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Erhalten Ärztinnen und Ärzte finanzielle oder sonstige Zuwendungen von Pharmafirmen, kann dies Therapieentscheidungen zur Folge haben, die nicht dem Wunsch der Patientinnen und Patienten nach optimaler, dem Kenntnisstand gemäßer Behandlung entsprechen. Dies veranschaulicht soeben eine Kohortenstudie aus den USA, in der Verordnungen von Onkologen mit den Daten aus Open Payments abgeglichen werden, einer Datenbank der US-amerikanischen Regierung zu finanziellen oder geldwerten Zuwendungen von Pharmafirmen an Ärzte.
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Ein junger Patient in unserer Hausarztpraxis wurde aufgrund der Diagnose Multiple Sklerose von einem Arzt nach dem COIMBRA-Protokoll behandelt und brach die Behandlung jetzt ab. Es sind ihm erhebliche Kosten entstanden. Ich habe mich etwas darüber informiert und habe auch den a-t-Bericht (a-t 2023; 54: 30) gefunden. Ich finde es dramatisch, dass Patienten Unmengen an Geld für eine Therapie ohne nachgewiesenen Nutzen ausgeben. Tatsächlich läuft wohl eine Registerstudie an der Charité. Was halten Sie von dieser Studie? Ich habe große Bedenken, dass dadurch ein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis suggeriert wird.
Bei der Registerstudie handelt es sich um das Berlin Registry of Neuroimmunological Entities (BERLimmun), eine prospektive Beobachtungsstudie zum Langzeitverlauf neuroimmunologischer Erkrankungen wie Multiple Sklerose (MS), in die 650 betroffene Patientinnen und Patienten und 85 gesunde Probanden aufgenommen werden sollen. Ziel ist die umfangreiche Charakterisierung der einzelnen Krankheitsentitäten anhand klinischer, laborchemischer und bildgebender Untersuchungen sowie Patientenbefragungen, um die diagnostische Abgrenzung zu erleichtern und prognostische Marker zu identifizieren.
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Untersuchungen aus Asien zufolge könnte die Progression von Kurzsichtigkeit bei Kindern durch Atropin-Augentropfen verringert werden (a-t 2018; 49: 93-4 und 2019; 50: 31-2). Bislang gibt es unseres Wissens sowohl in Deutschland als auch in den USA keine Zulassung für diese Indikation und auch keine Fertigarzneimittel mit den besonders in neueren Studien geprüften niedrigen Konzentrationen (meist 0,01% bis 0,05%, je ein Tropfen pro Auge zur Nacht). Trotzdem diskutieren internationale ophthalmologische Verbände das Verfahren positiv. Auch nach einer aktuellen Empfehlung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft kann niedrigdosiertes Atropin Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 14 Jahren mit Myopieprogression von mindestens 0,5 Dioptrien [dpt.] pro Jahr angeboten werden, in erster Linie in der Konzentration 0,01%. Dieser wird gegenüber höheren in Teilen der Literatur eine günstigere Nutzen-Schaden-Bilanz zugesprochen.
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Die Anfang 2023 publizierte randomisierte LODESTAR-Studie findet bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung unter einer Zielwertstrategie zur Senkung des LDL-Cholesterins (Ziel 50-70 mg/dl) gegenüber einer fixen Statinhochdosistherapie keine Unterschiede für das Auftreten von Todesfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder koronaren Revaskularisationen (primärer Endpunkt; siehe a-t 2023; 54: 26-7). Als Statin wird in beiden Gruppen Rosuvastatin (CRESTOR, Generika) oder Atorvastatin (SORTIS, Generika) eingesetzt, für die Hochdosis 20 mg bzw. 40 mg täglich. Auch die Zuteilung der Statine in beiden Gruppen erfolgt randomisiert (faktorielles Design). Die Ergebnisse des Vergleichs von Rosuvastatin mit Atorvastatin werden jetzt publiziert.
