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Im Blickpunkt

OSTEOPOROSE-BEHANDLUNG: FLUORIDE SOFORT ABSETZEN?

Im Deutschen Ärzteblatt1 sowie in den Massenmedien machten negative Berichte über die Behandlung der Osteoporose mit Natriumfluorid (OSSIN u.a.) und anderen Fluorpräparaten Schlagzeilen, die in den Rat einmündeten, Fluoride sofort abzusetzen. Grundlage für diese Empfehlung sind Kongreßberichte über noch unveröffentlichte Studien aus den USA, die eine erhöhte Rate an Knochenbrüchen unter der Fluoridbehandlung nachgewiesen hätten. Die Fakten sind mangels publizierter Daten nicht nachprüfbar. Der Leser kann sich kein eigenes Urteil bilden. So scheint sich hinter den lauten Forderungen vor allem ein prestigebetonter Meinungsstreit der Wissenschaftler abzuzeichnen.

In zwei Studien wurde die Gabe von Kalzium allein mit der von Kalzium plus Fluorid verglichen. Mediziner aus dem Henry-Ford-Hospital in Detroit registrierten unter Kalzium allein 539 Wirbel- und keine Hüftgelenksfrakturen pro 1000 Patientenjahre, in der Kalzium/Fluoridgruppe 718 Wirbel- und 3 Hüftgelenksfrakturen. Bei anderen Frakturen ergab sich kein Unterschied zwischen beiden Gruppen. In der Studie aus der Mayo-Klinik, in der Patientinnen über vier Jahre Kalzium allein oder Kalzium plus Fluorid erhielten, fand sich fast das Gegenteil. In der Fluoridgruppe nahm die Knochenmasse gegenüber Kalzium allein um 40% zu bei einer 15%igen Senkung der Zahl der Wirbelfrakturen, ein nicht signifikanter Unterschied. Andererseits verdreifachte sich die Zahl der anderen Knochenbrüche in der Fluoridgruppe.

Die Studienergebnisse liegen nur in Kurzfassung vor. Folglich lassen sich Fragen zur Korrektheit der Randomisierung oder Definition der als Frakturen bezeichneten Ereignisse noch nicht beantworten. Da es auch positive Studienresultate zur Behandlung mit Fluoriden gibt, reichen diese vorläufigen Berichte zum jetzigen Zeitpunkt für die Forderung nach sofortiger Beendigung der Fluoridtherapie nicht aus. Zudem fehlen der Fluoridbehandlung gravierende Risiken anderer Art, die eine zurückhaltende Anwendung erforderlich machen würden. Deshalb erscheint die Forderung der Arbeitsgruppe von HESCH1 derzeit übereilt. Eine genauere Beurteilung der Therapie mit Fluoriden ist erst nach eingehender Analyse der publizierten Daten möglich.

Die Prinzipien der Osteoporosebehandlung bleiben vorläufig unverändert:

  • Prophylaxe für Frauen bei Beginn der Menopause durch langjährige Gabe von niedrig dosierten konjugierten Östrogenen oder Estradiol, wobei gewisse Bedenken bestehen (vgl. a-t 8 [1989], 78).


  • Regulation der Kalziumzufuhr auf 1-1,5 g pro Tag durch die Nahrung (Milch, Milchprodukte wie Käse u.a.), gegebenenfalls auch als Kalziumtabletten.


  • Substitution von 1,25-Dihydroxycolecalciferol (ROCALTROL) bei Colecalciferol (Vitamin D)-Verwertungsstörungen infolge schwerwiegender hepatischer oder renaler Funktionseinschränkung.


  • Gabe von Natriumfluorid (80 mg pro Tag) bei Osteoporose höheren Schweregrades, zur Vermeidung der störenden gastrointestinalen Beschwerden am besten abends.

Die Empfehlung zur Anwendung von Calcitonin (KARIL) erscheint wenig überzeugend belegt, da nur ungefähr die Hälfte der Patienten von der langfristigen Behandlung profitiert (erforderlich 100 I.E. Calcitonin jeden 2. Tag für 12 bis 18 Monate, monatliche Therapiekosten ungefähr 300,- DM) und die Therapietreue dieses Regimes bei Unverträglichkeitsraten bis zu 20%2 nicht gewährleistet ist.


© 1990 arznei-telegramm

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