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Im Juli 2023 hatten wir Werbung der Firma Neuraxpharm für das Antidepressivum Desvenlafaxin (DESVENEURAX; a-t 2022; 53: 83-4) als irreführend bei der zuständigen Behörde angezeigt (a-t 2023; 54: 55). Im August teilte uns die Bezirksregierung Düsseldorf mit, dass die weitere Verbreitung der Broschüre unterbleibe. Neuraxpharm habe ihren Prozess zur Freigabe von Werbematerialien verändert. Die Mitteilung erachten wir als unbefriedigend, da die grobe Irreführung offensichtlich nicht sanktioniert wird.
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GLP-1-Agonisten wie Semaglutid (OZEMPIC, WEGOVY) werden zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 sowie zum Teil zur Gewichtsreduktion vermarktet (siehe a-t 2023;54: 57-61, a-t 2016; 47: 47-8, 2020; 51: 25-8 u.a.). Ihr Wirkmechanismus beruht unter anderem auf einer verlangsamten Entleerung des Magens. Gastrointestinale Störwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen kommen häufig bis sehr häufig vor.
Die amerikanische Gesellschaft der AnästhesiologenASA weist aktuell auf ein möglicherweise erhöhtes Regurgitations- und Aspirationsrisiko unter GLP-1-Agonisten aufgrund der verzögerten Magenentleerung hin.
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Seit einigen Jahren sind Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP)-Hemmstoffe wie Erenumab (AIMOVIG; a-t 2018; 49: 91-3 u.a.) zur Migräneprophylaxe Erwachsener im Handel. Nun deuten erste Postmarketinganalysen und Fallberichte auf ein vermehrtes Auftreten von Haarausfall unter den Antikörpern hin.
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Die 2022 aktualisierte S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfiehlt bei Erwachsenen jeden Alters mit akutem ischämischen Schlaganfall und „behindernden“ Symptomen eine systemische Thrombolyse mit Alteplase (ACTILYSE; a-t 2010; 41: 82, 2022; 53: 44-5 u.a.), falls der Beginn der Symptome nicht länger als 4,5 Stunden zurückliegt. Was die DGN unter „behindernden“ Symptomen versteht, bleibt letztlich im Unklaren, auch weil es nach ihrer Auffassung „keine einheitliche Definition eines leichten Schlaganfallsyndroms gibt“. Sie stellt aber explizit klar, dass die Behinderung unabhängig von dem NIHSS -Schweregrad zu bewerten ist und auch bei einem NIHSS ≤ 5 „erheblich behindernde Symptome“ vorliegen können. Trotz der positiven Ergebnisse aus mehreren randomisierten Studien für eine duale Plättchenhemmung mit Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN PROTECT, Generika) plus Clopidogrel (PLAVIX, Generika) oder Ticagrelor (BRILIQUE) bei leichten akuten ischämischen Schlaganfällen oder transitorischen ischämischen Attacken (TIA) (siehe auch a-t 2019; 50: 19-20) spricht sich die DGN auf der anderen Seite explizit gegen deren routinemäßigen Einsatz aus und empfiehlt sie nur als Option innerhalb von 24 Stunden für ausgewählte Patienten, die keine systemische Thrombolyse oder endovaskuläre Therapie erhalten.
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Die Zahl nicht lieferbarer Arzneimittel nimmt weiterhin zu (vgl. a-t 2023; 54: 38-9). Bei Redaktionsschluss werden offiziell über 500 verschreibungspflichtige Präparate gelistet (Stand 23. Aug. 2023).Seit Mitte 2023 sind auch Dosieraerosole mit dem kurzwirkenden Betasympathomimetikum Salbutamol (BRONCHOSPRAY, SALBUTAMOL-RATIOPHARM N, SULTANOL u.a.) nicht bzw. nur eingeschränkt lieferbar. Wegen des „deutlichen Anstiegs der weltweiten Nachfrage“ soll – so der Anbieter GlaxoSmithKline (GSK) – das Original SULTANOL auch noch 2024 „nur eingeschränkt“ zu erhalten sein.
