blitz-a-t: FEHLFUNKTION VON EMERADE ADRENALIN-AUTOINJEKTOREN
Der zur Notfallbehandlung schwerer akuter allergischer Reaktionen zugelassene Adrenalin-Autoinjektor EMERADE1 ist bereits mehrfach durch Fehlfunktionen aufgefallen (vgl. a-t 2018; 49: 70-1, 2019; 50: 87 und e a-t 3/2020c). Aktuell wird darauf hingewiesen, dass es „selten“ dazu kommen kann, dass die Pens nicht aktiviert werden können, wenn sie zuvor heruntergefallen sind.2,3 Der französischen Arzneimittelbehörde ANSM zufolge liegt in einem Test des Anbieters Bausch+Lomb nach Fall aus 1 m Höhe die Anzahl der Injektoren, die nicht mehr oder frühzeitig auslösen „leicht über dem Standard“.3 Genaue Zahlen werden nicht angegeben. Hiervon betroffen sind anscheinend alle noch nicht abgelaufenen Chargen zu 300 µg und 500 µg. freier Zugang
arznei-telegramm® 2023; 54: 39-40
Doxycyclin zur Postexpositionsprophylaxe sexuell übertragbarer bakterieller Infektionen?
Konsequent und korrekt verwendete Kondome verringern das Risiko der Übertragung sexuell übertragbarer Infektionen. Personen mit hohem Risiko ohne konsequente Kondom-Nutzung könnten von einer antibiotischen Postexpositionsprophylaxe profitieren. Eine aktuell publizierte Studie aus den USA untersucht hierzu die Wirksamkeit von Doxycyclin (DOXYCYCLIN AL u.a. – keine zugelassene Indikation) an 19 Transgender-Frauen und 482 Männern, die Sex mit Männern haben. Sie nehmen entweder eine Präexpositionsprophylaxe gegen HIV-Infektion (65%) ein oder sind mit HIV infiziert (35%) und hatten in den letzten zwölf Monaten kondomlosen Sex mit wenigstens einem Mann sowie eine Gonorrhö, Chlamydia-trachomatis-Infektion oder Frühsyphilis. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 39
15 Jahre ProtecT-Studie beim Prostatakarzinom
Wir haben 2017 ausführlich die randomisierte ProtecT-Studie besprochen, die bei frühem lokalisierten und durch erhöhte PSA-Werte entdeckten Prostatakarzinom eine aktive Monitoring-Strategie auf Basis systematischer PSA-Kontrollen mit frühzeitiger Prostatektomie oder Bestrahlung vergleicht (a-t 2017; 48: 50-2). Nach zehn Jahren lag die klinische Progressionsrate mit Monitoring um absolut etwa 14% und die Metastasierungsrate um 3% höher als bei Prostatektomie oder Bestrahlung, ohne dass sich Gesamt- oder die Sterblichkeit an Prostatakrebs unterschieden. Jetzt werden die Ergebnisse nach 15 Jahren berichtet. mehr
ea-t 5/2023a
DENGUE-IMPFSTOFF QDENGA (Langversion)
Seit Februar 2023 ist in Deutschland ein tetravalenter attenuierter Lebendimpfstoff zur Prävention von Denguefieber (QDENGA) verfügbar, der unabhängig vom Infektionsstatus ab einem Alter von 4 Jahren angewendet werden darf. Eine erste Dengue-Vakzine (DENGVAXIA) wurde in Europa bereits 2018 zugelassen. Sie ist allerdings ausschließlich für Personen zwischen 6 und 45 Jahren mit Test-bestätigter vorheriger Dengue-Infektion vorgesehen, vor allem für Menschen, die in Endemiegebieten leben. Hintergrund ist, dass dieser ebenfalls tetravalente abgeschwächte Lebendimpfstoff in den Zulassungsstudien bei eingangs Dengue-naiven Teilnehmern – ähnlich wie eine erste natürliche Infektion (siehe Kasten) – das Risiko für Hospitalisierungen und schwere Krankheitsverläufe ab dem dritten Jahr nach Beginn der Impfserie erhöht.