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Ihre Bewertung von Torasemid (TOREM, Generika) als Variante ohne besonderen Stellenwert ist ja auch nach der TRANSFORM-HF-Studie weiter gültig (a-t 2023; 54: 14). Nun gibt es aber eine neue Metaanalyse aus 10 RCTs von SINGH et al., die unter Torasemid signifikant und deutlich weniger Hospitalisierungen findet als unter Furosemid (LASIX, Generika). Auch wenn die Mortalität sich nicht unterscheidet, sehen Sie die Ergebnisse als Anlass, Ihre Bewertung zu ändern?
N.N. (Name etc. in a-t 11/2023 genannt)
(M = Metaanalyse)
M
1
SINGH, S. et al.: Am. J. Cardiol. 2023; 206: 42-8
Die Ergebnisse der Metaanalyse von SINGH, S. et al., die neben der großen TRANSFORM-HF-Studie mit 2.859 Patienten ausschließlich kleine bis sehr kleine Studien mit maximal 234 Teilnehmern auswertet, ändern an unserer Einschätzung von Torasemid (TOREM, Generika; a-t 2023; 54: 14) nichts. Klinische Endpunkte der Metaanalyse, in der die Schleifendiuretika Furosemid (LASIX, Generika) und Torasemid bei Herzinsuffizienz verglichen werden, sind neben der Gesamtsterblichkeit Krankenhausaufnahmen jeglicher Ursache sowie kardiovaskulär und Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisationen.
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Die im Sommer abgeschlossene randomisierte SELECT-Studie zur kardiovaskulären Sekundärprävention mit dem GLP-1-Agonisten Semaglutid (WEGOVY; a-t 2023; 54: 57-61) bei Übergewicht liegt jetzt vollständig veröffentlicht vor. 17.604 im Mittel 62 Jahre alte Patienten (28% Frauen) mit Herzinfarkt (76%), Schlaganfall (23%) und/oder symptomatischer peripherer arterieller Verschlusskrankheit (9%) in der Vorgeschichte und Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 27 kg/m (im Mittel 33 kg/m), aber ohne Diabetes mellitus, haben teilgenommen. Sie injzieren nach Aufdosierung wöchentlich 2,4 mg Semaglutid oder Plazebo subkutan zusätzlich zur kardiovaskulären Standardtherapie (Plättchenhemmer 86%, Lipidsenker 90% u.a.) und werden im Mittel 3,3 Jahre nachbeobachtet.
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Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist einer der wichtigsten Auslöser von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen und Kleinkindern, die vor allem in den ersten Lebensmonaten und insbesondere bei Vorliegen von Risikofaktoren wie Frühgeburtlichkeit, Lungenvorerkrankungen oder hämodynamisch relevanten Herzfehlern eine Bronchiolitis und/oder Pneumonie hervorrufen können. Seit 1999 ist für Risikokinder – vor der 36. Schwangerschaftswoche geborene Säuglinge, die zu Beginn der RSV-Saison jünger als sechs Monate alt sind, sowie Kinder unter zwei Jahren, die innerhalb der letzten sechs Monate wegen bronchopulmonaler Dysplasie behandelt wurden oder einen hämodynamisch signifikanten angeborenen Herzfehler haben – der monoklonale Antikörper Palivizumab (SYNAGIS, a-t 2000; 31: 85-6) zur Prävention schwerer krankenhauspflichtiger RSV-Erkrankungen zugelassen. Jetzt ist ein weiterer monoklonaler Antikörper mit einer deutlich breiteren Indikation verfügbar: Nirsevimab (BEYFORTUS) darf zur Prophylaxe von RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege bei allen Neugeborenen und Säuglingen während ihrer ersten RSV-Saison angewendet werden. Anders als bei Palivizumab, das einmal monatlich injiziert werden muss, reicht bei Nirsevimab eine Einzeldosis aus.