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Die hohe Variabilität der Influenza-Viren verhindert eine dauerhafte Immunität durch die verfügbaren Influenza (Grippe)-Impfstoffe. Daher muss deren Antigenzusammensetzung jährlich angepasst werden. Die Vakzinen für 2023/24 enthalten nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO und der europäischen Arzneimittelagentur EMA die im Hinblick auf Infektion und Immunprotektion 2023/24 die voraussichtlich relevanten Oberflächenantigene (Hämagglutinin und Neuraminidase) von je zwei Influenza-A- (H1N1, H3N2) und B-Stämmen. Die Wirksamkeit der Impfstoffe, laborbestätigte Influenza zu verhindern, lag – auch abhängig davon, wie gut die prognostizierten mit den tatsächlich aufgetretenen Viren übereinstimmten – 2010 bis 2020 hierzulande zwischen 20% und 60% bzw. nach US-amerikanischen Daten 2015 bis 2022 zwischen 29% und 48% (adjustierte Impfeffektivität).
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„Das beste Mittel gegen Krebs: ihn rechtzeitig zu entdecken.“, wirbt der Versicherer HanseMerkur für seine Zusatzversicherung „Krebs-Scan“, die auch von der Firma Tchibo angeboten wurde. Damit abgedeckt sind jährliche Früherkennungsuntersuchungen mit dem Bluttest PANTUM DETECT, bei auffälligem Ergebnis gefolgt von bildgebenden Verfahren (PET-CT und MRT) zur Abklärung und Lokalisierung eines etwaigen Malignoms.
Der PANTUM-DETECT-Test untersucht, ob Makrophagen bestimmte Marker-Antigene durch Phagozytose aufgenommen haben. Getestet wird auf Apo10, einen antigenen Abschnitt (Epitop) einer Endonuklease, die DNA im finalen Schritt der Apoptose in Fragmente spaltet und bei abnorm proliferierenden Zellen im Nukleus kumulieren soll, als Hinweis auf gehemmte Apoptose, sowie auf TKTL (Transketolase-like protein)1, einen potenziellen Biomarker für aktivierte Zellteilung.
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Jedes zehnte Kind soll Nahrungsergänzungsmittel oder mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel erhalten und fast jeder zweite Erwachsene zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen. Der Umsatz dieser Produkte erreichte 2022 allein in Apotheken 2,9 Milliarden Euro. Der Hang zu Nahrungsergänzungen erscheint jedoch irrational (a-t 2013; 44: 22): Hierzulande gibt es aus ernährungsphysiologischer Sicht keine allgemeine Unterversorgung mit Nährstoffen. Die Produkte sind somit für die meisten Menschen ohne Nutzen.
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Seit 1975 hat sich der Anteil der Menschen mit Adipositas, also einem Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 kg/m, weltweit verdreifacht. Auch in Deutschland hat die Prävalenz zugenommen. Nach Selbstangaben, in denen die tatsächliche Häufigkeit eher unterschätzt wird, lag hierzulande 2019/2020 bei 35% der Erwachsenen Übergewicht (BMI 25 bis < 30 kg/m) und bei 19% Adipositas vor. Als wesentlicher Treiber der Entwicklung gilt der zunehmend sitzende Lebensstil, vor allem aber das globale Ernährungssystem, mit industrieller Massenproduktion und damit zunehmender Verfügbarkeit kostengünstiger hochverarbeiteter energiedichter Lebensmittel mit hohem Zucker- und Fettanteil. In keinem Land der Welt ist es bislang gelungen, die Adipositas-„Pandemie“ einzudämmen. Wie stark die Gegenkräfte sind, zeigt sich hierzulande nicht zuletzt an dem deutlich abgeschwächten Gesetzentwurf zum Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel zum Schutz von Kindern.
