Seit einiger Zeit ist von der Firma Hennig das Schlafmittel Eszopiclon (LUNIVIA) auf dem Markt. Welche Erfahrungen gibt es damit?
N.N. (Name etc. in a-t 7/2022 genannt)
Der Benzodiazepinagonist Eszopiclon (LUNIVIA) ist seit April 2021 zur Behandlung schwerer, stark beeinträchtigender Schlafstörungen Erwachsener in Deutschland zugelassen. Ein erster Versuch, das in den USA seit 2004 erhältliche S-Enantiomer des Razemats Zopiclon (XIMOVAN, Generika; a-t 1991; Nr. 7: 58-9) in Europa einzuführen, scheiterte 2009, weil der damalige Anbieter die Einstufung als „neuer Wirkstoff“ mit exklusiven Vermarktungsrechten gefordert hatte, was die europäische Arzneimittelagentur EMA ablehnte.
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Gibt es mittlerweile neue Erkenntnisse zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen des Varizella-zoster-Totimpfstoffs SHINGRIX?
N.N. (Name etc. in a-t 7/2022 genannt)
Bei Zulassung des Varizella-zoster-Totimpfstoffs SHINGRIX (a-t 2018; 49: 49-51) rieten wir, bei immunkompetenten Erwachsenen über 50 Jahre ohne Zoster oder Varizella-Zoster-Impfung in der Vorgeschichte individuell abzuwägen, ob die nur in den vier Jahren nach Impfung gesicherte hohe Schutzrate von 85% bis 98% die zweifache Injektion der schlecht verträglichen Vakzine rechtfertigt. Inzwischen erweitern Nachbeobachtungsdaten die Nutzen-Schaden-Abwägung. Zudem erfolgte eine Indikationsausweitung für Erwachsene unter 50 Jahren mit erhöhtem Risiko für Herpes zoster.
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Statine wie Simvastatin (ZOCOR, Generika) gehören wegen ihrer nachgewiesenen lebensverlängernden Wirkung seit Jahrzehnten zum Standard in der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse. Der klinische Nutzen zusätzlicher Lipidsenker wie Ezetimib (EZETROL, Generika) oder der PCSK9-Hemmer ist nach Studiendaten dagegen gering, der Einsatz letzterer auch wegen der hohen Kosten umstritten und Verordnungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung an strikte Bedingungen geknüpft (a-t 2017; 48: 34-6; 2018; 49: 98-100). Viel Beachtung haben jetzt eine Netzwerkmetaanalyse und eine darauf basierende Leitlinie zur Risiko-orientierten Therapie mit Ezetimib und PCSK9-Hemmern gefunden.
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Die Proteasehemmer-Kombination Nirmatrelvir plus Ritonavir (PAXLOVID) ist für die Behandlung Erwachsener mit COVID-19 und erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bedingt zugelassen. Bei Einnahmebeginn innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten von Symptomen reduziert sie bei diesen die Häufigkeit von Hospitalisierung wegen COVID-19 oder Tod innerhalb von 28 Tagen von 6,3% auf 0,8% (relativ um 88%; vgl. a-t 2022; 53: 35 u.a.). Bei Personen ohne Risikofaktoren lässt sich nach einer Pressemitteilung des Anbieters Pfizer hingegen kein Nutzen der Kombination sichern:
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Seit Juni 2022 ist in der EU ein sechster Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zugelassen: VLA2001 der französischen Firma Valneva ist für die Grundimmunisierung Erwachsener im Alter von 18 bis 50 Jahren vorgesehen. VLA2001 ist der erste inaktivierte adjuvantierte Ganzvirus-COVID-19-Impfstoff in der EU und zudem die erste Corona-Vakzine, die eine reguläre Zulassung erhalten hat. Ob der Impfstoff in Deutschland verfügbar sein wird, ist allerdings offen: Nachdem die europäische Kommission im Mai 2022 wegen der sich verzögernden Marktzulassung die Kündigung eines Liefervertrags über 60 Mio. Dosierungen angedroht hat, wird derzeit über reduzierte Bestellmengen verhandelt.