EIGENSCHAFTEN: Der attenuierte (abgeschwächte) Lebendimpfstoff QDENGA enthält den Dengue-Virus-Serotyp-2 (DENV-2) sowie chimäre Viren, bei denen die Gene spezifischer Oberflächenproteine von DENV-1, DENV-3 und DENV-4 in das DENV-2-Rückgrat eingefügt wurden. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 35-7
LASMIDITAN (RAYVOW) ZUR AKUTTHERAPIE VON MIGRÄNEANFÄLLEN
Die Akuttherapie von Migräneanfällen fußt im Wesentlichen auf zwei Säulen: Die erste, unspezifische, sind Analgetika wie Azetylsalizylsäure (ASPIRIN, Generika). Reichen diese nicht aus, kommen als zweite, spezifische, die seit den 1990er Jahren erhältlichen Triptane wie Sumatriptan (IMIGRAN, Generika) zum Tragen, die als Agonisten an Serotoninrezeptoren wirken. Diese sind jedoch wegen ihres vasokonstriktiven Potenzials bei Patienten mit atherosklerotischen oder vasospastischen Gefäßerkrankungen kontraindiziert (a-t 1993; Nr. 2: 22-4 u.a.), ebenso in der Regel bei mäßigem und schwerem sowie leichtem unkontrollierten Bluthochdruck. Das seit März 2023 angebotene Lasmiditan (RAYVOW) soll spezifischer an Serotoninrezeptoren binden und keine vasokonstriktiven Eigenschaften besitzen. Wie Triptane ist es zur Akutbehandlung von Migräneattacken Erwachsener mit und ohne Aura angezeigt, allerdings ohne entsprechende Kontraindikationen. In den USA ist Lasmiditan seit 2019 zugelassen. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 34-5
HARNWEGSINFEKTIONEN: IMPFSTOFF STROVAC NICHT BESSER ALS PLAZEBO
Über sechs Jahre blieben die Daten im Verborgenen: Die Ergebnisse der Negativstudie RUDIS zur Injektionssuspension STROVAC, die spezielle inaktivierte Enterobakterien enthält und zur Therapie und Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfektionen angeboten wird. Zwischen Januar 2012 und März 2015 wurde die Doppelblindstudie in 40 deutschen Zentren durchgeführt. Die vollständige Publikation liegt aber erst seit Oktober 2022 vor. 375 Frauen und 1 Mann zwischen 18 und 80 Jahren mit mindestens 5 unkomplizierten symptomatischen bakteriellen Harnwegsinfektionen im Jahr vor Studienbeginn erhalten nach randomisierter Zuteilung drei intramuskuläre Injektionen im Abstand von jeweils zwei Wochen (+/- sieben Tage) mit entweder STROVAC oder Plazebo. freier Zugang
arznei-telegramm® 2023; 54: 33-4
TENDENZIÖSE NETZWERK-METAANALYSE ZU ARZNEIMITTELN BEI TYP-2-DIABETES
Das British Medical Journal hat kürzlich eine bemerkenswerte Netzwerk-Metaanalyse zu Arzneimitteln bei Diabetes mellitus Typ 2 publiziert, in der an prominenter Stelle als zentrale Ergebnisse die günstigen gesicherten oder doch wahrscheinlichen Wirkungen des Mineralokortikoid-Antagonisten Finerenon (KERENDIA), des dualen Inkretinmimetikums Tirzepatid (USA, Schweiz: MOUNJARO) sowie der GLP-1-Agonisten und SGLT-2-Hemmer hervorgehoben werden, während die klinischen Effekte des Biguanids Metformin (GLUCOPHAGE, Generika) lediglich als „möglich“ beschrieben werden. Schnell kamen Fragen, ob Metformin nun nicht mehr Mittel erster Wahl beim Typ-2-Diabetes sei.