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In den vergangenen Jahren ist Ashwagandha , das in Indien als ayurvedisches Heilmittel verwendet wird, zunehmend auch in westlichen Ländern als Bestandteil zahlreicher Nahrungsergänzungsmittel populär geworden. Da die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA für Ashwagandha keine Health Claims zugelassen hat, dürfen Anbieter keine gesundheitsbezogenen Aussagen machen. Im Internet werden hingegen für das auch Schlafbeere, indischer Ginseng oder Winterkirsche genannte Nachtschattengewächs Beeinflussung von Stress, Stärkung des Nervensystems und Besserung der geistigen Klarheit sowie schlaffördernde, Anti-Tumor-, Anti-Aging- und weitere Effekte versprochen.
freier Zugang
Zurzeit wird intensiv ein Präparat namens COLPOFIX beworben. Es soll gegen HPV-Befall und Dysplasien wirken. Wäre natürlich schön, wenn es so wäre. Wir würden nur gerne verlässliche Informationen sehen. Am liebsten wären uns prospektive, randomisierte Studien. Können Sie uns da helfen?
N.N. (Name etc. in a-t 10/2023 genannt)
Bei COLPOFIX handelt es sich um ein als Spray angewendetes Vaginalgel mit den Inhaltsstoffen Carboxymethyl-Beta-Glucan und Polycarbophil. Der Anbieter ITF Pharma schreibt dem Medizinprodukt verschiedene Wirkmechanismen zu: Es soll einen mukoadhäsiven Film bilden und so vor „externen mikrobiellen Einflüssen“ schützen, den pH-Wert regulieren, das Laktobazillen-dominierte vaginale Mikrobiom wiederherstellen und die Reepithelisierung des Gebärmutterhalsgewebes fördern. Auf diese Weise soll es den durch humane Papillomviren (HPV) verursachten Gebärmutterhalsschädigungen vorbeugen und ihre Rückbildung fördern. Bis auf eine Ein-Zentrums-Studie aus Rom liegen zu COLPOFIX unseres Wissens jedoch nur retrospektive oder unkontrollierte Beobachtungsstudien vor, ebenfalls aus Italien und mit zum Teil denselben Autoren.
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Als klinisches Vorhofflimmern wird symptomatisches oder asymptomatisches Vorhofflimmern definiert, das in einem Oberflächen-EKG dokumentiert ist. Sämtliche Nutzennachweise für orale Antikoagulanzien in der Prophylaxe der bei der Rhythmusstörung gefürchteten Schlaganfälle stammen aus Studien zum klinischen, also im EKG diagnostizierten Vorhofflimmern. Mit verschiedensten elektronischen Geräten – Schrittmachern, implantierbaren Defibrillatoren u.a., aber auch so genannten Wearables (z.B. Smartwatch) – lässt sich heute der Herzrhythmus kontinuierlich überwachen. Auf diese Weise lassen sich kurze Episoden von Rhythmusstörungen des Vorhofs erfassen, die als atrial high-rate episodes (AHRE) oder auch als subklinisches Vorhofflimmern bezeichnet werden, wenn sie bei Überprüfung definierte Kriterien erfüllen und Artefakte ausgeschlossen sind (vgl. a-t 2021; 52: 73-5).
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Im Mai sind wir auf die negativen Ergebnisse der RUDIS-Studie zur Injektionssuspension STROVAC eingegangen, die spezielle inaktivierte Enterobakterien enthält und zur Therapie und Prophylaxe rezidivierender Harnwegsinfektionen angeboten wird (a-t 2023; 54: 34-5).
STROVAC wirkt in dieser ersten sicher randomisierten Studie nicht besser als ein Scheinmedikament, wird aber deutlich schlechter vertragen. Wir fragten wir beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI), der zuständigen Zulassungsbehörde, nach, weshalb die Fachinformation nicht auf diese Studie hinweist bzw. weshalb das Präparat nach wie vor zugelassen ist.
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Erneut wird eine Vitamin-D-Intoxikation bei einem Patienten mit Multipler Sklerose (MS) bekannt, der im Rahmen des sogenannten COIMBRA-Protokolls über ein halbes Jahr täglich 60.000 I.E. eingenommen hat (25-OH-D-Spiegel 276,6 ng/ml). Der 65-jährige Mann, bei dem als Begleiterkrankung ein mit Candesartan (ATACAND, Generika) behandelter Bluthochdruck besteht, entwickelt eine Hyperkalziämie mit Werten von 3,2 mmol/l sowie ein akutes Nierenversagen (eGFR 43 ml/min).
