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Ausführliche Bewertung gleichzeitig als e a-t 4/2025 veröffentlicht.
Bereits in a-t 2020; 51: 66-7 hatten Sie von Real-World-Daten zu neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) im Vergleich zu Phenprocoumon (MARCUMAR, Generika) berichtet. Nun bin ich erneut auf teils besorgniserregende Daten einer retrospektiven Analyse zu dieser Fragestellung gestoßen. Die Hazard Ratio (HR) für einen Tod jeglicher Ursache lag dort in der Apixaban (ELIQUIS)- im Vergleich zur Cumarin-Gruppe bei 1,91! Wie bewerten Sie diese neue Analyse?
N.N. (Name etc. in a-t 4/2025 genannt)
1 ENGELBERTZ, C. et al.: J. Intern. Med. 2024; 296: 362-76
Die Zulassungen aller Nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK, stand früher für neue orale Antikogulanzien) zur Therapie venöser Thromboembolien oder zur Prävention von embolischen Ereignissen und Schlaganfällen bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern basieren auf randomisierten klinischen Studien mit Vergleichen gegenüber Warfarin (COUMADIN) als Vitamin K-Antagonist. Zur oralen Antikoagulation wird im deutschsprachigen Raum als Cumarin aber nahezu ausschließlich Phenprocoumon (MARCUMAR, Generika) verwendet, das wegen der längeren Wirkdauer eine stabilere Einstellung auf die angestrebten INR-Werte erlaubt.
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Melatoninhaltige Schlafmittel sind nicht nur als verschreibungspflichtige Arzneimittel, sondern auch als freiverkäufliche Nahrungsergänzungsmittel im Handel – eine problematische Koexistenz, über die wir kürzlich berichteten (a-t 2025; 56: 9-10). Grund genug, um zu prüfen, wie gut Wirksamkeit und Sicherheit des Zirbeldrüsenhormons bei Insomnie belegt sind.
Melatonin wurde in Europa 2007 zur kurzzeitigen Behandlung primärer Schlafstörungen für Personen ab 55 Jahre zugelassen, zunächst für eine dreiwöchige Anwendung (2 mg zur Nacht; CIRCADIN RETARD, Generika; a-t 2008; 39: 45-6).
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Seit März 2025 ist mit Atogepant (AQUIPTA) erstmals ein „Gepant“ zur Migräneprophylaxe in Deutschland im Handel. Der Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP)-Rezeptorantagonist ist für Erwachsene mit mindestens vier monatlichen Migränetagen zugelassen. Anders als die ebenfalls zur Migräneprophylaxe eingesetzten Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor (z.B. Erenumab [AIMOVIG]; a-t 2018; 49: 91-3 u.a.) wird Atogepant nicht parenteral injiziert, sondern per os eingenommen.
EIGENSCHAFTEN: CGRP ist ein vasodilatierendes Neuropeptid, das mit der Entstehung von Migräne assoziiert sein soll. Das kleinmolekulare Atogepant soll CGRP-vermittelte Gefäßerweiterung, neurogene Entzündung und Schmerzweiterleitung im trigeminalen System blockieren. Der genaue Mechanismus bei der Prophylaxe von Migräne ist unbekannt.
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Die bislang bei atopischer Dermatitis zugelassenen Biologika Dupilumab (DUPIXENT; a-t 2018; 49: 2-4, 13 u.a.), Tralokinumab (ADTRALZA; a-t 2021; 52: 65-6) und Lebrikizumab (EBGLYSS; a-t 2024; 55: 18-9) sind gegen Interleukin (IL)-13 gerichtet, Dupilumab zusätzlich gegen IL-4. Seit März 2025 ist mit Nemolizumab (NEMLUVIO) der erste IL-31-Hemmer für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis im Handel, die für eine systemische Therapie infrage kommen. Für Kinder unter 12 Jahren sind zur systemischen Therapie derzeit nur Dupilumab (ab 6 Monaten; nur bei schwerer Erkrankung) und der Januskinase (JAK)-Hemmer Baricitinib (OLUMIANT; a-t 2021; 52: 27-8; ab 2 Jahren) zugelassen.
EIGENSCHAFTEN: Nemolizumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG2-Antikörper, der selektiv am IL-31-Rezeptor alpha bindet und nachgeschaltete Signalwege hemmt, die an der Entstehung von Juckreiz, Entzündung, epidermaler Dysregulation und Fibrose beteiligt sein sollen.