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Der europäische Pharmakovigilanzausschuss PRAC empfiehlt den Widerruf der Zulassung des verschreibungspflichtigen Appetithemmers Amfepramon (REGENON, TENUATE). Nach Auswertung aktueller Daten (a-t 2021; 52: 15) erachtet der PRAC diesen Schritt als erforderlich, da die bisherigen Maßnahmen zur Risikominderung nicht gegriffen haben.
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Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen gehen mit erhöhtem Risiko für Mutter und Kind einher. Eine schwere Hypertonie mit Werten ab 160/110 mmHg soll auch in der Schwangerschaft behandelt werden, so der Konsens internationaler Leitlinien. Ob Schwangere mit mild bis moderat erhöhtem Blutdruck (Werte ab 140/90 mmHg, aber unter 160/110 mmHg) medikamentös therapiert werden sollen, ist jedoch umstritten. Eine antihypertensive Therapie dieser Patientinnen kann zwar das Risiko für die Entwicklung einer schweren Hypertonie verringern, weitere positive Effekte unter anderem auf die Entwicklung einer Präeklampsie, Frühgeburt oder Sterblichkeit waren bislang jedoch unklar. Befürchtet werden hingegen mögliche negative Auswirkungen auf das Ungeborene durch Verringerung der uteroplazentaren Durchblutung bzw. durch Exposition gegenüber antihypertensiven Medikamenten (siehe Kasten).
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Das Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke IMMUNOBON wird als wissenschaftlich belegte Alternative zur Beruhigung von Heuschnupfen beworben. Gibt es eine Evidenz für die Behandlung allergischer Beschwerden mit dem Präparat?
N.N. (Name etc. in a-t 6/2022 genannt)
Bei IMMUNOBON handelt es sich um Lutschtabletten, die Molkeproteinisolat, Zink, Vitamin A und Eisensaccharat enthalten. Anders als „Nahrungsergänzungsmittel“, bei denen es sich prinzipiell ebenfalls um Lebensmittel handelt, sind „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten)“ zum Diätmanagement von Patienten vorgesehen, IMMUNOBON konkret bei solchen mit allergischer Rhinitis. Sie unterliegen wie Nahrungsergänzungsmittel – aber im Unterschied zu Arzneimitteln – keiner Zulassungspflicht und können ohne behördliche Prüfung in den Verkehr gebracht werden. Bilanzierte Diäten dürfen theoretisch zwar nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden, sind aber wie IMMUNOBON frei verkäuflich. freier Zugang
In letzter Zeit wenden sich vermehrt Patienten an mich, die von einem „Borreliose-Experten“ Disulfiram (ANTABUS; außer Handel) verschrieben bekommen haben. Abgesehen davon, dass Disulfiram in Deutschland nicht mehr im Handel ist, hat es doch erhebliche Nebenwirkungen. Was ist von der Medikation mit Disulfiram bei Borreliose zu halten?