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Seit Juli 2023 ist der SGLT-2-Hemmer Empagliflozin (JARDIANCE; a-t 2016; 47: 65-6) wie Dapagliflozin (FORXIGA; a-t 2013; 44: 1-3, 2021; 52: 76-8) auch zur Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz Erwachsener zugelassen. Unterhalb einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von 20 ml/min/1,73m wird allerdings nicht empfohlen, die Einnahme zu beginnen (bei Dapagliflozin unter 25 ml/min). Die Tagesdosis beträgt wie in der Indikation Herzinsuffizienz 10 mg per os. Diabetes mellitus muss nicht gleichzeitig vorliegen, bei Typ-1-Diabetes sollen SGLT-2-Hemmer wegen des Ketoazidoserisikos nicht eingenommen werden.
WIRKSAMKEIT: Der Indikationserweiterung liegt die randomisierte doppelblinde EMPA-KIDNEY-Studie mit 6.609 im Mittel 63 Jahre alten Patienten (33% Frauen) zu Grunde. Die eGFR muss zwischen 20 und 45 ml/min/1,73 m liegen (79%) oder zwischen 45 und 90 ml/min/1,73 m mit Albumin-Kreatinin-Quotienten (ACR) im Urin von mindestens 200 mg/g.
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Ausführliche Bewertung gleichzeitig als e a-t 10/2023a veröffentlicht.
Die Zulassungsinhaber von Gyrasehemmern (Fluorchinolonen) haben auf Veranlassung der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) im Juni 2023 in einem Rote-Hand-Brief erneut auf die seit 2019 wegen potenziell schwerwiegender und möglicherweise irreversibler Schadwirkungen geltenden Anwendungseinschränkungen hingewiesen: Gyrasehemmer sollen nicht verordnet werden nach zuvor schwerwiegenden Störwirkungen, bei nicht schweren oder selbstlimitierenden bakteriellen Infektionen, bei nichtbakteriellen Infektionen sowie zur Prävention der Reisediarrhö oder rezidivierender Harnwegsinfektionen. Bei leichten bis mittelschweren Infektionen dürfen sie allenfalls bei Fehlen von Alternativen verwendet werden.
Orale Gyrasehemmer sind für vielfältige Indikationen zugelassen, aber nur selten Mittel der ersten Wahl im Sinne eines „Antibiotic Stewardship“, wie Empfehlungen der österreichischen Initiative „Arznei & Vernunft“ und ein Leitfaden der bayerischen Landesregierung deutlich machen (siehe Tabelle). Norfloxacin (NORFLOHEXAL u.a.) und Ofloxacin (OFLOXACIN STADA u.a.) spielen in diesen Ratgebern praktisch keine, Moxifloxacin (AVALOX, Generika) nur eine sehr untergeordnete Rolle.
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Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein weltweit verbreiteter hoch ansteckender Erreger, der in Mitteleuropa vor allem zwischen November und April akute Atemwegserkrankungen auslöst. Bis zum Ende des zweiten Lebensjahres haben nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion durchgemacht. Eine langfristige Immunität wird jedoch nicht aufgebaut, und Reinfektionen sind in jedem Lebensalter häufig. Diese manifestieren sich bei gesunden Erwachsenen üblicherweise als unkomplizierte Infekte der oberen Atemwege, können bei älteren Menschen und Personen mit kardialen oder pulmonalen Grunderkrankungen oder mit Immunschwäche jedoch auch die unteren Atemwege einbeziehen und Pneumonien, kardiale Komplikationen sowie Exazerbationen vorbestehender Erkrankungen hervorrufen.