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Nach zwei Patienten mit unzureichender Wirkung von Levothyroxin (EUTHYROX, Generika) nach Beginn einer antidepressiven Medikation mit Sertralin (ZOLOFT, Generika) möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Phänomen bekannt und in Packungsbeilage und Fachinformation bei Levothyroxin-Präparaten erwähnt wird, nicht aber in Packungsbeilage oder Fachinformation von Sertralin! Dies führte in beiden Fällen dazu, dass die behandelnden Kollegen in Verkennung der Symptome einer zunehmenden hypothyreoten Stoffwechsellage Sertralin unter der Vorstellung einer unzureichenden antidepressiven Wirkung hochdosierten, was entsprechend die Symptomatik verschlimmerte.
N.N. (Name etc. in a-t 4/2025 genannt)
Laut Fachinformation des Levothyroxin-Originals EUTHYROX gehört der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Sertralin (ZOLOFT, Generika) zu den Substanzen, die die Wirksamkeit des Mittels mindern („setzen die Wirksamkeit von Levothyroxin herab und führen zu einem TSH-Anstieg“).
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„Kostenlos abnehmen mit AOK und Oviva“, wirbt die Oviva AG im Internet für ihre digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) Ovivadirekt für Adipositas. Dies erachten wir als irreführend, da die App keineswegs kostenlos ist, sondern von der Versichertengemeinschaft der Krankenkasse bezahlt wird (vgl. e a-t 8/2024a). Krankenkassen beklagen aggressive Vermarktungsstrategien für einige DiGA, insbesondere für Oviva, und sehen einen Eingriff in die ärztliche Diagnosestellung und Therapie.
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Seit Jahren werden Medizinprodukte mit D-Mannose zur Prävention sowie zur unterstützenden Behandlung von Zystitis und anderen unkomplizierten bakteriellen Harnwegsinfekten angeboten. Die Einstufung als Medizinprodukt ist jedoch nun auch nach höchstrichterlicher Einschätzung offenbar nicht korrekt. Bei einem Stoff, der durch eine reversible Bindung an Bakterien verhindert, dass sich diese an menschliche Zellen binden, ist davon auszugehen, dass er eine pharmakologische Wirkung ausübt, urteilt aktuell der Europäische Gerichtshof (EuGH).
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In Frankreich wird aktuell vor Geräten wie Smartwatches oder Smart-Ringen gewarnt, die vorgeben, den Blutzuckerspiegel durch bloßen Hautkontakt messen zu können. Auch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat letztes Jahr vor solchen Produkten gewarnt und darauf hingewiesen, dass bislang keine Smartwatch und kein Smart-Ring mit nichtinvasivem Messverfahren ohne Durchstechen der Haut von der Behörde freigegeben oder zugelassen worden ist. Um die vermeintliche Glukosemessfunktion zu testen, wurden für einen Pilotversuch aus Deutschland zwei Smartwatches im Onlinehandel erworben.
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Anlässlich der starken Verbreitung von Kühlstoffen in E-Zigaretten bzw. Liquids und eines Todesfalls nach schwerwiegender Lungenschädigung in Verbindung mit Einweg-E-Zigaretten, die den Kühlstoff WS-23 enthalten, wertet das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die vorhandenen wissenschaftlichen Daten zu Kühlstoffen aus.
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Starke Gewichtsabnahme unter GLP-1-Agonisten wie Semaglutid (OZEMPIC, WEGOVY) oder dem so genannten Twincretin Tirzepatid (MOUNJARO) kann sich auf die Dosierung von Levothyroxin (EUTHYROX, Generika) auswirken, wie ein US-amerikanischer Bericht veranschaulicht: Einem 62-jährigen Mann mit Typ-1-Diabetes, der wegen Hypothyreose täglich 200 µg Levothyroxin einnimmt, wird zur Gewichtsreduktion bei Adipositas (132 kg Körpergewicht) Tirzepatid verordnet. Sein TSH-Wert liegt zu diesem Zeitpunkt im Normbereich. Nach sechs Monaten und einem Gewichtsverlust von über 36 kg stellt er sich mit Palpitationen, exzessivem Schwitzen, Verwirrtheit, Fieber und Handtremor in der Notaufnahme vor.