Bemerkenswert an der Arbeit ist vor allem der Umfang: Identifiziert und analysiert werden 816 randomisierte Studien mit insgesamt 471.038 Patienten zu 13 verschiedenen Arzneimittelklassen, das Supplement umfasst 1.541 Seiten. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 38-9
Versorgungsmangel bei Antibiotika – Lieferdefizite nehmen weiterhin zu
Innerhalb eines halben Jahres hat die Zahl der Arzneimittel, die in der offiziellen Liste der „veröffentlichten Lieferengpassmeldungen“ erfasst sind, um rund 60% zugenommen, von knapp über 300 (a-t 2022; 53: 89-91) auf derzeit über 480. Die Liste spiegelt allerdings nur die Spitze des Eisbergs wider. Sie berücksichtigt nur den verschreibungspflichtigen Bereich und basiert lediglich auf freiwilligen Angaben der Pharmaindustrie. 22% der erfassten Lieferdefizite betreffen Antibiotika, darunter 40 Säfte (8,3%), die insbesondere in der Pädiatrie benötigt werden. Vor allem fehlen Amoxicillin (auch kombiniert mit Clavulansäure) und Penicillin V. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 30
HOMÖOPATHIE: EVIDENZ FÜR NEUREXAN?
Hat es die Firma Heel mit ihrem Präparat NEUREXAN geschafft, einen Beweis zu liefern, dass Homöopathie funktioniert – „doppelblind, randomisiert, plazebokontrolliert“?
N.N. Name etc. in a-t 4/2023 genannt
1 | Heel: Broschüre „Heel – Wir leben Partnerschaft“, Stand Okt. 2022 |
In der uns vom Leser überlassenen Broschüre „Heel – Wir leben Partnerschaft“ wirbt die Firma unter anderem für das Homöopathikum NEUREXAN unter Bezug auf klinische Studien: „reguliert den Cortisolspiegel bei Stress“, „hilft nach Belastungssituationen wieder schneller zu entspannen“ sowie „verkürzt die Einschlafzeit und verlängert die Schlafdauer um bis zu 2 Stunden“. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 30
EXZESSIVE VITAMIN-D-DOSEN: „COIMBRA-PROTOKOLL“ BEI MULTIPLER SKLEROSE
Ich betreue eine junge Patientin mit Multipler Sklerose (MS), die von einer anderweitigen Institution mit einer mir unbekannten Therapiestrategie, dem COIMBRA-Protokoll, behandelt wird. Ich bin irritiert, da ich keine Informationen habe, aber ständig gebeten werde, einen Wust von mir unerklärlichen Laboruntersuchungen vorzunehmen, und ich mir zunehmend unsicher bin, hier eine wirklich medizinisch-ärztlich-ethisch vertretbare Therapiestrategie zu begleiten.
N.N. (Name und Anschrift der Redaktion bekannt)
Interessenkonflikt: keiner
Bei dem so genannten COIMBRA-Protokoll werden exzessiv hohe Dosierungen von Vitamin D zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose (MS) angewendet. Die Vitamin-D-Dosen sind so hoch (beispielsweise bei MS bis zu 150.000 I.E./Tag), dass gleichzeitig eine strikte kalziumarme Diät mit Vermeidung etwa von Milch oder Käse, aber auch von Nüssen, Sardinen u.a. eingehalten werden muss und eine tägliche Trinkmenge von mindestens 2,5 l vorgeschrieben wird. Zum Protokoll gehört zudem ein umfangreiches Labormonitoring. freier Zugang
arznei-telegramm® 2023; 54: 31-2
Zum Nutzen von Analgetika gegen akute unspezifische Rückenschmerzen
Eine aktuell publizierte umfangreiche Netzwerk-Metaanalyse untersucht die Wirksamkeit und Sicherheit systemisch angewendeter Analgetika einschließlich Antikonvulsiva, Muskelrelaxanzien und Glukokortikoiden bei akuten unspezifischen Rückenschmerzen im Vergleich untereinander sowie gegenüber Plazebo. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 27-8
LINDERN OPIOIDE SYMPTOME BEI SCHWERER HERZINSUFFIZIENZ?
