Vorsicht – unzuverlässige Glukosemessung durch Smartwatch & Co.
In Frankreich wird aktuell vor Geräten wie Smartwatches oder Smart-Ringen gewarnt, die vorgeben, den Blutzuckerspiegel durch bloßen Hautkontakt messen zu können.1 Auch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat letztes Jahr vor solchen Produkten gewarnt und darauf hingewiesen, dass bislang keine Smartwatch und kein Smart-Ring mit nichtinvasivem Messverfahren ohne Durchstechen der Haut von der Behörde freigegeben oder zugelassen worden ist.2 Um die vermeintliche Glukosemessfunktion zu testen, wurden für einen Pilotversuch3 aus Deutschland zwei Smartwatches im Onlinehandel erworben. Die Armbanduhren sind mit einem optischen Sensor ausgestattet und sollen neben dem Blutzucker unter anderem auch Sauerstoffsättigung, Herzfrequenz, Körpertemperatur und Blutdruck bestimmen können. Eine Person mit Typ-1-Diabetes trägt die Geräte an je einem Handgelenk tagsüber an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Gleichzeitig erfolgt ein herkömmliches kontinuierliches Glukosemonitoring. Die durch die Smartwatches erfassten Glukoseverläufe sind an beiden Tagen jeweils nahezu identisch, mit Anstiegen zu Uhrzeiten, die für die Hauptmahlzeiten typisch sind, wobei die Spitzenwerte einer Uhr deutlich höher sind als die der anderen (160 mg/dl versus 130 mg/dl). Beim Vergleich der Daten mit denen des konventionellen Monitorings ist eine „klinisch aussagekräftige Ähnlichkeit ... nicht zu erkennen.“ Selbst als die Uhren am dritten Tag an einer Banane befestigt werden, unterscheidet sich der Glukoseverlauf jeweils praktisch nicht von dem an den ersten beiden Tagen.3 Die Geräte erweisen sich zur Blutzuckermessung somit als völlig nutzlos, ja sogar gefährlich: Zwar weisen die Hersteller der beiden Uhren darauf hin, dass es sich nicht um Medizinprodukte handelt und sie sich daher nicht für medizinische Zwecke eignen.3 Dennoch könnten Diabetespatienten verleitet werden, sich an derartigen (offenbar fiktiven) Werten zu orientieren, und sich in falscher Sicherheit wiegen, – wie in einem Bericht4 über eine 60-Jährige mit Typ-2-Diabetes, die bei einem Kontrolltermin sichtlich überrascht über ihren hohen HbA1c (11,9%) ist, da ihre Smartwatch in letzter Zeit unauffällige Blutzuckerwerte angezeigt hatte. Eine anschließende Überprüfung ergibt eine große Diskrepanz zwischen den Werten der Uhr und den tatsächlichen Glukosewerten (z.B. im Mittel 211 mg/dl bei kontinuierlicher subkutaner Messung gegenüber 92 mg/dl laut Uhr).4 Schlimmstenfalls können eine lebensgefährliche Unter- oder Überzuckerung nicht (rechtzeitig) bemerkt und/oder Medikamente falsch dosiert werden.1,2 Fachkreise sollten daher ausdrücklich vor der Benutzung solcher Geräte zur Diabetesüberwachung warnen, –Red.
1 | ANSM: Presseerklärung vom 31. März 2025; https://a-turl.de/efv9 |
2 | FDA: Sicherheitsinformation vom 21. Febr. 2024; https://a-turl.de/7n68 |
3 | EICHENLAUB, M.: Diabetes, Stoffwechsel und Herz 2024; 33: 102-4 |
4 | GAMARRA, E. et al.: Acta Diabetol. 2024; 61: 253-5 |
© 2025 arznei-telegramm, publiziert am 22. April 2025
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