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Vor Beginn klinischer Studien sollen die Endpunkte definiert und transparent im Studienprotokoll festgehalten und die Studien in ein öffentliches Register aufgenommen werden. Diese Schritte reduzieren die Möglichkeit späterer Einflussnahmen auf Ergebnisauswertung und Publikation. Primäre Endpunkte werden allerdings häufig geändert, wenn die Studien bereits laufen. Nach einer Querschnittsstudie aus den USA, in der 755 Krebsstudien erfasst werden, die bis Februar 2020 in ClinicalTrials.gov registriert wurden, ist dies bei etwa jeder fünften (19%) dieser randomisierten Phase-III-Studien der Fall:
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Wiederholt haben Kolleginnen und Kollegen die Rubrik „PHARMA“ des deutschen Ärzteblatts beanstandet, in der kritik- und kommentarlos werbende Firmenmitteilungen veröffentlicht werden (a-t 2009; 40: 82 und 2020; 51: 22). Und wiederholt haben wir deshalb bei den Herausgebern, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesärztekammer (BÄK), nachgefragt, weshalb sie es für erforderlich halten, dort monatealte Pressemitteilungen von pharmazeutischen Anbietern zu verbreiten – insbesondere ohne redaktionelle Stellungnahme.
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Eine Pharma-Vertreterin hat mir ein „Informationsblatt“1 zu Desvenlafaxin (DESVENEURAX) dagelassen. Darin wird es unter anderem beworben mit den Aussagen:
Sind diese Aussagen vor dem Hintergrund der im a-t 2022; 53: 83-4 dargestellten Fakten noch legal oder liegt hier bereits irreführende Werbung vor, die auch gemeldet werden sollte?
N.N. (Name etc. in a-t 7/2023 genannt)
1
Neuraxpharm: „DESVENEURAX – Depressionstherapie neu denken, anders verordnen“, undatiert
Unseres Erachtens handelt es sich bei dem „Informationsblatt“ zu Desvenlafaxin (DESVENAURAX; a-t 2022; 53: 83-4) um irreführende Werbung. In der Fachinformation des zur Behandlung einer „Major Depression“ bei Erwachsenen zugelassenen selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmers (SNRI) wird vor sexuellen Funktionsstörungen unter SNRI gewarnt, die ggf. lang anhalten und trotz Absetzen bestehen bleiben können. Erektile Dysfunktion, verzögerte Ejakulation und Ejakulationsschwäche sind dort als häufige Störwirkungen aufgeführt.
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Nach einer am Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführten Auswertung von 14 Studien mit insgesamt 105.000 Teilnehmern soll die tägliche Einnahme von Vitamin D die Krebssterblichkeit verringern. Bislang war mein Stand immer, dass Vitamin D diese Erwartungen nicht erfüllen konnte.
N.N. (Name etc. in a-t 7/2023 genannt)
In der 2018 publizierten VITAL-Studie mit mehr als 25.000 mindestens 50 Jahre alten gesunden Teilnehmern haben täglich 2.000 I.E. Vitamin D im Vergleich zu Plazebo keinen Effekt auf Krebsinzidenz und schwere kardiovaskuläre Ereignisse (primäre Endpunkte) sowie Krebs- und Gesamtsterblichkeit. Bei Ausschluss der ersten 2 von 5,3 Studienjahren ergibt sich in explorativen Analysen im Verumarm jedoch eine nominell signifikant verringerte Krebssterblichkeit. Demgegenüber findet sich in der 2022 publizierten D-Health-Studie mit monatlichem Bolus von 60.000 I.E. Vitamin D und mehr als 21.000 Teilnehmern, in der sich im primären Endpunkt Gesamtmortalität sowie in der kardiovaskulären und Krebssterblichkeit ebenfalls kein Vorteil ergibt, bei Ausschluss der ersten zwei Studienjahre ein nominell signifikanter Anstieg der Krebssterblichkeit unter dem Vitamin (a-t 2022; 53: 36-7). Die beiden Untersuchungen sind zwei der größten der insgesamt 14 doppelblinden plazebokontrollierten randomisierten Studien der Metaanalyse des Deutschen Krebsforschungszentrums zu Vitamin D3, die über einen Zeitraum von 1 bis 7 Jahren durchgeführt wurden und in denen pro Studienarm mindestens ein Krebstod aufgetreten ist.