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Als „einzigartigen Schutz bei Trockenen Augen“ bewirbt Ursapharm das Medizinprodukt EVOTEARS. Die Augentropfen enthalten ausschließlich (zu 100%) Perfluorhexyloktan, ein Alkan, dessen Kohlenstoffkette an einem Ende komplett fluoriert und am anderen wasserstoffgesättigt ist. Die Tropfen sind wasserfrei, dünnflüssig (1 ml entspricht etwa 90 Tropfen) und sollen sich der Werbung zufolge „wie ein Schutzmantel über die Träne“ legen.
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Die australische Therapeutic Goods Administration (TGA) warnt aktuell vor dem Risiko von Leberschäden durch Curcuminoide. Diese sind Bestandteil verschiedener Curcuma-Arten wie Curcuma longa (Kurkume, Gelbwurz), die in hunderten Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sind. Das Haupt-Curcuminoid Curcumin wird hierzulande auch als Arzneimittel (CURCU-TRUW) gegen Verdauungsbeschwerden vertrieben sowie als Lebensmittelfarbstoff (E100) und als Gewürz verwendet. Die TGA überblickt 18 Berichte zu Leberproblemen in Verbindung mit Curcuminoiden. Von zwei schweren Ereignissen ist eines tödlich verlaufen.
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siehe auch Hintergrundartikel a-t 2023; 54: 69 in der gleichen Ausgabe
Vitiligo, auch Weißfleckenkrankheit genannt, ist eine vermutlich immunvermittelte Hauterkrankung, die bis auf gelegentlichen Juckreiz keine kutanen Beschwerden hervorruft, aber die Lebensqualität beeinträchtigen kann. Zur topischen Behandlung nichtsegmentaler Vitiligo (siehe Hintergrundartikel a-t 2023; 54: 69) mit Gesichtsbeteiligung ist nun Ruxolitinib als 1,5%ige Creme (OPZELURA) für Erwachsene und Jugendliche ab 12 Jahren im Handel. Der Januskinase (JAK)-Hemmer wird bereits seit einigen Jahren per os unter dem Handelsnamen JAKAVI angewandt, unter anderem bei Myelofibrose.
EIGENSCHAFTEN: Ruxolitinib hemmt die Januskinasen JAK1 und 2, die unter anderem Signale von Zytokinen wie Interferon-gamma übermitteln und an immunologischen Prozessen beteiligt sind.
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Ende August wurde der erste an die Omikron-Variante XBB.1.5 angepasste COVID-19-Impfstoff in Europa zugelassen, die mRNA-Vakzine von BioNTech/Pfizer (COMIRNATY OMICRON XBB.1.5). Mitte September wurde auch für einen entsprechenden Impfstoff von Moderna (SPIKEVAX XBB.1.5) die Genehmigung erteilt. Im Gegensatz zu früheren bivalenten Varianten-adaptierten Vakzinen handelt es sich um monovalente Impfstoffe, genetische Informationen für das Spikeprotein des Wildtyps sind nicht mehr enthalten.
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Anlässlich eines Todesfalls im Zusammenhang mit einer Fotosensibilisierung unter dem bei entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis und in der Onkologie verwendeten Methotrexat (MTX; LANTAREL, Generika) erinnert die britische Arzneimittelbehörde MHRA an die Notwendigkeit, Patienten über die erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut während der Therapie mit dem Folsäureantagonisten aufzuklären. Die unerwünschte Wirkung ist in den Fachinformationen als häufig aufgeführt, jedoch ohne auf die möglicherweise schwerwiegenden Folgen hinzuweisen.
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Zum Vergleich einer operativen Entfernung der Gaumenmandeln mit konservativer Therapie bei Erwachsenen mit rezidivierender akuter Tonsillitis lagen bisher lediglich drei kleine randomisierte Studien mit insgesamt 196 Patienten vor. Unter anderem aufgrund kurzer Nachbeobachtung und hohem Verzerrungsrisiko wird die Evidenz in einem Cochrane-Review von 2014 als zu gering für eine fundierte Schlussfolgerung eingestuft. Laut einer aktuell in Überarbeitung befindlichen S2k-Leitlinie von 2015 ist eine Tonsillektomie bei Erwachsenen zwar eine Therapieoption, wenn mindestens sechs ärztlich diagnostizierte und mit Antibiotika behandelte eitrige Tonsillitiden innerhalb von zwölf Monaten auftreten, und eine mögliche Option bei drei bis fünf Episoden, falls eine Gesamtzahl von sechs Episoden innerhalb des nächsten halben Jahres erreicht wird. Die Datenlage wird jedoch gleichfalls als unzureichend beurteilt.
