MILZBRAND UND POCKEN ALS BIOWAFFEN?

Wegen zahlreicher Anfragen an die Redaktion kommentieren wir den Kenntnisstand zur Behandlung bzw. Prophylaxe von Infektionen mit Milzbrand und Pocken:

MILZBRAND: Die letzte tödliche Milzbrand (Anthrax)-Infektion gab es in Deutschland vor 25 Jahren. Etwa neun von zehn an Lungenmilzbrand infizierte Personen sterben unbehandelt, bei Hautmilzbrand einer bis zwei von zehn Erkrankten. Das klassische Therapeutikum war Penicillin G. Heute wird nach Inhalation der sporenbildenden Bacillus-anthracis-Stäbchen der Gyrasehemmer Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.; zweimal täglich 500 mg per os) empfohlen oder nach Prüfung auf Empfindlichkeit das Tetrazyklin Doxycyclin (VIBRAMYCIN u.a.; zweimal täglich 100 mg) oder das Breitspektrum Penizillin Amoxicillin (AMOXYPEN) (1). Da Sporen im Körper infizierter Personen überdauern, sollen die Antibiotika 60 Tage lang eingenommen werden. Damit ist klar, dass ein solches Regime mit hohen Dosierungen nur bei konkretem Verdacht auf inhalativen Kontakt mit Anthrax in Frage kommt und nicht bei Angst vor einer möglichen Bedrohung. Sind bereits deutliche Symptome der Erkrankung aufgetreten, sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit der antibakteriellen Therapie drastisch.

In den USA ist Ciprofloxacin seit dem Jahr 2000 zur postexpositionellen Prophylaxe von inhaliertem Anthrax zugelassen, wegen der lebensbedrohlichen Folgen der Infektion auch bei Kindern (2). Üblicherweise dürfen Gyrasehemmer wegen des Risikos der Knorpel- und Gelenkschädigung nicht bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren verwendet werden. Die Zulassung erfolgte auf Initiative der amerikanischen Behörden angesichts "realer und zunehmender" Bedrohung durch terroristische Attacken mit Anthrax ausschließlich auf der Basis von in-vitro-Daten und tierexperimentellen Studien (3).

Impfstoffe gegen Milzbrand sind in Deutschland weder zugelassen noch kurzfristig erhältlich. Vakzinen sind zwar in Großbritannien, USA und Kanada zugelassen, jedoch auch dort nicht verfügbar (4).

POCKEN: 1975 wurde in Deutschland die Pflichtimpfung von Säuglingen gegen Pocken abgeschafft. Seit 1980 gilt die Erkrankung, für die es keine zuverlässige Therapie gibt, weltweit als ausgerottet. Die von der WHO geforderte Vernichtung der offiziell noch in den USA und in Russland gelagerten Pocken-Viren wurde immer wieder verschoben, zuletzt auf das Jahr 2002. Die offizielle Begründung lautet "weiterer Forschungsbedarf" (5). Wahrscheinlich beruht dieser "Forschungsbedarf" jedoch auf der begründeten Befürchtung, dass auch in anderen Ländern Pocken-Viren vorhanden sind und als Biowaffen verwendet werden können.

Weltweit gibt es derzeit noch über 15 Millionen Impfstoffdosierungen: vor allem bei der WHO 0,5 Mio. (3) und in den USA 15,4 Mio. (6). Mit neu produziertem Pocken-Impfstoff ist nicht vor nächstem Sommer zu rechnen. Nach einer Pilotstudie können die Impfbestände "gestreckt" werden. Ein Zehntel der bislang üblichen Dosis des US-Pocken-Impfstoffes DRYVAX scheint hinreichend wirksam zu sein (6). Für die hierzulande geimpften über 30-Jährigen dürfte - abgesehen von massiver Exposition - noch ein gewisser Schutz bestehen.

1

INGLESBY, T.V. et al.: JAMA 1999; 281: 1735-45

2

Scrip 2000; Nr. 2573: 17

3

Scrip 2000; Nr. 2562: 26

4

Paul-EHRLICH-Institut: "Information zur Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen Milzbrand, Pest und Pocken", 11. Oktober 2001

5

ärzte Zeitung vom 13. April 2000

6

CNN Health: "Can U.S. stretch smallpox vaccine stockpile?", 15. Oktober 2001



© Redaktion arznei-telegramm
blitz-a-t 15. Oktober 2001