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Mein letzter Stand zu Febuxostat (ADENURIC, Generika) war die Übersterblichkeit und der darauf folgende Rote-Hand-Brief. Doch jetzt stolpere ich über eine Lancet-Studie, nach der Febuxostat dem Allopurinol hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse nicht unterlegen und nicht mit erhöhter Sterblichkeit assoziiert ist. Was ist da dran?
In Zulassungsstudien ergab sich für den Xanthinoxidasehemmer Febuxostat (ADENURIC, Generika) im Vergleich mit dem älteren Allopurinol (Generika) ein Risikosignal für vermehrte schwere kardiovaskuläre Komplikationen (a-t 2010; 41: 25-7). Sowohl die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA als auch die europäische Arzneimittelagentur EMA haben daraufhin eine kardiovaskuläre Sicherheitsstudie für das Gichtmittel gefordert. In den USA, Mexiko und Kanada wurde seit April 2010 die randomisierte doppelblinde CARES-Studie durchgeführt, in Großbritannien, Schweden und Dänemark seit Dezember 2011 die ebenfalls randomisierte, aber offene FAST-Studie. Die jeweils geprüften Febuxostat-Dosierungen entsprechen den in den USA (CARES: 40 mg bis 80 mg/Tag) bzw. den höheren in Europa (FAST: 80 mg bis 120 mg/Tag) zugelassenen.
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In Deutschland wird nach jahrelang rückläufiger Tendenz wieder deutlich mehr geraucht. Parallel hat sich der Gebrauch von E-Zigaretten (Vapes, Dampfer) bei jungen Erwachsenen und insbesondere Jugendlichen „seit2021 mehr als verdoppelt“, obwohl der Verkauf an Jugendliche seit Jahren verboten ist. Nach US-amerikanischen Erhebungen ist von 2014 bis 2021 das Einstiegsalter für Zigaretten gleich geblieben, bei E-Zigaretten hat es sich hingegen auf Jüngere verschoben. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene sind eine Zielgruppe der Anbieter.
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Süßstoffe* sind zulassungs- und deklarationspflichtige, in üblicher Dosierung kalorienarme oder -freie Zusatzstoffe, die zum Süßen vorgefertigter Lebensmittel oder in flüssiger bzw. Tablettenform als Zuckerersatz verwendet werden. Die elf europaweit zugelassenen Süßstoffe sind 30- bis 30.000-fach süßer als Zucker. Am häufigsten werden AcesulfamK, Aspartam, Cyclamat, Saccharin und Sucralose eingesetzt – in vorgefertigten Lebensmitteln oft auch in Kombination. Sie werden zunehmend häufiger konsumiert: In den USA ist der Anteil der Kinder, die süßstoffhaltige Lebensmittel zu sich nehmen, von 2000 bis 2012 von 8% auf 26%, bei Erwachsenen von 27% auf 42% gestiegen.
*
In der EU werden unter der Funktionsklasse Süßungsmittel Zuckeraustauschstoffe (Polyole wie Sorbitol) von den hier besprochenen Süßstoffen unterschieden.
Nutzen und Risiken der Zuckerersatzstoffe hinsichtlich Gewichtskontrolle und Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen werden kontrovers diskutiert.
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Wie schätzen Sie den Impfstoff HEPLISAV B ein? Als Arbeitsmediziner habe ich Neu-Impflinge, die sich über weniger Spritzen freuen würden, und Non-/Low-Responder, denen ich auch etwas anbieten möchte.
N.N. (Name etc. in a-t 7/2023 genannt)
Der Hepatitis-B-Impfstoff HEPLISAV B ist seit 2021 in der EU zur Immunisierung Erwachsener zugelassen. Er enthält einen neuartigen Wirkverstärker und fällt durch ein im Vergleich zu anderen Hepatitis-B-Vakzinen (ENGERIX-B, HBVAXPRO) kürzeres Impfschema mit lediglich zwei statt drei Dosierungen auf. Einen ersten Antrag auf Zulassung hatte der Hersteller Dynavax 2014 zurückgezogen, nachdem die europäische Arzneimittelagentur EMA angesichts von Verstößen gegen Good Clinical Practice (GCP)-Regeln in einer Studie ernsthafte Zweifel an der Verlässlichkeit der eingereichten Daten geäußert und zudem die Datenbasis als unzureichend für die Bewertung der Sicherheit eingestuft hatte. In den USA, wo HEPLISAV B seit 2017 zugelassen ist, wurde ein erster Antrag ebenfalls aufgrund nicht ausreichender Sicherheitsdaten abgelehnt, und auch im zweiten Verfahren hatten sich die zuständigen klinischen Reviewer der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA dagegen ausgesprochen.