Eine aktuelle multizentrische randomisierte Studie(NATTINA) aus Großbritannien zielt darauf, diese Kenntnislücke zu schließen.
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Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sollen zu 40% bis 60% einen Eisenmangel aufweisen, der auch ohne manifeste Anämie zu eingeschränkter Belastbarkeit und verschlechterter Prognose beitragen könnte. Ein günstiger Einfluss intravenöser Eisensubstitution auf die Prognose ist jedoch nach zwei größeren Studien mit zwei unterschiedlichen Eisenzubereitungen nicht gesichert. Positive Leitlinienempfehlungen haben wir in einer Bewertung im März 2023 als nicht ausreichend durch Evidenz gesichert eingestuft (a-t 2023; 54: 20-2). Jetzt erscheint mit der HEART-FID-Studie eine weitere Arbeit zum Thema, die offensichtlich für eine Indikationserweiterung in den USA geplant wurde:
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Der europäische Pharmakovigilanzausschuss PRAC empfiehlt soeben neue Anwendungsbeschränkungen und die Einführung eines Schwangerschaftspräventionsprogramms für das bei Epilepsie und zur Migräneprophylaxe zugelassene Topiramat (TOPAMAX, Generika). Anlass sind Ergebnisse zweier Beobachtungsstudien auf Basis einer Kohorte aus Mutter-Kind-Paaren mit Epilepsiediagnose der Mutter:
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Unter Gebrechlichkeit („Frailty“) wird ein Syndrom verstanden, das durch verminderte Reservekapazitäten und erhöhte Vulnerabilität gegenüber Stressoren gekennzeichnet ist. Es geht mit erhöhtem Risiko für Stürze, Krankenhausaufnahmen, Verlust der Autonomie und Mortalität einher. Gebrechlichkeit nimmt mit dem Alter zu, die Prävalenz ist bei mindestens 85-Jährigen am höchsten. Vorhofflimmern, dessen Prävalenz mit dem Alter ebenfalls zunimmt, kommt bei gebrechlichen Patienten sehr häufig vor, nach einer systematischen Übersicht bei 43% bis 75%.
In den großen Studien zu den neuen oralen Antikoagulanzien bei Vorhofflimmern (NOAK; RE-LY mit Dabigatran [PRADAXA], ROCKET AF mit Rivaroxaban [XARELTO], ARISTOTLE mit Apixaban [ELIQUIS] und ENGAGE AF-TIMI 48 mit Edoxaban [LIXIANA] jeweils im Vergleich mit Warfarin [COUMADIN]) sind gebrechliche ältere Patienten unterrepräsentiert, verlässliche Daten zur Nutzen-Schaden-Bilanz der NOAK in dieser Subgruppe fehlen. Bereits für nicht gebrechliche Patienten, die gut auf Cumarin-Antikoagulanzien eingestellt sind, ist ein Vorteil der NOAK in dieser Indikation nicht gesichert
(a-t 2011; 42: 74-7, 2012; 43: 2-4, 11-2, 2013; 44: 3-4, 13 und 2015; 46: 83-6). Ob gebrechliche ältere stabil auf Cumarine eingestellte Patienten von der Umstellung auf NOAK profitieren, ist gänzlich ungeklärt.
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Das SympathomimetikumPhenylephrin (in DOREGRIPPIN, GELOPROSED u.a.) lindert in peroralen Erkältungsmitteln verstopfte Nase nicht besser als Plazebo, titelten wir vor sieben Jahren (a-t 2016; 47: 14). Jetzt kommen alle 16 Mitglieder des US-amerikanischen beratenden Ausschusses für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach Sichtung der Studienlage zur gleichen Einschätzung.