Bei schwerer Herzinsuffizienz mit refraktärer Luftnot trotz optimaler Therapie sollen Opioide die durch Dyspnoe bedingte Unruhe und Angst verringern. Es ist hingegen fraglich, ob eine durch Histaminfreisetzung unter Opioiden vermittelte Vasodilatation zu einer relevanten Vor- bzw. Nachlastsenkung und dadurch zu einer klinischen Besserung beiträgt. In der Nationalen Versorgungsleitlinie zur chronischen Herzinsuffizienz gelten trotz Verweis auf fehlende Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien niedrigdosierte Opioide bei akuter Dekompensation, die mit Angst, Unruhe und schwerer Dyspnoe verbunden ist – mit allerdings schwachem Empfehlungsgrad – als mögliche Therapieoption. Eine europäische Leitlinie begrenzt die Anwendung auf selektierte Patienten mit nicht beherrschbaren Schmerzen oder Angst bzw. auf die Palliativsituation, während die US-amerikanischen Fachgesellschaften in ihren Empfehlungen Opioide nicht erwähnen. mehr
ea-t 4/2023
WIRKSAMKEIT UND STELLENWERT ORALER CEPHALOSPORINE (Langversion)
Als hygienebeauftragte Ärztin einer orthopädischen Rehaklinik laufen mir bei Weichteilinfekten immer wieder die oralen Cephalosporine über den Weg. Das Kollegium ist sich deren Wirkung empirisch sicher, allerdings wird in der „Fachwelt“ eine systematische Unterdosierung bei oraler Anwendung beschrieben. ... Mir fällt eine Einordnung schwer.
N.N. (Name etc. in a-t 4/2023 genannt)
Aktuell sind bei uns je zwei orale Cephalosporine der so genannten I., II. und III. Generation im Handel. Tabelle 1 gibt einen vereinfachten Überblick über ihre Zulassungen zur Therapie von Haut- und Weichteilinfektionen, HNO-Infektionen und von Infektionen der oberen und unteren Atemwege, die hierfür empfohlenen mittleren Dosierungen für Erwachsene sowie die Bioverfügbarkeit und maximalen Plasmaspiegel nach Einnahme einer Einzeldosis per os.1-6 Mit der Zulassung gilt die Wirksamkeit in den Indikationen grundsätzlich als durch klinische Studien belegt. Der therapeutische Stellenwert ist dadurch jedoch nur unzureichend bestimmt.
Bioverfügbarkeit und maximale Plasmaspiegel nach Einzeldosen sind nützliche Kenndaten für einen Vergleich der Pharmakokinetik, stellen allein jedoch nicht die entscheidenden Kriterien für die Effektivität der Antibiotika dar. Für die klinische Wirksamkeit am wichtigsten sind die minimale Hemmkonzentration für den die Infektion auslösenden Erreger, die Konzentration des Mittels am Wirkort und bei Betalaktam-Antibiotika (zeitabhängige Bakterizidie) die Dauer der Konzentration am Wirkort oberhalb der minimalen Hemmkonzentration. Diese Parameter unterscheiden sich von Mittel zu Mittel und von Erreger zu Erreger, sodass die klinische Wirksamkeit letztlich nur durch klinische Studien in jeder Indikation zu ermitteln ist. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 32
ERHÖHTES BRUSTKREBSRISIKO AUCH UNTER GESTAGENKONTRAZEPTIVA
Für kombinierte hormonelle Kontrazeptiva ist eine Erhöhung des Brustkrebsrisikos seit vielen Jahren bekannt. Nach einer 1996 publizierten Metaanalyse von 54 epidemiologischen Studien wird bei Frauen während und innerhalb von 12 Monaten nach der Anwendung häufiger ein Mammakarzinom diagnostiziert als bei Frauen, die niemals ein solches Mittel eingenommen haben (Relatives Risiko 1,24; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,15-1,33). Die Gefährdung verringert sich nach dem Absetzen kontinuierlich und ist nach zehn Jahren nicht mehr nachweisbar. Für rein gestagenhaltige Verhütungsmittel wird in der Arbeit eine ähnliche Risikoerhöhung errechnet, die bei insgesamt spärlicher Datenlage jedoch nicht signifikant ist. Als wir uns 2013 zuletzt mit dem Thema befasst haben, waren mehrere Beobachtungsstudien hinzugekommen, die die Annahme eines erhöhten Brustkrebsrisikos für Medroxyprogesteron-Injektionen (DEPO-CLINOVIR u.a.) stützen, während die Ergebnisse für das Levonorgestrel-haltige Intrauterinpessar (IUP) MIRENA widersprüchlich waren (a-t 2013; 44: 112). mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 31
Novo Nordisk – unseriöse Vermarktung von GLP-1-Agonisten bei Adipositas
Novo Nordisk ist wegen schwerwiegender Verstöße gegen den Industriekodex, die das Vertrauen in die pharmazeutische Industrie unterminieren können, für zwei Jahre aus dem Verband der britischen Pharmaindustrie (ABPI) ausgeschlossen worden. Unter anderem hat die Firma versäumt, ihr Sponsoring von Online-Trainingskursen für Fachkreise offenzulegen, die positive Informationen über den GLP-1-Agonisten Liraglutid (SAXENDA) gegen Adipositas enthielten. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 26-7
ZIELWERTSTRATEGIE ODER STATINHOCHDOSIS BEI KORONARER HERZKRANKHEIT?