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Mit Vibegron (OBGEMSA) ist hierzulande seit Oktober 2024 nach Mirabegron (BETMIGA, a-t 2014; 45: 68-70 u.a.) ein zweiter Beta-3-Rezeptoragonist zur symptomatischen Behandlung der überaktiven Blase bei Erwachsenen im Handel. In den USA ist Vibegron bereits seit Dezember 2020 zugelassen, in Japan in niedrigerer Dosierung (50 mg, in Europa 75 mg pro Tag) seit 2018.
Die überaktive Blase ist durch imperativen Harndrang gekennzeichnet, der mit oder ohne Dranginkontinenz auftreten kann und meist von erhöhter Miktionsfrequenz und Nykturie begleitet wird, bei Fehlen von Harnwegsinfektionen oder anderen Erkrankungen mit Auswirkung auf den unteren Harntrakt.
EIGENSCHAFTEN: Wie Mirabegron ist Vibegron ein selektiver Beta-3-Rezeptoragonist, der nur eine sehr geringe Affinität zu Beta-1- und Beta-2-Rezeptoren haben soll. Aktivierung des Beta-3-Rezeptors im Detrusormuskel erhöht die Blasenkapazität, indem während der Blasenfüllung die glatte Detrusormuskulatur entspannt wird.
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Ausführliche Bewertung gleichzeitig als e a-t 3/2025a veröffentlicht.
Seit Juni 2024 steht mit dem unter anderem bei atopischer Dermatitis und Asthma bronchiale zugelassenen, gegen Interleukin (IL)-4 und -13 gerichteten monoklonalen Antikörper Dupilumab (DUPIXENT,
a-t 2018; 49: 2-4, 13) das erste Biologikum zur Behandlung Erwachsener mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) zur Verfügung. Es ist zugelassen als Zusatztherapie bei Patienten, die unter einer inhalativen Therapie mit einem langwirkenden Betamimetikum (LABA) plus einem langwirkenden Anticholinergikum (LAMA) und – sofern angebracht – einem Glukokortikoid (ICS) unzureichend kontrolliert sind und eine erhöhte Anzahl an Eosinophilen im Blut haben. Ein allgemein akzeptierter Grenzwert besteht jedoch nicht. Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat Dupilumab daher allgemein bei erhöhter Anzahl an Eosinophilen zugelassen mit Verweis auf die Daten der Zulassungsstudien, die Patienten ab einer Eosinophilenzahl von 300 Zellen/µl Blut eingeschlossen haben. In Beobachtungsstudien hat etwa jeder fünfte Patient mit COPD eine entsprechende Anzahl an Eosinophilen im Blut.
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Eine aktuelle Netzwerk-Metaanalyse untersucht Nutzen und Sicherheit häufig angewendeter Interventionen zur Behandlung chronischer, von der Wirbelsäule ausgehender Rückenschmerzen. Einbezogen sind 81 randomisierte Studien, die Injektionen von Lokalanästhetika und/oder Glukokortikoiden (epidural , intramuskulär, in Facetten- bzw. Iliosakralgelenke), Radiofrequenzverfahren oder deren Kombination prüfen und diese untereinander, mit Scheinbehandlung oder üblicher Therapie (z.B. Physiotherapie, Analgetika) vergleichen. Insgesamt nehmen 7.977 Patienten teil (im Median n = 64 pro Studie), die seit mindestens zwölf Wochen an nichtradikulären oder radikulären Schmerzen (43 bzw. 36 Studien, 2 ohne genaue Angaben) leiden, die nicht auf Krebs, Infektionen oder Spondylarthritis zurückzuführen sind.
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Eine Patientin mit einem Fibromyalgie-Syndrom hat mir von sehr positiven Effekten einer Low-Dose-Naltrexon-Einnahme (bei ihr 1,5 mg täglich) berichtet. Sie sei deutlich leistungsfähiger, könne sich besser konzentrieren und würde besser schlafen. Das Mittel scheint gerade en vogue zu sein. Gibt es valide Daten zu dem Medikament, das, soweit ich weiß, in dieser Dosis und in dieser Indikation in Deutschland gar nicht zugelassen ist?