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Seit Anfang 2023 steht mit dem Rho-Kinase (ROCK)-Hemmer Netarsudil (als Fixkombination mit dem Prostaglandinderivat Latanoprost in ROCLANDA Augentropfen) erstmals seit über 25 Jahren ein neues Wirkprinzip zur Senkung des Augeninnendrucks bei Erwachsenen mit primärem Offenwinkelglaukom oder erhöhtem intraokulären Druck zur Verfügung. Zugelassen ist er als Reserve, wenn eine Monotherapie mit Netarsudil (RHOKIINSA, derzeit in Deutschland nicht im Handel) oder einem Prostaglandin allein nicht ausreicht. Gemäß internationalen Leitlinien wird der Zieldruck bei Glaukom und erhöhtem intraokulären Druck individuell abhängig unter anderem von der Progressionsrate der Erkrankung festgelegt und kann im Verlauf angepasst werden. In der Regel wird mit einer medikamentösen Monotherapie gestartet, bei Nichtansprechen oder Unverträglichkeit sollte ein Wechsel auf eine andere Wirkstoffgruppe, bei unzureichender Drucksenkung auch der Zusatz eines weiteren Mittels erfolgen.
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Ich habe eine Frage zu BETADINE BV Vaginalgel: Was halten Sie davon? Gibt es dazu Studien oder gar Metaanalysen?
N.N. (Name etc. in a-t 6/2023 genannt)
Bei BETADINE BV Vaginalgel handelt es sich um ein Medizinprodukt, das zur Behandlung und Vorbeugung einer bakteriellen Vaginose vorgesehen ist. Als Wirkstoff ist Astodrimer deklariert. Das Polymer soll nicht systemisch absorbiert werden und die Anheftung von Bakterien an die Vaginalschleimhaut sowie Bildung von Biofilmen verhindern. Zwei bereits 2012 abgeschlossene, aber erst 2020 gemeinsam publizierte randomisierte doppelblinde Phase-III-Studien liegen zur Therapie der bakteriellen Vaginose vor. 250 bzw. 251 Frauen und Mädchen ab 12 Jahre mit dieser Diagnose, definiert als NUGENT-Score von wenigstens 4 und Vorhandensein der vier AMSEL-Kriterien Ausfluss, vaginaler pH über 4,5, mindestens 20% Clue Cells und Amingeruch bei Zugabe von 10%iger Kalilauge, nehmen teil. Sieben Tage lang wenden sie einmal täglich 5 g 1%iges Astodrimer-Gel oder Plazebo vaginal an.
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Erneut macht uns ein Leser auf ein Rundschreiben der BARMER aufmerksam (vgl. a-t 2016; 47: 96,
2022; 53: 15-6). Im April 2023 informiert die Krankenkasse Ärztinnen und Ärzte über vermeintliche Vorteile von Cariprazin (REAGILA). Das zur Behandlung Erwachsener mit Schizophrenie zugelassene atypische Neuroleptikum sei das „einzige Produkt mit Zusatznutzen in der Schizophrenietherapie“.
Ob ein Zusatznutzen vorliegt, wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) allerdings erst seit 2011 im Rahmen von Nutzenbewertungsverfahren bewertet. Bisher hat er nur Cariprazin und Lurasidon (LATUDA, außer Handel, kein Zusatznutzen) bewertet, nicht aber die bereits vor 2011 zugelassenen und als zweckmäßige Vergleichstherapie herangezogenen Neuroleptika.