N.N. (Name etc. in a-t 6/2022 genannt)
Ein Teil (unter 10%) der adäquat antibiotisch behandelten Patienten mit Lyme-Borreliose leidet noch mindestens neun Monate nach Abschluss der Therapie unter unspezifischen Symptomen wie Myalgien oder Müdigkeit. Es existiert keine stichhaltige Evidenz, dass diesen Beschwerden eine persistierende Infektion zu Grunde liegt. In mehreren doppelblinden plazebokontrollierten Studien ist zudem für eine nochmalige antibiotische Behandlung, auch mit Mehrfachkombinationen, kein hinreichender Nutzen belegt, diese geht aber mit teils schwerwiegenden unerwünschten Effekten einher. mehr
Anfang Mai 2022 informiert die Firma Clovis Oncology per Rote-Hand-Brief über ein deutlich verkürztes Überleben unter dem Krebsmittel Rucaparib (RUBRACA) in der randomisierten ARIEL4-Studie, von im Median 19,6 Monaten gegenüber 27,1 Monaten unter Standardtherapie (Hazard Ratio [HR] 1,55; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,09-2,21). Der PARP -Hemmer ist seit 2018 bei platinsensitiven, rezidivierten oder fortgeschrittenen hochgradigen epithelialen Ovarial-, Eileiter- oder primären Peritonealkarzinomen mit BRCA-Mutationen bedingt zugelassen, wenn zuvor mindestens zwei platinhaltige Chemotherapien versagt haben und eine weitere platinhaltige Chemotherapie nicht toleriert wird. mehr
In einigen älteren Leitlinien wie der US-amerikanischen von 2015 wird zur Erstwahltherapie unkomplizierter sexuell übertragbarer Chlamydieninfektionen bei Erwachsenen und Jugendlichen das Makrolid Azithromycin (ZITHROMAX, Generika) als Einmaldosis von 1 g gleichwertig mit der siebentägigen Einnahme von zweimal täglich 100 mg des Tetrazyklins Doxycyclin (DOXYHEXAL u.a.) empfohlen (a-t 2016; 47: 14). Seit Längerem weisen Beobachtungsstudien allerdings auf eine geringere Wirksamkeit von Azithromycin bei rektalen Chlamydieninfektionen hin. Im vergangenen Jahr wurden diese Befunde in zwei randomisierten doppelblinden Studien mit Männern, die Sex mit Männern haben, bestätigt. mehr
Die Proteasehemmer-Kombination Nirmatrelvir plus Ritonavir (PAXLOVID) und das Nukleosidanalog Molnupiravir (LAGEVRIO) sind für die Behandlung Erwachsener mit COVID-19 und erhöhtem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs, aber ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf vorgesehen. In randomisierten Studien mit Ungeimpften mindert die Kombination das Risiko von Hospitalisierung wegen COVID-19 oder Tod von 6,3% auf 0,8% (relativ um 88%) und Molnupiravir Krankenhausaufnahmen insgesamt oder Tod von 9,7% auf 6,8% (relativ um 30%), wobei die Unterschiede wesentlich auf weniger Hospitalisierungen zurückzuführen sind. Zur Wirksamkeit gegen die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 lagen bislang nur In-vitro-Daten vor (a-t 2022; 53: 1-5). mehr
Mit Schreiben vom 27. April 2022 informiert die Firma Boehringer Ingelheim über einen für Deutschland und andere Länder in den Jahren 2022 und 2023 bevorstehenden „Lieferengpass bis hin zu vorübergehender Lieferunterbrechung“ für ihre Thrombolyse-Produkte Alteplase (ACTILYSE) und Tenecteplase (METALYSE). Gründe seien eine gesteigerte Nachfrage bei begrenzten und kurzfristig nicht auszuweitenden Produktionskapazitäten, Qualitätsabweichungen bei einigen Chargen sowie weitere, nicht näher erläuterte Faktoren, die zu einer geringeren Ausbeute bei den Wirkstoffmengen geführt hätten. Für die versorgungsrelevanten Zubereitungen von ACTILYSE (10 mg, 20 mg und 50 mg) ist mit einem sofortigen Lieferengpass zu rechnen, wobei Ende 2022 ein kompletter Ausfall erwartet wird. METALYSE soll spätestens ab Juli 2023 nicht mehr verfügbar sein, für wie lange, ist offen. Sinnvolle Lösungen für die Versorgungsprobleme hat Boehringer in dem Schreiben nicht anzubieten.