N.N. (Name etc. in a-t 3/2025 genannt)
Naltrexon (NALTREXON-HCL NEURAXPHARM u.a.) ist ein Opioidantagonist, der in Deutschland bei Opioid- und Alkoholabhängigkeit in einer peroralen Tagesdosis von 25 mg bis 150 mg bzw. 50 mg zugelassen ist. 2009 erschien eine einfachblinde (nichtrandomisierte) Pilotstudie mit zehn an Fibromyalgie erkrankten Frauen, die jeweils nach zweiwöchiger Plazeboanwendung acht Wochen lang niedrigdosiertes Naltrexon (4,5 mg/Tag) einnehmen und darunter eine mehr als 30%ige relative Reduktion ihrer Symptomatik beschreiben. Diskutiert wird, dass die niedrige Dosis anders als die Standarddosis immunmodulierend wirken und über eine Feed-back-vermittelte gesteigerte Expression von Opioidrezeptoren und Produktion endogener Opioide eine Schmerzreduktion durch das körpereigene Endorphinsystem hervorrufen könnte.
Inzwischen liegen unseres Wissens fünf kleine randomisierte kontrollierte Studien zu Low-dose-Naltrexon bei Fibromyalgie vor.
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In den USA werden aktuell einige Chargen Benzoylperoxid-haltiger Akne-Externa wegen erhöhten Gehalts an Benzol aus dem Einzelhandel zurückgerufen. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA fand in 6 von 95 getesteten Präparaten erhöhte Mengen des Karzinogens (offenbar über dem Grenzwert von 2 ppm). Die betroffenen Präparate standen teilweise kurz vor ihrem Verfallsdatum.
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Kürzlich hat unsere französische Schwesterzeitschrift La Revue Préscrire über starke Menstruationsblutungen unter Antikoagulation berichtet. Anlass sind zwei prospektive Kohortenstudien mit 98 bzw. 57 Frauen im Alter von 18 bis 50 Jahren, die eine Behandlung mit neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK), Vitamin-K-Antagonisten oder niedermolekularen Heparinen beginnen, vorwiegend wegen einer venösen thromboembolischen Erkrankung (VTE). Jeweils etwa zwei Drittel der Frauen sind dort von einer Hypermenorrhö betroffen (versus ein Drittel in einer Kontrollgruppe), in einer der beiden Studien auch 60% der Frauen, die zuvor eine normalstarke Menstruationsblutung hatten. Andere Beobachtungsstudien kommen je nach Definition des Endpunktes und bei Heterogenität der Studien (bezogen auf z.B. das angewandte Antikoagulans, Alter der Frauen, Indikation) auf ca. 20% bis 70% mit Hypermenorrhö.
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In die Fach- und Gebrauchsinformationen von Atomoxetin (ATOMOXETIN AL u.a.), das zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) angeboten wird, müssen neue Warnhinweise aufgenommen werden. Für das dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Fluoxetin (FLUOXETIN BETA u.a.) chemisch ähnliche Mittel wird ein kausaler Zusammenhang mit Serotoninsyndrom sowie Mordgedanken für möglich erachtet – aufgrund von Verdachtsberichten, Daten aus der Literatur und eines plausiblen Wirkmechanismus.
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Die gleichzeitige Einnahme eines nichtsteroidalen Antirheumatikums (NSAR) wie Diclofenac (VOLTAREN, Generika) und eines Cholinesterasehemmers wie Donepezil (ARICEPT, Generika) erhöht nach Daten einer schwedischen Beobachtungsstudie das Risiko für peptische Ulzera. In der Untersuchung im Self-Controlled-Case-Series-Design (siehe Glossar a-t 2024; 55: 81) werden in nationalen Registern 1.500 Patienten im Alter ab 65 Jahren (medianes Alter 80 Jahre, 58% Frauen) identifiziert, denen zwischen Januar 2007 und Dezember 2020 sowohl NSAR als auch Cholinesterasehemmer neu (nicht zwingend gleichzeitig) verschrieben werden und bei denen im selben Zeitraum erstmalig ein Magen-Darm-Geschwür diagnostiziert wird.