Bei Patienten mit klinisch manifester Gefäßerkrankung gehört eine Therapie mit Statinen in fixer, moderater Dosierung (z.B. täglich 40 mg Simvastatin [ZOCOR, Generika]) zum Behandlungsstandard (a-t 2012; 43: 67-9 u.a.). Individuell kann laut dem neuen Leitfaden der AkdÄ speziell bei koronarer Herzerkrankung (KHK) eine Statintherapie in Hochdosis (siehe Tabelle, Seite 27) erwogen werden. Hierunter werden nach Metaanalysen in fünf Jahren im Vergleich zu moderaten Dosierungen nichttödliche Herzinfarkte zusätzlich um absolut 1% reduziert, allerdings unter Inkaufnahme von Diabetes-Neudiagnosen in gleicher Größenordnung und ohne dass die kardiovaskuläre oder Gesamtmortalität abnimmt. Faktisch bedeutet Hochdosis-Statintherapie jedoch automatisch den Einsatz von Atorvastatin (SORTIS, Generika) oder Rosuvastatin (CRESTOR, Generika), die bei manifester Gefäßerkrankung schlecht bzw. gar nicht untersucht und formal auch nicht zugelassen sind (vgl. a-t 2019; 50: 60-1). Kardiologische Leitlinien fordern darüber hinaus seit Jahren eine Reduktion des LDL-Cholesterins (LDL) unter bestimmte Werte, aktuell bei KHK unter 55 mg/dl. Ein Nutzen solcher Zielwertstrategien ist bisher allerdings weder belegt noch bei KHK überhaupt untersucht. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 25-6
SICHERN EXTREM HOHE ARZNEIMITTELPREISE DIE FORSCHUNG?
In den Niederlanden bringt die Pharmaceutical Accountability Foundation (PAF), eine Watchdog -Organisation, die gegen Preisauswüchse bei Arzneimitteln vorgeht, die Firma AbbVie wegen exorbitant hoher Preise für den Antikörper Adalimumab (HUMIRA) vor Gericht. Bei einem Umsatz von 2,3 Milliarden (Mrd.) Euro bis zum Ablauf des Patentes 2018 errechnet die PAF einen übermäßigen Profit zu Lasten des niederländischen Gesundheitswesens von 1,2 Mrd. Euro. Weltweit soll AbbVie für HUMIRA in den zehn Jahren bis 2022 die Rekordsumme von 208 Mrd. Euro umgesetzt haben – fast das Doppelte der weltweiten Aufwendungen der Pharmaindustrie für Forschung und Entwicklung (F&E), die der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) für das Jahr 2015 mit 108 Mrd. US-Dollar angibt. mehr
ea-t 3/2023b
BRUSTIMPLANTAT-ASSOZIIERTE PLATTENEPITHELKARZINOME
Bereits im September 2022 informierte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA über Verdachtsberichte zu Plattenepithelkarzinomen und verschiedenartigen Lymphomen im Narbengewebe, das sich um Brustimplantate bildet. Bei den Lymphomen handelt es sich um andere als die bekannten Brustimplantat-assoziierten anaplastischen großzelligen Lymphome, zu denen der Behörde bis April 2022 weltweit 1.130 Berichte zugegangen sind, insbesondere im Zusammenhang mit so genannten texturierten Implantaten (a-t 2019; 50: 15-6). mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 24
VALPROINSÄURE PLUS METHOTREXAT: VORSICHT WECHSELWIRKUNG
Die neuseeländische Arzneimittelbehörde Medsafe weist aktuell auf eine Interaktion des Antiepileptikums Valproinsäure (ERGENYL, Generika) mit dem Folsäureantagonisten Methotrexat (LANTAREL, Generika) hin. Hintergrund sind zwei Literaturberichte, in denen unter einer Therapie mit Methotrexat – hochdosiert bei akuter lymphatischer Leukämie im Kindesalter bzw. niedrigdosiert einmal wöchentlich bei Psoriasis – deutlich verringerte Serumkonzentrationen von Valproinsäure beschrieben werden, jeweils begleitet von Krampfanfällen. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 23
NOCHMALS: PRIDINOL GEGEN RÜCKENSCHMERZEN?