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Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA äußert Bedenken, dass auch der proteinbasierte SARS-CoV-2-Impfstoff NVX-CoV2373 (NUVAXOVID) der Firma Novavax ursächlich mit Herzmuskel- oder -beutelentzündung assoziiert sein könnte (vgl. a-t 2022; 53: 12-4). Die schwerwiegende Schadwirkung ist nach Markteinführung bei den mRNA-basierten SARS-CoV-2-Impfstoffen BNT162b2 (COMIRNATY) und mRNA-1273 (SPIKEVAX) aufgefallen, betroffen sind vor allem junge Männer (a-t 2021; 52: 48, 80, 87-8). mehr
Seit Mitte Mai 2022 werden vor allem in Europa, aber auch in Nordamerika und weiteren Ländern, Erkrankungen an Affenpocken registriert, die nicht mit einer Reise in eines der Länder in Zentral- und Westafrika assoziiert sind, in denen das Virus endemisch ist. Bei Redaktionsschluss sind hierzulande 113 Erkrankungen dokumentiert, insgesamt sind es 1.226 (Stand 8. Juni 2022) – mit deutlich steigender Tendenz. Nach Einschätzung der WHO dürfte die tatsächliche Zahl höher sein, unter anderem da viele Betroffene wegen der oft relativ milden Symptome keinen Arzt aufsuchen und Ärzte die eher wenig bekannte Infektion nicht frühzeitig erkennen. Bislang sind im aktuellen Ausbruch vor allem Männer erkrankt, die angeben, gleichgeschlechtlichen Sex gehabt zu haben. Im Folgenden geben wir einen Überblick über das Krankheitsbild und die derzeit empfohlenen Maßnahmen.
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Mit reduziertem Allgemeinzustand, krampfartigen Bauchschmerzen, Anämie und blass-grauem Hautkolorit wird ein 24-jähriger Mann in einer Kölner Notaufnahme vorstellig. Eine vorausgegangene stationäre Abklärung hatte keine Diagnose ergeben. Auf Nachfrage berichtet er schließlich, dass er einen Monat lang ein ayurvedisches Heilmittel eingenommen habe, das ihm als generell gesundheitsfördernd empfohlen worden sei. In dem aus Indien stammenden Produkt ließen sich toxische Bleiwerte nachweisen. In Ayurveda-Produkten verwendete Schwermetalle sollen – so ist auf einer Ayurveda Internetseite zu lesen – „in höchst aufwändigen Verfahren ... in eine für den Körper verträgliche und heilsame Form umgewandelt“ werden (siehe auch a-t 2012; 43: 78-9).
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Myalgie ist eine bekannte unerwünschte Wirkung des Folsäureantagonisten Methotrexat (LANTAREL, Generika), die laut Fachinformation gelegentlich (zwischen 0,1% und 1%) auftritt. Weitere muskuläre Störeffekte werden dort nicht erwähnt. Der Wirkstoff könnte jedoch auch mit Muskelkrämpfen assoziiert sein. Darauf deutet eine Auswertung von 47 relativ gut dokumentierten Verdachtsberichten hin, die bis März 2020 an die Nebenwirkungsdatenbank der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übermittelt wurden.
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Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische, in Schüben verlaufende Autoimmunerkrankung (siehe Kasten, Seite 38). In den letzten Jahrzehnten wurde zur Behandlung des SLE lediglich 2011 Belimumab (BENLYSTA) neu auf den Markt gebracht. Der humane monoklonale IgG1-Antikörper ist zugelassen als Reservemittel zusätzlich zur Standardtherapie für Patienten ab 5 Jahren mit aktivem Autoantikörper-positiven SLE, in Europa – anders als in den USA – jedoch lediglich bei hoher Krankheitsaktivität trotz Standardtherapie. Mit Anifrolumab (SAPHNELO) ist seit April 2022 ein weiterer IgG1-Antikörper als Zusatz zur Standardtherapie im Handel, zugelassen zur Behandlung Erwachsener mit moderatem bis schwerem aktiven Autoantikörper-positiven SLE.