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Im Juni 2024 hatten wir uns wegen unseres Erachtens irreführender Werbung der Firma Recordati für das Methocarbamol-haltige Muskelrelaxans ORTOTON z.B. im Deutschen Ärzteblatt an die für die Firma zuständige Landesbehörde gewandt (e a-t 6/2024a). Im Dezember 2024 erfahren wir auf Nachfrage beim Regierungspräsidium Stuttgart, dass der Anbieter nach Anhörung wegen des Verdachts der irreführenden Werbung die beanstandete Reklame gestoppt hat. Die Behörde sah sich jedoch nicht veranlasst, auf die Löschung der Anzeige im Deutschen Ärzteblatt hinzuwirken. Wir kontaktierten daher den Verlag, der die Anzeige schließlich aus der elektronischen Ausgabe entfernt hat. freier Zugang
Wie ist es zu rechtfertigen, dass das Zirbeldrüsenhormon Melatonin für jedermann als Nahrungsergänzungsmittel in beliebiger Dosierung frei verkäuflich angeboten werden darf? Schließlich ist das Hormon als Arzneimittel (CIRCADIN u.a.) generell verschreibungspflichtig und lediglich für begrenzte Altersgruppen und Indikationen in Tagesdosierungen bis maximal 5 mg zugelassen. Während in den Gebrauchsinformationen der Arzneimittel Vorsichtsmaßnahmen, Gegenanzeigen und unerwünschte Wirkungen deklariert werden müssen, gibt es für Nahrungsergänzungsmittel, die rechtlich Lebensmittel sind, keine entsprechenden Vorgaben für Risikohinweise. Sie enthalten stattdessen lediglich eher verschleiernde Formulierungen wie „in der Regel gut verträglich“. In einer repräsentativen Verbraucherbefragung fühlt sich jedoch mindestens jeder Zweite (55%) generell eher schlecht oder sehr schlecht über mögliche Risiken von Nahrungsergänzungsmitteln informiert. Eine Meldestelle für die systematische Erfassung unerwünschter Folgen dieser Produkte fehlt.
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Seit 2021 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) zur Grippeprophylaxe für Personen ab 60 Jahren standardmäßig den Hochdosisimpfstoff EFLUELDA (a-t 2021; 52: 17-8 u.a.). Der adjuvantierte Impfstoff FLUAD (a-t 2000; 31: 75 u.a.) galt bislang hingegen nur als Reserve. Seit Ende 2024 werden beide nun gleichrangig empfohlen.
Zum Nutzen von FLUAD lagen 2021 sieben Beobachtungsstudien mit widersprüchlichen Daten zur Wirksamkeit gegen testgesicherte Influenza im Vergleich mit Standardvakzinen vor (relative Wirksamkeit -30% bis +88%), überwiegend ohne signifikante Effekte. Ihre Neubewertung stützt die STIKO nun auf drei seitdem publizierte retrospektive Beobachtungsstudien zu laborbestätigter Influenza bei Personen ab 65 Jahren.
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Das Risiko eines Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose (MS), im Verlauf eine schwere Behinderung zu entwickeln, hat in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen, wenden Betroffene über Jahre oder unter Umständen gar Jahrzehnte eine verlaufsmodifizierende Therapie an. Diese bei anhaltend stabilem Verlauf auch wieder abzusetzen, könnte ein folgerichtiger Schritt sein. Ob und wenn ja, für welche Patienten ein Therapiestopp eine sichere Option sein könnte, ist bislang jedoch unklar.
Aktuell wird die randomisierte Bewerter-verblindete DOT-MS-Studie publiziert, die Absetzen und Fortführen einer Immuntherapie der Wirksamkeitskategorie 1 gemäß deutscher S2k-Leitlinie bei Patienten mit schubförmig-remittierender MS (90%) oder sekundär progredientem Verlauf (10%) vergleicht.
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Ausführliche Bewertung inkl. Literatur gleichzeitig als e a-t 2/2025 veröffentlicht.
Die Validität der Ergebnisse der PLATO-Studie, die beim akuten Koronarsyndrom eine Überlegenheit des Thrombozytenaggregationshemmers Ticagrelor (BRILIQUE) gegenüber Clopidogrel (PLAVIX, Generika), jeweils in Kombination mit Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN N, Generika), gezeigt hat, wird seit ihrer Publikation 2009 infrage gestellt (a-t 2011; 42: 1-3). Unter anderem soll der Sponsor beim Monitoring und Klassifizieren von Ereignissen Einfluss auf die Daten zugunsten von Ticagrelor genommen haben. Zulassungsbehörde und Justizministerium der USA halten die Vorwürfe jedoch für unzureichend belegt.
Wie eine kürzlich publizierte Übersicht im British Medical Journal (BMJ) zeigt, ist die Debatte damit allerdings nicht beendet.