Können Sie ein Update hinsichtlich Pridinol (MYDITIN u.a.) verfassen, da ich auf einen Artikel gestoßen bin, in dem das Präparat nun angepriesen wird – und das vom Präsidenten der Deutschen Schmerzliga.1
N.N. (Name etc. in a-t 3/2023 genannt)
1 | hausarzt.digital: Sonderveröffentlichung – Pridinol bei muskulär bedingten Rückenschmerzen, 15. Nov. 2022; https://a-turl.de/f7av |
Nicht nur hausarzt.digital hat „mit freundlicher Unterstützung von Trommsdorff“ das Thema aufgegriffen, sondern beispielsweise auch das Deutsche Ärzteblatt. In der Rubrik „PHARMA“ heißt es dort unter der Überschrift „Evidenz für Muskelrelaxanzien bei Rückenbeschwerden“ ähnlich wie auf hausarzt.digital, dass „Ergebnisse einer umfangreichen Metaanalyse eine signifikant höhere globale Ansprechrate unter Pridinol im Vergleich zu Placebo“ zeigten. Auch spräche eine aktuelle Auswertung von „Routinedaten“ für die Wirksamkeit des zentral wirkenden Muskelrelaxans bzw. bestätige diese. Dazu passend wirbt Trommsdorff ganzseitig in der gleichen Ausgabe des Ärzteblatts für sein Pridinol-Präparat MYDITIN.
Bereits 2019 berichtete das Ärzteblatt, eine Metaanalyse habe die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pridinol bestätigt. Diese war jedoch nicht publiziert (a-t 2020; 51: 6-7). mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 22-3
Werbung mit angeblichen Vorteilen des Antihistaminikums Bilastin (ALLEGRA)
Bilastin war als BITOSEN von Berlin-Chemie von 2010 bis 2022 als verschreibungspflichtiges Antihistaminikum im Handel, wurde jedoch relativ selten verordnet. Seit Jahresbeginn 2023 bietet die Firma Nattermann den Wirkstoff – „Neu in der Selbstmedikation“ – rezeptfrei als ALLEGRA Allergietabletten an (nicht zu verwechseln mit dem Frovatriptan-haltigen ALLEGRO von Berlin-Chemie). mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 22
QR-CODE STATT BEIPACKZETTEL?
Für Beipackzettel werden viele Bäume gefällt, damit sich entweder Leute verrückt machen und gleich die ganzen Medikamente oder zumindest den Papierwust wegwerfen. Könnte man die notwendigen Informationen nicht mit einem QR-Code auf der Packung verbinden? Vorteile: weniger Ressourcen, kleinere Packungen; statt Juristendeutsch gäbe es verständliche Videos in verschiedenen Sprachen, die sich auch ohne Rückrufaktionen sofort aktualisieren ließen. Wer kein Smartphone hat, kann sich alles in der Apotheke ausdrucken lassen. Ein Gewinn für Natur, Mensch und Gesundheit. Haben wir uns nicht mal vorgenommen, mehr zu nutzen als zu schaden?
N.N. (Name etc. in a-t 3/2023 genannt)
Digitale Gebrauchsinformationen können Beipackzettel derzeit lediglich ergänzen, aber nicht ersetzen. Das Arzneimittelgesetz (AMG) schreibt vor, dass Fertigarzneimittel in der Regel eine Packungsbeilage enthalten müssen. Während diese daher den Medikamenten automatisch beiliegen und – abgesehen von verbesserungswürdiger Sprache und Schriftgröße – barrierearm sind, erfordern Digitalversionen ein Mobilgerät bzw. einen Computer, was beispielsweise ältere Menschen vor Probleme stellen kann. Auch sehen sich Apotheken nicht als Druckereien. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 22
SAFRAN ALS ANTIDEPRESSIVUM?