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Die publizierten Studien zur Homöopathie repräsentieren einen selektiven Ausschnitt von überwiegend positiv ausgefallenen Untersuchungen. Dies folgert ein österreichisch/US-amerikanisches Autorenteam aus einer Studie und Metaanalyse, mit der es der Größenordnung des Publikations-Bias im Bereich der Homöopathie auf den Grund geht. Hierfür haben die Autoren einerseits die Studienregister der EU, USA und WHO bis April 2021 nach registrierten Homöopathiestudien durchsucht, um zu überprüfen, ob und wie die Arbeiten später publiziert worden sind. Andererseits haben sie in Literaturdatenbanken von 2002 bis 2021 nach publizierten Studien gesucht und überprüft, ob diese registriert worden sind. Die Ergebnisse sind ernüchternd:
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Mit der australischen D-Health-Studie ist eine weitere der seit einigen Jahren laufenden sehr großen randomisierten Studien veröffentlicht worden, die bei älteren Probanden eine Hochdosis von Vitamin D im Hinblick auf nichtskelettale Endpunkte mit Plazebo oder einer Kontrollgruppe ohne Supplementierung vergleichen. In der bereits 2018 publizierten doppelblinden VITAL-Studie mit mehr als 25.000 mindestens 50 Jahre alten gesunden Teilnehmern blieb im medianen Verlauf von 5,3 Jahren ein Effekt von täglich 2.000 I.E. Vitamin D auf Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Sterblichkeit aus (a-t 2018; 49: 103).
An D-Health nehmen 21.315 60 bis 84 Jahre alte Probanden (im Mittel 69 Jahre) ohne Nierenstein, Hyperkalzämie, Hyperparathyreoidismus, Osteomalazie oder Sarkoidose in der Vorgeschichte teil.
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Die seit Jahresbeginn aufgetretenen Lieferdefizite beim Antiöstrogen Tamoxifen (NOLVADEX, Generika; vgl. a-t 2022; 53: 11-2) sind jetzt behoben. Da der selektive Östrogenrezeptor-Modulator als unverzichtbar für Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom gilt, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) formal den Versorgungsmangel ausgerufen, was den Weg freigab, Tamoxifen aus anderen Ländern zu importieren.
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Eine substanzielle Verringerung des Salzkonsums als therapeutische Intervention, um kardiovaskuläre Erkrankungen zu bessern, ist in der Praxis eine Herausforderung, da ein Großteil (75% bis 80%) des Kochsalzes über vorgefertigte Lebensmittel zugeführt wird. Die Evidenz für den Nutzen einer salzarmen Diät bei chronischer Herzinsuffizienz aus klinischen Studien ist aber bislang unzureichend und widersprüchlich. Schädigende Auswirkungen durch strenge Salzrestriktion, unter anderem vermittelt durch Aktivierung des sympathischen Nervensystems sowie des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, können nicht ausgeschlossen werden. Leitlinien formulieren daher zunehmend vorsichtig und raten z.B. lediglich zu einer Reduktion eines starken Salzkonsums von über 5 g/Tag bzw. ohne Angabe einer akzeptablen Obergrenze.
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Seit Ende Januar 2022 ist die Proteasehemmer-Kombination Nirmatrelvir plus Ritonavir (PAXLOVID) EU-weit zur Behandlung erwachsener COVID-19-Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bedingt zugelassen (a-t 2022; 53: 1-5 und 14). Die Zulassung basiert auf der mittlerweile publizierten EPIC-HR-Studie mit 2.246 ungeimpften Risikopatienten, in der das Mittel bei Einnahmebeginn bis zu fünf Tage nach Auftreten von Symptomen und Behandlungsdauer von fünf Tagen die Häufigkeit von COVID-19-bedingter Hospitalisierung oder Tod innerhalb von 28 Tagen von 6,31% auf 0,77% reduziert (relative Risikoreduktion 87,8%; NNT = 19). Die Viruslast in der Verumgruppe sinkt deutlich schneller als in der Plazebogruppe.
Nun gibt es erste Berichte aus den USA über Rückfälle nach abgeschlossener Therapie mit Nirmatrelvir plus Ritonavir.