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Mehrfach sind mir Informationen der Firma Hennig Arzneimittel aufgefallen, in denen ARLEVERT (Cinnarizin + Dimenhydrinat) zur Behandlung der so genannten Presbyvestibulopathie beworben wird. Obwohl in meiner täglichen Praxis das Thema „Schwindel bei Älteren“ sehr häufig anzutreffen ist, scheint die genannte Diagnose in meinem medizinischen Umfeld bislang keine Rolle zu spielen. Liegen unabhängige Arbeiten vor, die Nutzenbelege für die Kombination Cinnarizin/Dimenhydrinat zur Behandlung von Schwindelbeschwerden bei älteren Patienten aufweisen?
N.N. (Name etc. in a-t 2/2025 genannt)
Im höheren Lebensalter ist Schwindel ein häufiges Symptom. Nach Daten einer prospektiven Kohortenstudie aus den Jahren 2004 bis 2006 erleben etwa 29% aller Personen im Alter ab 65 Jahren innerhalb eines halben Jahres mindestens einmal eine Schwindelepisode. Bei 80- bis 89-Jährigen liegt der Anteil bei 38%, ab 90 Jahren bei 54%. Das ursächliche Diagnosespektrum unterscheidet sich nicht von dem jüngerer Menschen und umfasst zentral- und peripher-vestibuläre, nichtvestibuläre und funktionelle Störungen, wobei allerdings die Häufigkeiten anders verteilt sind – auch in Abhängigkeit von der Spezialisierung der Untersucher. Begleiterkrankungen mit Einfluss auf Gleichgewicht und Gangsicherheit sowie Polypharmazie sind bei Älteren häufig und tragen zu chronischen Schwindelbeschwerden bei.
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Von Mai bis September 2024 erhielt die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) 149 Verdachtsberichte zu Qualitätsmängeln des erst im Mai 2024 in den Handel gebrachten Fertigpens des Twincretins Tirzepatid (MOUNJARO KwikPen). Beanstandet wird, dass sich die vierte (also letzte) – zum Teil auch schon die dritte – wöchentliche Dosis des bei Typ-2-Diabetes bzw. Adipositas zugelassenen Pens nicht auslösen ließ.
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Ein 62-jähriger Mann mit normalen Gerinnungswerten wird bei benigner Prostatahyperplasie mit dem temporär implantierbaren Nitinol-Körbchen iTIND behandelt, das für sieben Tage in der prostatischen Harnröhre einliegt. Direkt nach Entfernung kommt es zu einer schweren Blutung in die Harnblase mit Harnverhalt. Die Anlage eines Blasenkatheters ist erforderlich. Im weiteren Verlauf entwickelt der Patient eine Kreislaufschwäche. Nach notfallmäßiger stationärer Aufnahme bildet sich innerhalb weniger Tage insgesamt dreimal ein blutiger Harnverhalt aus, Spülkatheter werden angelegt.
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Ein 12-jähriger Junge mit emotionaler Instabilität wird nach Diagnose einer juvenilen idiopathischen Arthritis unter anderem mit dem Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-alpha-Hemmer Adalimumab (HUMIRA, Biosimilars) behandelt. Darunter fällt er durch zunehmend instabile Stimmung, depressive Gefühle, Selbstverletzungen, Reizbarkeit und impulsives Verhalten auf. Die Symptome werden als manische Episode interpretiert. Nach Absetzen des Biologikums und unter psychiatrischer Medikation treten sie nicht mehr auf. Die Autoren vermuten, dass der Antikörper die manischen Episoden bei vorbestehender affektiver Erkrankung getriggert haben könnte.
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Seit Mitte 2024 lassen das japanische Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales und die dortige Arzneimittelbehörde PMDA in den Packungsbeilagen von Brimonidin-haltigen Augentropfen (ALPHAGAN, Generika; z.B. in COMBIGAN) auf das Risiko einer Hornhauttrübung mit Neovaskularisation u.a. sowie diesbezügliche Vorsichtsmaßnahmen hinweisen. Hintergrund sind 19 aus Japan stammende Berichte über derartige Veränderungen in Verbindung mit dem Glaukommittel, von denen bei 11 ein kausaler Zusammenhang als möglich erachtet wird. Eine durch die Augentropfen ausgelöste Entzündungsreaktion wird als Ursache angenommen.
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