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Im Juli 2023 hatten wir Werbung der Firma Neuraxpharm für das Antidepressivum Desvenlafaxin (DESVENEURAX; a-t 2022; 53: 83-4) als irreführend bei der zuständigen Behörde angezeigt (a-t 2023; 54: 55). Im August teilte uns die Bezirksregierung Düsseldorf mit, dass die weitere Verbreitung der Broschüre unterbleibe. Neuraxpharm habe ihren Prozess zur Freigabe von Werbematerialien verändert. Die Mitteilung erachten wir als unbefriedigend, da die grobe Irreführung offensichtlich nicht sanktioniert wird.
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GLP-1-Agonisten wie Semaglutid (OZEMPIC, WEGOVY) werden zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 sowie zum Teil zur Gewichtsreduktion vermarktet (siehe a-t 2023;54: 57-61, a-t 2016; 47: 47-8, 2020; 51: 25-8 u.a.). Ihr Wirkmechanismus beruht unter anderem auf einer verlangsamten Entleerung des Magens. Gastrointestinale Störwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen kommen häufig bis sehr häufig vor.
Die amerikanische Gesellschaft der AnästhesiologenASA weist aktuell auf ein möglicherweise erhöhtes Regurgitations- und Aspirationsrisiko unter GLP-1-Agonisten aufgrund der verzögerten Magenentleerung hin.
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Seit einigen Jahren sind Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP)-Hemmstoffe wie Erenumab (AIMOVIG; a-t 2018; 49: 91-3 u.a.) zur Migräneprophylaxe Erwachsener im Handel. Nun deuten erste Postmarketinganalysen und Fallberichte auf ein vermehrtes Auftreten von Haarausfall unter den Antikörpern hin.
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Die 2022 aktualisierte S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfiehlt bei Erwachsenen jeden Alters mit akutem ischämischen Schlaganfall und „behindernden“ Symptomen eine systemische Thrombolyse mit Alteplase (ACTILYSE; a-t 2010; 41: 82, 2022; 53: 44-5 u.a.), falls der Beginn der Symptome nicht länger als 4,5 Stunden zurückliegt. Was die DGN unter „behindernden“ Symptomen versteht, bleibt letztlich im Unklaren, auch weil es nach ihrer Auffassung „keine einheitliche Definition eines leichten Schlaganfallsyndroms gibt“. Sie stellt aber explizit klar, dass die Behinderung unabhängig von dem NIHSS -Schweregrad zu bewerten ist und auch bei einem NIHSS ≤ 5 „erheblich behindernde Symptome“ vorliegen können. Trotz der positiven Ergebnisse aus mehreren randomisierten Studien für eine duale Plättchenhemmung mit Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN PROTECT, Generika) plus Clopidogrel (PLAVIX, Generika) oder Ticagrelor (BRILIQUE) bei leichten akuten ischämischen Schlaganfällen oder transitorischen ischämischen Attacken (TIA) (siehe auch a-t 2019; 50: 19-20) spricht sich die DGN auf der anderen Seite explizit gegen deren routinemäßigen Einsatz aus und empfiehlt sie nur als Option innerhalb von 24 Stunden für ausgewählte Patienten, die keine systemische Thrombolyse oder endovaskuläre Therapie erhalten.
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Die Zahl nicht lieferbarer Arzneimittel nimmt weiterhin zu (vgl. a-t 2023; 54: 38-9). Bei Redaktionsschluss werden offiziell über 500 verschreibungspflichtige Präparate gelistet (Stand 23. Aug. 2023).Seit Mitte 2023 sind auch Dosieraerosole mit dem kurzwirkenden Betasympathomimetikum Salbutamol (BRONCHOSPRAY, SALBUTAMOL-RATIOPHARM N, SULTANOL u.a.) nicht bzw. nur eingeschränkt lieferbar. Wegen des „deutlichen Anstiegs der weltweiten Nachfrage“ soll – so der Anbieter GlaxoSmithKline (GSK) – das Original SULTANOL auch noch 2024 „nur eingeschränkt“ zu erhalten sein.