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Seit Anfang Februar empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) für bestimmte Risikogruppen, darunter Personen ab 70 Jahre, Pflegeheimbewohner und Patienten mit Immunschwäche, eine zweite Auffrischimpfung gegen SARS-CoV-2 im Abstand von mindestens drei Monaten zur ersten Boosterung.* Daten zum Nutzen einer erneuten Auffrischung lagen damals allerdings ausschließlich aus einer als Preprint veröffentlichten Beobachtungsstudie aus Israel vor: Demnach mindert eine zweite Boosterdosis mindestens vier Monate nach der ersten bei Personen ab 60 Jahren die Rate schwerer COVID-19-Erkrankungen gegenüber dreimaliger Immunisierung während eines sehr kurzen Studienzeitraums von zwei Wochen um den Faktor 4, entsprechend eines zusätzlichen Schutzeffekts von etwa 75% (a-t 2022; 53: 9-11).
*
Ausgenommen sind Personen, die nach der ersten Auffrischimpfung eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben.
Inzwischen ist die Arbeit mit erweitertem Datenstand regulär publiziert, und es sind weitere Beobachtungsstudienhinzugekommen.
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2021 stand das vor allem bei Multiplem Myelom verwendete Lenalidomid (REVLIMID) mit rund 800 Millionen Euro im Jahr hinter dem direkten oralen Antikoagulans Apixaban (ELIQUIS) auf Rang 2 der umsatzstärksten Arzneimittel Deutschlands (a-t 2021; 52: 104). Das dürfte jetzt vorbei sein: Mit den seit Mitte März – auf der Basis von „Early-Entry“-Absprachen mit dem Originalanbieter Bristol-Myers Squibb – noch vor Patentablauf erhältlichen Lenalidomid-Generika lassen sich die Kosten aktuell um bis zu 60% senken, beispielweise für die Monotherapie mit der 10-mg-Dosierung pro Patient und Jahr von fast 95.000 € (REVLIMID) auf 37.000 € (z.B. LENALIDOMID ABZ; vgl. atd Arzneimitteldatenbank).
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Der Verdachtsbericht einer Interaktion des Macrogol-Medizinproduktes MOVICOL mit dem Herzglykosid Beta-Azetyldigoxin (NOVODIGAL) mit Verschlimmerung einer zu Grunde liegenden Herzerkrankung ist Anlass für eine „dringende Sicherheitsinformation“ – eine Information zu Medizinprodukten, die in etwa mit Rote-Hand-Briefen für Arzneimittel vergleichbar ist. Die beschriebene Wechselwirkung erscheint plausibel, da das osmotisch wirkende Macrogol im Darm Wasser bindet, das Stuhlvolumen vergrößert, die gastrointestinale Transitzeit beschleunigen und so die Absorption von Arzneimitteln verringern kann.
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Gab es vor zwölf Jahren noch elf Anbieter von flüssigen Parazetamol-Zubereitungen, sind es jetzt nur noch zwei. Lieferbar ist flüssiges Parazetamol derzeit allerdings nur sehr eingeschränkt oder gar nicht. Das Versorgungsdefizit soll auf eine „kurzfristig extrem gestiegene Nachfrage“ zurückgehen. Ratiopharm gibt an, PARACETAMOL-RATIOPHARM Lösung ab Mai 2022 wieder liefern zu können.
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Wie schätzen Sie die Interaktion zwischen Metamizol (NOVALGIN, Generika) und niedrigdosierter Azetylsalizylsäure (ASPIRIN PROTECT, Generika) ein, vor allem in Anbetracht der Datenlage, und welchen Handlungsbedarf würden Sie daraus ableiten?
