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SARS-COV-2: ACE-HEMMER UND SARTANE ABSETZEN?

In der Redaktion erreichen uns mehrere Anfragen, ob ACE- Hemmer oder Angiotensin (AT)-II-Blocker angesichts der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie besser abgesetzt und die Patienten auf andere Antihypertensiva umgestellt werden sollten. Hintergrund sind Hypothesen, nach denen diese beiden Arzneimittelklassen sowohl das Risiko einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus erhöhen als auch den Verlauf der Erkrankung aggravieren könnten.z.B.1,2 Abgeleitet werden diese Annahmen aus der Beobachtung, dass SARS-CoV-2 – ebenso wie das SARS-Coronavirus (SARS-CoV), Auslöser der SARS*-Epidemie 2003 – Zellen über das mit dem Angiotensin Converting Enzym (ACE) eng verwandte Enzym ACE2 infiziert.1-3 In einigen Tierversuchenz.B.4,5 steigern ACE-Hemmer und AT- II-Inhibitoren die Genexpression von kardialem ACE2, in anderenz.B.6 jedoch nicht.7 Angeführt wird auch, dass die häufigsten vorbestehenden Erkrankungen, die in Beobachtungsstudien bei chinesischen Patienten mit schwerem oder tödlichem Verlauf von COVID-19 dokumentiert wurden – Hypertonie, Diabetes, koronare bzw. zerebrovaskuläre Erkrankung –, oft mit ACE-Hemmern behandelt werden, wenn auch die verwendete Medikation dort nicht analysiert wurde.2

Allerdings ist andererseits auch bekannt, dass ACE2- Expression vor Schädigung der Lunge schützt, indem es Angiotensin II, das durch Stimulation von AT1-Rezeptoren zu Lungenschäden bis zum Lungenödem führen kann, in Angiotensin 1-7 spaltet.3,7,8 Das SARS-Virus selbst soll ACE2 herunterregulieren, was das schwere akute respiratorische Syndrom befördern könnte.3,8 So kursieren auch Hypothesen, dass AT-II-Blocker wie Losartan Lungenschäden durch SARS-CoV-2 möglicherweise abschwächen,7,8 was tierexperimentell für SARS gezeigt wurde.9 Eine klinische Studie mit Losartan an Patienten mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion, aber lediglich milder Erkrankung, ist in Vorbereitung.10

Die Spekulation, dass ACE-Hemmer oder Sartane Infektionsrisiko und Schwere des Krankheitsverlaufs von COVID-19 negativ beeinflussen könnten, entbehrt nach einer aktuellen Stellungnahme der europäischen kardiologischen Gesellschaft (ESC) derzeit einer stichhaltigen wissenschaftlichen Basis. Die ESC empfiehlt daher dringend, eine bestehende antihypertensive Therapie mit einem ACE-Hemmer oder einem AT-II-Blocker unverändert fortzusetzen.11 Dies entspricht auch der Einschätzung und Empfehlung von neun weiteren europäischen bzw. internationalen Fachgesellschaften.7

Angesichts dessen, dass schon die Daten für die Hypothese eines möglichen schädlichen Effekts von ACE-Hemmern und AT-II-Blockern auf Infektionen mit und Erkrankungen an SARS-CoV-2 widersprüchlich sind und klinische Untersuchungen völlig fehlen, raten wir von einer Umstellung auf andere Antihypertensiva ab. Dies würde in den ohnehin belasteten Praxen eine Vielzahl zusätzlicher Patientenkontakte auslösen, was derzeit absolut kontraproduktiv ist. Bei Herzinsuffizienz kann auf ACE-Hemmer und Sartane sowieso nicht verzichtet werden, –Red.

1ZHENG, Y.-Y. et al.: Nat. Rev. Cardiol., online publ. am 5. März 2020, doi: 10.1038/s41569-020-0360-5 (2 Seiten); http://www.a-turl.de/?k=rabf
2FANG, L. et al.: Lancet Respir. Med., online publ. am 11. März 2020, doi: 10.1016/S2213-2600(20)30116-8 (1 Seite); http://www.a-turl.de/?k=udor
3HOFFMANN, M. et al.: Cell, online publ. am 4. März 2020 (19 Seiten); http://www.a-turl.de/?k=reyd
4ISHIYAMA, Y. et al.: Hypertension 2004; 43: 970-6
5FERRARIO, C.M. et al.: Circulation 2005; 111: 2605-10
6BURCHILL, L.J. et al.: Clin. Sci. (Lond.) 2012; 123: 649-58
7SPARKS, M.A. et al.: The Coronavirus Conundrum: ACE2 and Hypertension Edition. NephJC, Stand 17. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=udwa
8GURWITZ, D.: Drug Dev. Res., online publ. am 4. März 2020; doi: 10.1002/ddr.21656 (4 Seiten)
9KUBA, K. et al.: Nat. Med. 2005; 11: 875-9
10CARLSON, J.: Star Tribune vom 13. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=ulsb
11ESC: Pressemitteilung vom 13. März 2020; http://www.a-turl.de/?k=ille

© 2020 arznei-telegramm, publiziert am 18. März 2020

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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