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Neu auf dem Markt

ANTIBABYPILLE PETIBELLE/YASMIN

Seit 15. November gibt es unter den Warenzeichen PETIBELLE und YASMIN ein neues orales Kontrazeptivum, das neben 30 µg Ethinylestradiol erstmals das Gestagen Drospirenon enthält. Jenapharm und Schering versprechen neben zuverlässiger Verhütung "sogar die Möglichkeit zur Gewichtsabnahme".1,2 Das Marketing hat offenbar Erfolg: "Neue Antibabypille macht sogar schlank",3 "schlanker und fitter"4 und "Verhütung ohne Gewichtszunahme"5 jubelt die Presse. Wen soll da noch die "Warnung" eines Schering-Mitarbeiters erreichen, die neue Pille sei kein Schlankheitsmittel?6

EIGENSCHAFTEN: Drospirenon leitet sich vom Aldosteron-Antagonisten Spironolakton (ALDACTONE u.a.) ab, dessen Anwendung 1986 wegen schwerer Störwirkungen und des aus Tierversuchen abgeleiteten Verdachts auf Kanzerogenität stark eingeschränkt werden musste (a-t 1986; Nr. 9: 87). Drospirenon hat ebenfalls antimineralokortikoide Eigenschaften und soll der östrogenbedingten Wassereinlagerung entgegenwirken. Zudem werden dem neuen Gestagen antiandrogene Effekte zugeschrieben.1,2

ZUVERLÄSSIGKEIT: In zwei offenen Multizenterstudien7,8 nehmen insgesamt knapp 3.000 Frauen ein beziehungsweise zwei Jahre lang 30 µg Ethinylestradiol plus 3 mg Drospirenon oder 150 µg Desogestrel (MARVELON u.a.) ein. Beide Hormonkombinationen verhüten Schwangerschaften zuverlässig.

VERTRÄGLICHKEIT: Zwischenblutungen und andere Zyklusstörungen kommen gleich häufig vor, ebenso die typischen Störwirkungen niedrig dosierter oraler Kontrazeptiva wie Kopf- und Brustschmerz (jeweils über 5%), Übelkeit (2% bis 5%), Bauchschmerz (2% bis 4%), Migräne (2%) u.a. Eine bessere Beeinflussung prämenstrueller Symptome oder von Akne und Seborrhoe im Vergleich zur Desogestrel-haltigen Pille lässt sich anhand dieser Daten nicht belegen. Der Blutdruck sinkt unter beiden Mitteln geringfügig.7,8

In beiden Studien steht der Einfluss auf das Körpergewicht im Vordergrund: In der größeren7 nehmen die Frauen während der einjährigen Einnahme unter der Drospirenon-haltigen Kombination im Mittel 0,5 kg ab im Vergleich zu 0,2 kg unter dem Desogestrel-haltigen Mittel. Die Differenz von 300 g wird als statistisch signifikant herausgestellt. Bedeutsame Gewichtsschwankungen von mehr als 2 kg kommen aber in beiden Gruppen häufig vor: Bei 14% beziehungsweise 17% als Gewichtszunahme, bei 25% beziehungsweise 21% als Abnahme (jeweils Drospirenon versus Desogestrel).7

In der kleineren Studie8 nehmen die Frauen unter der Neuerung im Mittel etwas Gewicht ab und unter dem Vergleichspräparat leicht zu. Konkrete Zahlen fehlen. Der Unterschied soll aber statistisch signifikant sein. Am Ende der zweijährigen Einnahme ist das Körpergewicht jedoch auch unter der Neuerung über den Ausgangswert angestiegen.

Wegen der Nähe zum Karzinogen Spironolakton kommt der Überprüfung auf Kanzerogenität besondere Bedeutung zu. Laut Schering wurden Studien durchgeführt, deren Ergebnisse mit vergleichbaren Daten anderer Gestagene übereinstimmen sollen.9 Das BfArM bestätigt dies.10 In den USA verzögert sich die Markteinführung, da die FDA weitere Informationen fordert.11

KOSTEN: Die Dreimonatspackung YASMIN/PETIBELLE kostet 63 DM und damit mehr als das Doppelte einer Levonorgestrel-haltigen Pille wie MINISISTON (26 DM) und 40% mehr als MARVELON (45 DM) mit dem umstrittenen Gestagen Desogestrel (s. Seite 101).

FAZIT: Mit der neuen Antibabypille PETIBELLE/YASMIN lassen sich Schwangerschaften offenbar zuverlässig verhüten. Bei der behaupteten "Möglichkeit zur Gewichtsabnahme" geht es allenfalls um wenige hundert Gramm. Solche Äußerungen zielen auf den Lifestylebereich und erscheinen geeignet, einem gestörten Körperselbstbild und Essstörungen bei jungen Frauen Vorschub zu leisten.

Das enthaltene neue Gestagen Drospirenon ist eng verwandt mit dem im Tierversuch kanzerogenen Aldosteron-Antagonisten Spironolakton (ALDACTONE u.a.). Kanzerogenitätsstudien an Ratten und Mäusen sollen negativ verlaufen sein. Die Thrombogenität des neuen Gestagens ist unbekannt. Wegen des geringen Erprobungsgrades raten wir von der Anwendung ab.

© 2000 arznei-telegramm

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