N.N. (Name etc. in a-t 4/2022 genannt)
Die Abschwächung der thrombozytenaggregationshemmenden Wirkung von niedrigdosierter Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN PROTECT, Generika) zur Kardioprotektion bei gleichzeitiger Einnahme einiger nichtsteroidaler Entzündungshemmer (NSAR) wie Ibuprofen (IBUBETA u.a.) ist seit Jahren bekannt (a-t 2002; 33: 22, 2004; 35: 140). Ein Warnhinweis ist bereits seit 2009 in den Fachinformationen von ASS und Ibuprofen Pflicht. Mittlerweile sprechen Daten für eine ähnliche Interaktion auch bei Komedikation von ASS mit Metamizol (NOVALGIN, Generika): Mehrere In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen an Gesunden sowie Patienten bestätigen eine Abschwächung bzw. Aufhebung der ASS-bedingten Thrombozytenaggregationshemmung, wenn auch nicht alle. Die Produktinformationen der beiden Mittel enthalten inzwischen ebenfalls einen Hinweis: Metamizol soll bei Patienten, die zur Kardioprotektion Low-dose-ASS einnehmen, „mit Vorsicht“ angewendet werden.
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Wie bereits 2021 in den USA (e a-t 6/2021b) werden jetzt auch in der Schweiz Anwendungsbeschränkungen für den Farnesoid-X-Rezeptoragonisten Obeticholsäure (OCALIVA) angeordnet. Obeticholsäure ist als Reservemittel bei primärer biliärer Cholangitis zugelassen, wenn die in Leitlinien als Erstwahlmittel empfohlene Ursodeoxycholsäure (URSOCHOL, Generika) nicht ausreicht oder nicht vertragen wird.
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In der Zeitschrift für Allgemeinmedizin wird eine Studie aus den USA referiert, die Co-amoxiclav (Amoxicillin plus Clavulansäure peroral; AMOCLAV u.a.) als Mittel erster Wahl bei akuter Divertikulitis darstellt. Eine kritische Bewertung Ihrerseits könnte für uns Hausärzte von Interesse sein.
N.N. (Name etc. in a-t 4/2022 genannt)
1
KOLLER, P.: Zeitschr. f. Allgemeinmed. 2022; 98: 3
2
GABER, C.E. et al.: Ann. Intern. Med. 2021; 174: 737-46
Bei der Publikation handelt es sich um retrospektive Auswertungen populationsbezogener Datenbanken zweier US-amerikanischer Krankenversicherungen: MarketScan für Privatversicherte im Alter von 18 bis 64 Jahren und Medicare für Versicherte ab 65 Jahren. Analysiert werden die Daten ambulanter Patienten, die zwischen 2000 und 2018 (MarketScan) bzw. 2005 bis 2017 (Medicare) die Erstdiagnose einer Divertikulitis und anschließend eine Verschreibung von Metronidazol (ARILIN u.a.) plus Gyrasehemmer (n = 106.361 bzw. 17.639) oder Amoxicillin plus Clavulansäure (AMOCLAV u.a.; 13.160 bzw. 2.709) zur Einnahme per os erhalten haben. Erfasst werden die Risiken für stationäre Aufnahmen, dringliche Operationen und Infektionen mit Clostridoides difficile (C. difficile) im Folgejahr sowie für elektive Operationen in den drei Folgejahren unter den beiden Antibiotikatherapien.
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Am 18. März 2022 informiert Pfizer per Rote-Hand-Brief über den Rückruf aller Chargen der Kombination des ACE-Hemmers Quinaprilplus Hydrochlorothiazid (ACCUZIDE) wegen Verunreinigungen mit dem Nitrosamin N-Nitroso-Quinapril, die die „akzeptablen“ Aufnahmemengen überschreiten. Die Mitteilung kommt nicht überraschend, da die Firma zwei Wochen zuvor die Fixkombination aus gleichem Grund bereits in Kanada zurückgerufen hat. N-Nitroso-Quinapril ist ein potenzielles Kanzerogen.
