenz, Demenz, Einweisung in Klinik oder Pflegeeinrichtung sowie Mortalität. Außerdem werden auch Informationen zu unerwünschten Effekten systematisch erfasst.6,7

* PDQ-39: Fragebogen mit 8 Domänen und insgesamt 39 Fragen zu Beeinträchtigungen (Mobilitätssubskala 10 Fragen), für die Punktwerte von 0 = niemals bis 4 = immer vergeben werden können, nach Umrechnung Score jeder Domäne und Summenscore von 0 bis 100, geringerer Punktwert bedeutet höhere Lebensqualität.

Die mediane Nachbeobachtung beträgt drei Jahre, ausgewertet werden bis zu 7 Jahre. Analysiert wird nach Intention-to-treat, unabhängig von der Compliance. Die Verluste im Follow-up sind nach unseren Berechnungen allerdings in allen drei Gruppen relativ hoch (im primären Endpunkt nach 2 Jahren 17%). Die Studienmedikation wird in der Levodopa-Gruppe im Laufe von sieben Jahren signifikant seltener abgesetzt: 7% im Vergleich zu 50% unter Dopaminagonisten und 72% unter MAO-B-Hemmern. Hauptgrund sind unerwünschte Effekte (2% vs. 28% vs. 23%). Auch Abbruch wegen mangelnder Wirksamkeit (1% vs. 6% vs. 17%) und Ergänzung der Therapie (20% vs. 40% vs. 64% in zwei Jahren) kommen unter Levodopa seltener vor. In den Gruppen ohne Levodopa wird meist zu Levodopa gewechselt oder Levodopa ergänzt. Die am häufigsten berichteten Störwirkungen, darunter vor allem neuropsychiatrische und gastrointestinale, sind alle unter Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmern häufiger als unter Levodopa. Am schlechtesten werden Dopaminagonisten vertragen.6

Der durchschnittliche PDQ-39-Score für Mobilität ist mit 1,8 Punkten Differenz (Δ) unter Levodopa im Studienverlauf signifikant und anhaltend besser als bei Therapiebeginn ohne Levodopa (p = 0,005). Als kleinste klinisch relevante Differenz hatten die Autoren allerdings vor Studienbeginn 6 Punkte festgelegt. Bis auf emotionales Wohlbefinden (Δ = 0,2 Punkte) unterscheiden sich auch alle anderen Domänen des PDQ-39 zu Gunsten von Levodopa, einige, darunter auch der Summenscore (Δ = 1 Punkt), signifikant. Dies gilt ebenso für das Krankheitsstadium nach HOEHN und YAHR. Patienten der Levodopa-Gruppe entwickeln andererseits signifikant häufiger Dyskinesien (21% vs. 14%; Hazard Ratio [HR] 1,52; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,16-2,00), Fluktuationen nehmen allerdings nur numerisch zu (HR 1,11; 95% CI 0,90-1,37). Die Ergebnisse zur Entwicklung einer Demenz, zur Häufigkeit der Aufnahme in Pflegeeinrichtungen und zur Mortalität begünstigen wiederum Levodopa, wenngleich nicht signifikant. In Subgruppenanalysen nach Alter ist der durchschnittliche PDQ-39-Mobilitätsscore unter Levodopa sowohl bei den über 70-Jährigen als auch bei den unter 70-Jährigen besser als bei Therapiebeginn ohne Levodopa. Es fehlen allerdings gesonderte Auswertungen für unter 60-Jährige.6

Der überraschende Trend zu einem besseren Mobilitätsscore unter MAO-B-Hemmern im Vergleich zu Dopaminagonisten (Δ = 1,4 Punkte, p = 0,05) ist angesichts der höheren Rate von Non-Compliance in dieser Gruppe nicht leicht interpretierbar. Als mögliche Erklärung diskutieren die Autoren, dass das im Verlauf in beiden Gruppen häufig zusätzlich oder alternativ verwendete Levodopa bei Kombination mit Dopaminagonisten wegen des ähnlichen Wirkmechanismus weniger effektiv sein könnte als bei Kombination mit MAO-B-Hemmern.6

∎  Die große PD-MED-Studie zur initialen medikamentösen Therapie des Morbus PARKINSON bestätigt in beeindruckender Weise bisherige Erkenntnisse aus kleineren Studien.

∎  Levodopa (plus Dekarboxylasehemmer; MADOPAR, Generika) hat in der initialen Therapie des Morbus PARKINSON eine bessere Nutzen-Schaden-Bilanz als Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmer.

∎  Der Vorteil eines Therapiebeginns mit Levodopa gilt nach PD-MED auch für unter 70-Jährige.

∎  Unbeantwortet bleibt allerdings nach wie vor die wichtige Frage, wie noch jüngere Patienten (unter 60 Jahre) initial am besten behandelt werden.

∎  Die im Vergleich zu den anderen Optionen unter MAO-B-Hemmern deutlich höheren Raten von Therapieabbruch, Abbruch wegen Wirkungslosigkeit und Ergänzung der Therapie sprechen weiterhin für einen geringeren Nutzen dieser Wirkstoffgruppe.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 Deutsche Gesellschaft für Neurologie et al.: Leitlinien: Parkinson-Syndrome – Diagnostik und Therapie, Stand Sept. 2012 (in Überarbeitung), gültig bis 30. Sept. 2014; http://www.a-turl.de/?k=uick
2 OERTEL, W.H. et al., in : GILHUS, N.E. et al. (Hrsg): European Handbook of Neurological Management. Band 1, 2. Aufl., Wiley-Blackwell, Oxford 2011, Seite 217-36; http://www.a-turl.de/?k=odne
M  3 STOWE, R. et al.: Dopamin agonist therapy in early Parkinson’s disease. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Jan. 2008; Zugriff Okt. 2014
4 CONNOLLY, B.S., LANG, A.E.: JAMA 2014; 311: 1670-83
M  5 CASLAKE, R. et al.: Monoamine oxidase B inhibitors versus other dopaminergic agents in early Parkinson’s disease. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Feb. 2009; Zugriff Okt. 2014
R  6 PD MED Collaborative Group: Lancet 2014; 384: 1196-205
7 PD MED Trial Office: PD MED Protocol Version 8, Aug. 2010 http://www.a-turl.de/?k=arpi

© 2014 arznei-telegramm, publiziert am 17. Oktober 2014

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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