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Angesichts der Opioid-Krise in den USA präzisiert die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die Produktinformationen von Opioid-Analgetika, unter anderem mit dem Ziel, die Häufigkeit unnötiger Verordnungen zu reduzieren. Neu – und auch für den europäischen Raum relevant – ist die Warnung vor Opioid-induzierter Hyperalgesie. Diese ist in Betracht zu ziehen, wenn eine Dosiserhöhung von Opioid-Analgetika eine paradoxe Verstärkung der Schmerzen auslöst bzw. Schmerzen abnehmen, sobald die Opioid-Dosis verringert wird.
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Die kanadische Gesundheitsbehörde Health Canada informiert die Fachkreise über das Risiko von Sehnenerkrankungen – Tendinitis, Tenosynovitis und Sehnenruptur – in Verbindung mit Anastrozol (ARIMIDEX, Generika), Exemestan (AROMASIN, Generika) und Letrozol (FEMARA, Generika). Die Aromatasehemmer dienen zur Behandlung von Brustkrebs bei Frauen in der Postmenopause. Die Sicherheitsüberprüfung durch Health Canada wurde durch eine von der europäischen Arzneimittelagentur EMA 2019 erfolgte Aktualisierung der europäischen Fachinformationen von Letrozol ausgelöst, in denen seitdem auf gelegentliche (0,1% bis 1%) Tendinitis und seltene (unter 0,1%) Sehnenruptur als unerwünschte Wirkungen hingewiesen wird.
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2019 hat die europäische Arzneimittelagentur EMA auf der Basis einer EU-weiten Sicherheitsüberprüfung für systemische und inhalative Gyrasehemmer (Fluorchinolone) beträchtliche Anwendungsbeschränkungen formuliert (a-t 2018; 49: 87-8). Dennoch werden – so der europäische Pharmakovigilanzausschuss PRAC 2023 – Gyrasehemmer EU-weit weiterhin außerhalb der zugelassenen Indikationen verordnet. Dies lässt eine aktuelle Analyse der EMA von Verschreibungsraten für Gyrasehemmer der Jahre 2016 bis 2021 in sechs EU-Ländern, darunter Deutschland, erkennen.
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Im Mai wurden die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur Immunisierung gegen SARS-CoV-2 in den Standard-Impfkalender aufgenommen. Gleichzeitig hat die Kommission ihre Empfehlungen aktualisiert. Für gesunde Kinder und Jugendliche wird aufgrund des sehr geringen Risikos eines schweren Krankheitsverlaufs und einer hohen Seroprävalenz keine Impfung mehr angeraten. Allen Erwachsenen ab 18 Jahren wird eine Basisimmunität empfohlen, bestehend aus drei SARS-CoV-2-Antigenkontakten, davon mindestens zwei in Form einer Impfung und unter Beachtung bestimmter Mindestabstände.
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Die Firma Sanofi stellt die Produktion des Humaninsulins INSUMAN (basal, rapid, comb, jedoch nicht von INSUMAN Infusat) weltweit dauerhaft ein. Vorausgegangen sind seit 2022 Lieferengpässe, die nach Angaben des Anbieters auf Verzögerungen bei der Lieferung von Pen-Komponenten und „Problemen bei der Abfüllung, Montage und Verpackung“ beruhen. Mit der Produktionseinstellung des Humaninsulins will Sanofi die Produktion der häufiger verordneten Insuline der Firma absichern, um „mehr Menschen mit Diabetes zuverlässiger versorgen zu können“. Dies kommt unseres Erachtens dem Versuch der Umsatzsteigerung durch Produktionseinstellung eines offensichtlich weniger lukrativen Präparates gleich.
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Nachdem in den letzten Jahren die Optionen zur Erstlinientherapie der mittelschweren bis schweren Psoriasis Erwachsener um mehrere überwiegend hochwirksame Biologika erweitert wurden (vgl. a-t 2019; 50: 33-6, a-t 2021; 52: 91-2 u.a.), ist mit Deucravacitinib (SOTYKTU) in dieser Indikation seit März 2023 ein Mittel im Handel, das nicht subkutan appliziert, sondern per os eingenommen wird. Der kleinmolekulare Wirkstoff hemmt die Tyrosinkinase (TYK) 2, die zur Familie der Januskinasen gehört.