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„Es irritiert, dass Pfizer auf wiederholte Anfragen keine konkrete Auskunft zum potenziellen Nitrosamingehalt des Quinapril-Monopräparates ACCUPRO macht“, schreiben wir anlässlich des Rückrufs von Chargen
der Quinapril-Hydrochlorothiazid-Kombination ACCUZIDE in der Aprilausgabe des a-t (in den Versand gegangen am 14. des Monats; a-t 2022; 53: 31). Wir gehen davon aus, dass die Firma bereits zu diesem Zeitpunkt über Verunreinigungen auch im Monopräparat Bescheid wusste.
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Die SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin (FORXIGA¸ a-t 2013; 44: 1-3) und Empagliflozin (JARDIANCE; a-t 2015; 46: 95-7) sind seit 2020 bzw. 2021 zur Therapie der chronischen symptomatischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF ) zugelassen, d.h. bei linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF) bis maximal 40%. Sie werden dafür auch in Leitlinien
empfohlen. Da Dapagliflozin hier einen nachgewiesenen lebensverlängernden Nutzen hat, sollte es unseres Erachtens Empagliflozin in dieser Indikation vorgezogen werden (a-t 2021; 52: 92, 101-2).
HFrEF = Heart Failure with reduced Ejection Fraction
Nun ist Empagliflozin als erster SGLT-2-Hemmer auch zur Therapie bei symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz mit einer LVEF über 40% zugelassen.
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Wiederholt werden wir mit der Behauptung konfrontiert, dass mRNA-Impfstoffe nicht zugelassene Hilfsstoffe enthalten sollen. Als „Beleg“ dient der Verweis auf Internetseiten von Echelon Biosciences, wonach von dieser Firma angebotene Hilfsstoffe, darunter auch solche, die im BioNTech-Impfstoff BNT162b2 (Tozinameran; COMIRNATY) deklariert sind, lediglich zu Forschungszwecken im Labor verwendet werden dürfen. Da auf Basis dieser Firmenangaben die Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen fälschlich infrage gestellt wird, sah sich Echelon veranlasst, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die von der Firma angebotenen Hilfsstoffe nicht zur Produktion von mRNA-Vakzinen verwendet werden.
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Seit Januar 2022 ist mit Abrocitinib (CIBINQO) ein dritter Januskinase (JAK)-Hemmer zur peroralen Therapie der atopischen Dermatitis (Neurodermitis, atopisches Ekzem) erhältlich. Anders als Baricinitib (OLUMIANT, a-t 2021; 52: 27-8) und Upadacitinib (RINVOQ, a-t 2021; 52: 83-4), die zuvor bereits bei rheumatischen Erkrankungen verwendet wurden, ist Abrocitinib bislang ausschließlich zur Behandlung Erwachsener mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis zugelassen, die für eine systemische Therapie infrage kommen.
EIGENSCHAFTEN: Januskinasen sind intrazelluläre Enzyme, die Signale unter anderem von Zytokinen weiterleiten, um Immunzellfunktion und Hämatopoese zu beeinflussen. Abrocitinib hat eine hohe Selektivität für JAK1 gegenüber den anderen drei JAK-Isoformen. Da die intrazelluläre Signalübertragung jedoch paarweise erfolgt und immer eine weitere JAK einbezieht, bleibt die Relevanz der selektiven Hemmung spezifischer JAK-Enzyme für die klinische Wirkung derzeit offen. Zudem werden bei therapeutischer Anwendung der JAK-Hemmer Konzentrationen erreicht, die die in vitro gezeigte Selektivität nicht erwarten lassen.
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Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA beurteilt Sotrovimab (XEVUDY, e a-t 2/2022a) in der zugelassenen Dosierung als wahrscheinlich nicht wirksam gegen die Omikron-Sublinie BA.2 von SARS-CoV-2. Diese Einschätzung basiert auf einer in vitro 16- bis 48-fach geringeren Wirksamkeit gegen BA.2 im Vergleich zum Wildtyp. Die FDA entzog dem monoklonalen Antikörper daher die Notfallzulassung in Gebieten, in denen diese Sublinie mehr als 50% der Infektionen auslöst – inzwischen betrifft dies alle Regionen in den USA.
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