Patienten, die eine alternative Therapie wollen, versuchen Safran statt Johanniskraut (LAIF u.a.) als Antidepressivum. Ist das sinnvoll?
N.N. (Name etc. in a-t 3/2023 genannt)
Safran, die getrockneten Narben („Griffel“) von Crocus sativus, werden als speisenfärbendes Gewürz (Safranfäden) sowie pulverisiert oder als Extrakt in Nahrungsergänzungsmitteln angeboten, zum Teil kombiniert mit weiteren Bestandteilen wie Vitaminen. „Harte“ Indikationen dürfen für solche Produkte nicht beansprucht werden, daher dominieren in werbenden Berichten blumige Formulierungen wie „Glücksgefühl“, „Sonne für die Seele“ oder „mehr Spaß im Leben“.
Die Effekte von Safran bei milder bis moderater Depression sind Thema zahlreicher randomisierter Studien iranischer Autoren, die zum großen Teil in fünf Metaanalysen erfasst sind. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 20-2
EISEN I.V. BEI HERZINSUFFIZIENZ
Anders als in den zurückhaltenden Bewertungen in der atd Arzneimitteldatenbank zu parenteralen Eisenpräparaten wird beispielsweise zur Therapie des Eisenmangels bei Herzinsuffizienz die intravenöse Substitution empfohlen. Die aktuelle Leitlinie der europäischen kardiologischen Gesellschaft empfiehlt explizit Eisenkarboxymaltose (FERINJECT). Auch Eisenderisomaltose (MONOFER) ist in einer großen Studie in dieser Indikation geprüft. Die früher gefürchteten Störwirkungen sollen in der Summe bei den neuen i.v.-Präparaten nicht höher sein als bei oraler Therapie.
N.N. (Name etc. in a-t 3/2023 genannt)
Die aus Beobachtungsstudien abgeleiteten Angaben zur Häufigkeit eines funktionellen oder absoluten Eisendefizits bei chronischer Herzinsuffizienz – unabhängig vom Vorliegen einer manifesten Anämie – schwanken aufgrund unterschiedlicher Einschlusskriterien und Definitionen des Mangelzustands erheblich. Sie wird mit 37% bis 61% angegeben und nimmt mit der Schwere der Grunderkrankung zu. Die Ursachen des Eisenmangels sind im Detail nicht geklärt. Unter anderem könnten eine verringerte gastrointestinale Absorption und vermehrter gastrointestinaler Blutverlust (z.B. Einnahme von ASS wegen KHK) den Mangel begünstigen. mehr
ea-t 3/2023a
THROMBOEMBOLIEPROPHYLAXE NACH KNIEGELENKSARTHROSKOPIE ODER UNTERSCHENKELIMMOBILISATION? (Langversion)
Stichwort Thromboseprophylaxe: Seit einiger Zeit wird an mich die Verordnung von Thromboseprophylaktika herangetragen von den behandelnden Kliniken und Chirurgen im Zusammenhang mit Sprunggelenksdistorsionen, Knöchelfrakturen oder nach Kniegelenksarthroskopien mit der Empfehlung, diese bis zur vollständigen Mobilisierung durchzuführen, meist mit Enoxaparin (CLEXANE, Generika) s.c. Wie ist der Kenntnisstand in Bezug auf den Nutzen? Ist der Einsatz von neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) ggf. sinnvoll?
N.N. (Name etc. in a-t 03/2023 genannt)
Ende 2016 haben wir uns im a-t zuletzt mit der (auch damals schon) häufig empfohlenen und durchgeführten medikamentösen Thromboembolieprophylaxe bei arthroskopischen Kniegelenkseingriffen oder Immobilisation des Unterschenkels, beispielsweise nach Sprunggelenksdistorsionen oder Knöchelfrakturen, befasst und keine Indikation gesehen, außer wenn individuell ein erhöhtes Risiko vorliegt (a-t 2016; 47: 116-7). Zwei große, gemeinsam publizierte randomisierte Studien (POT-KAST, POT-CAST) hatten nach Arthroskopien des Kniegelenks sowie bei Immobilisation durch Unterschenkelgips keinen Einfluss fraktionierter Heparine wie Enoxaparin (CLEXANE, Generika) auf klinisch diagnostizierte und dann in der Bildgebung bestätigte symptomatische venöse Thromboembolien (tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien) nachweisen können.