EIGENSCHAFTEN: Januskinasen (JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2) sind paarweise agierende Enzyme, die Signale von Zytokinen vermitteln. Deucravacitinib hemmt in vitro TYK2 stärker als JAK1-3 und wird daher als TYK2-Hemmer bezeichnet, während z.B. der JAK-Hemmer Tofacitinib vor allem JAK1-3 und weniger TYK2 blockiert. TYK2 überträgt Signale von Interleukin (IL)-12, IL-23 sowie Typ-1-Interferonen, die an Entzündungs- und Immunreaktionen beteiligt sind. Der genaue Wirkmechanismus von Deucravacitinib bei Psoriasis ist nicht bekannt.
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Auf einem von der Pharmaindustrie ausgerichteten Kongress wurde über die LDL-Zielwerte der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) berichtet und wiederholt erklärt, dass eine Vielzahl von Studien die Statintherapie im Rahmen einer primärprophylaktischen Anwendung (also in Abwesenheit einer klinisch manifesten Gefäßerkrankung) belegen würde. Wie beurteilen Sie diese Aussage? Existieren gute Studien zum Problem der LDL-Senkung im Rahmen einer Primärprophylaxe?
N.N. (Name etc. in a-t 6/2023 genannt)
In einer ausführlichen Übersicht sind wir 2004 auf die kardiovaskuläre Primärprävention mit Statinen eingegangen (a-t 2004; 35: 56-60). Damals lagen mit WOSCOP, AFCAPS/TexCAPS, PROSPER, ALLHAT-LLT und ASCOT-LLA fünf große randomisierte Studien (mit Teilnehmerzahlen [n] zwischen 5.800 und 10.360) vor, die Atorvastatin (SORTIS, Generika), Lovastatin (LOVABETA) oder Pravastatin (PRAVA-TEVA u.a.) in niedriger bis moderater Dosierung (vgl. Tabelle in a-t 2023; 54: 26-7) gegenüber Plazebo bzw. Nichtbehandlung prüfen. Es nahmen ausschließlich
oder mindestens zur Hälfte Patienten ohne manifeste atherosklerotische Erkrankung teil. Zudem gab es eine Subgruppenanalyse der HPS-Studie (n = 2.912) mit Simvastatin (ZOCOR, Generika), die Patienten mit Diabetes mellitus, aber ohne bekannte atherosklerotische Erkrankung auswertet. Mit Ausnahme der ALLHAT-LLT-Studie konnte konsistent eine Minderung schwerer koronarer Ereignisse – in der Regel definiert als nichttödlicher Herzinfarkt oder Tod aufgrund koronarer Herzkrankheit – gezeigt werden, der absolute Nutzen ist jedoch mit einer Number Needed to Treat (NNT) von bis zu 300 pro Jahr gering. Ein mortalitätssenkender Effekt ließ sich zudem – anders als in der Sekundärprävention – nicht belegen.
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Der zur Notfallbehandlung schwerer akuter allergischer Reaktionen zugelassene Adrenalin-Autoinjektor EMERADE ist bereits mehrfach durch Fehlfunktionen aufgefallen (vgl. a-t 2018; 49: 70-1, 2019; 50: 87 und e a-t 3/2020c). Nun ist Ende Mai 2023 ein weiterer Rote-Hand-Brief erschienen, demzufolge nach einem Falltest aus einem Meter Höhe „einige“ der getesteten Fertigpens nicht aktiviert werden konnten oder vorzeitig auslösten. Die Häufigkeit des Auftretens könne derzeit nicht genau abgeschätzt werden. Alle EMERADE-Fertigpens werden daher jetzt hierzulande bis auf Patientenebene zurückgerufen. Um die Sicherheit der Patienten nicht zu gefährden, sollen die Pens allerdings erst nach Erhalt eines alternativen Adrenalin-Autoinjektors zurückgegeben werden.
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