Seither sind zur Thromboembolieprophylaxe nach Arthroskopien keine neuen randomisierten Studien erschienen, wohl aber mehrere systematische Übersichten mit Metaanalysen. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 18-9
CLEAR-OUTCOMES: „STATIN-INTOLERANZ“ ALS NISCHE FÜR BEMPEDOINSÄURE?
Der perorale Cholesterinsenker Bempedoinsäure (NILEMDO) wurde 2020 ohne Daten zum klinischen Nutzen zugelassen (e a-t 1/2021b). Mit der plazebokontrollierten, vom US-amerikanischen Anbieter gesponserten CLEAR-Outcomes-Studie werden solche Daten nun erstmals vorgelegt. An der Studie nehmen ausschließlich Patienten mit „Statinintoleranz“ teil. Dafür genügt jedoch schon eine von den Patienten selbst berichtete Unverträglichkeit eines Statins (jeglicher Dosis!) bei fehlender Bereitschaft, ein zweites auszuprobieren. Dies bleibt weit unter den Anforderungen der europäischen Arzneimittelagentur EMA sowie internationaler Organisationen an eine Statinintoleranz, nach denen mit der Anwendung assoziierte Störwirkungen bei mindestens zwei Statinen – eines davon in niedrigster Tagesdosis – dokumentiert sein müssen. mehr
arznei-telegramm® 2023; 54: 24
ZUR SICHERHEIT VON PSEUDOEPHEDRIN-HALTIGEN ERKÄLTUNGSMITTELN
Das per os einzunehmende gefäßverengend wirkende Sympathomimetikum Pseudoephedrin soll in Fixkombinationen mit einem Analgetikum und/oder Antihistaminikum (ASPIRIN COMPLEX, BOXAGRIPPAL u.a.) eine behinderte Nasenatmung (verstopfte Nase) lindern, die auf Erkältung oder Allergie beruht. Der europäische Pharmakovigilanzausschuss PRAC überprüft jetzt auf Initiative der französischen Arzneimittelagentur ANSM die Sicherheit des Sympathomimetikums. Grund sind Berichte über posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom (PRES) und reversibles zerebrales Vasokonstriktions-Syndrom (RCVS) in Verbindung mit den rezeptfrei erhältlichen Pseudoephedrin-haltigen Präparaten. freier Zugang
arznei-telegramm® 2023; 54: 17-8
DAPAGLIFLOZIN BEI HERZINSUFFIZIENZ MIT ERHALTENER AUSWURFFRAKTION
Knapp ein Jahr nach Empagliflozin (JARDIANCE; a-t 2022; 53: 26-8) ist auch für den SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin (FORXIGA) die Indikation zur Behandlung der symptomatischen chronischen Herzinsuffizienz ausgeweitet worden und umfasst jetzt ebenfalls Formen mit erhaltener oder geringgradig reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (LVEF). Bei Herzinsuffizienz mit reduzierter LVEF (≤ 40%) ist für Dapagliflozin als Zusatz zur Standardtherapie eine Senkung der Sterblichkeit belegt (a-t 2019; 50: 84-5 und 2021; 52: 92, 101-2).
Basis für die aktuelle Zulassungserweiterung ist die randomisierte doppelblinde DELIVER-Studie, an der 6.263 mindestens 40 Jahre alte Patienten (44% Frauen) mit stabiler symptomatischer Herzinsuffizienz, LVEF über 40%, Vergrößerung des linken Vorhofs oder linksventrikulärer Hypertrophie sowie erhöhten Spiegeln natriuretischer Peptide (NT-proBNP ≥ 300 pg/ml ohne, ≥ 600 pg/ml mit Vorhofflimmern/-flattern) teilnehmen. mehr