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Die hohe Variabilität der Influenza-Viren verhindert eine dauerhafte Immunität durch die verfügbaren Influenza (Grippe)-Impfstoffe. Daher muss deren Antigenzusammensetzung jährlich angepasst werden. Die Vakzinen für 2023/24 enthalten nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO und der europäischen Arzneimittelagentur EMA die im Hinblick auf Infektion und Immunprotektion 2023/24 die voraussichtlich relevanten Oberflächenantigene (Hämagglutinin und Neuraminidase) von je zwei Influenza-A- (H1N1, H3N2) und B-Stämmen. Die Wirksamkeit der Impfstoffe, laborbestätigte Influenza zu verhindern, lag – auch abhängig davon, wie gut die prognostizierten mit den tatsächlich aufgetretenen Viren übereinstimmten – 2010 bis 2020 hierzulande zwischen 20% und 60% bzw. nach US-amerikanischen Daten 2015 bis 2022 zwischen 29% und 48% (adjustierte Impfeffektivität).
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„Das beste Mittel gegen Krebs: ihn rechtzeitig zu entdecken.“, wirbt der Versicherer HanseMerkur für seine Zusatzversicherung „Krebs-Scan“, die auch von der Firma Tchibo angeboten wurde. Damit abgedeckt sind jährliche Früherkennungsuntersuchungen mit dem Bluttest PANTUM DETECT, bei auffälligem Ergebnis gefolgt von bildgebenden Verfahren (PET-CT und MRT) zur Abklärung und Lokalisierung eines etwaigen Malignoms.
Der PANTUM-DETECT-Test untersucht, ob Makrophagen bestimmte Marker-Antigene durch Phagozytose aufgenommen haben. Getestet wird auf Apo10, einen antigenen Abschnitt (Epitop) einer Endonuklease, die DNA im finalen Schritt der Apoptose in Fragmente spaltet und bei abnorm proliferierenden Zellen im Nukleus kumulieren soll, als Hinweis auf gehemmte Apoptose, sowie auf TKTL (Transketolase-like protein)1, einen potenziellen Biomarker für aktivierte Zellteilung.
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Jedes zehnte Kind soll Nahrungsergänzungsmittel oder mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel erhalten und fast jeder zweite Erwachsene zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen. Der Umsatz dieser Produkte erreichte 2022 allein in Apotheken 2,9 Milliarden Euro. Der Hang zu Nahrungsergänzungen erscheint jedoch irrational (a-t 2013; 44: 22): Hierzulande gibt es aus ernährungsphysiologischer Sicht keine allgemeine Unterversorgung mit Nährstoffen. Die Produkte sind somit für die meisten Menschen ohne Nutzen.
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Seit 1975 hat sich der Anteil der Menschen mit Adipositas, also einem Body-Mass-Index (BMI) von mindestens 30 kg/m, weltweit verdreifacht. Auch in Deutschland hat die Prävalenz zugenommen. Nach Selbstangaben, in denen die tatsächliche Häufigkeit eher unterschätzt wird, lag hierzulande 2019/2020 bei 35% der Erwachsenen Übergewicht (BMI 25 bis < 30 kg/m) und bei 19% Adipositas vor. Als wesentlicher Treiber der Entwicklung gilt der zunehmend sitzende Lebensstil, vor allem aber das globale Ernährungssystem, mit industrieller Massenproduktion und damit zunehmender Verfügbarkeit kostengünstiger hochverarbeiteter energiedichter Lebensmittel mit hohem Zucker- und Fettanteil. In keinem Land der Welt ist es bislang gelungen, die Adipositas-„Pandemie“ einzudämmen. Wie stark die Gegenkräfte sind, zeigt sich hierzulande nicht zuletzt an dem deutlich abgeschwächten Gesetzentwurf zum Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel zum Schutz von Kindern.
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Vor Beginn klinischer Studien sollen die Endpunkte definiert und transparent im Studienprotokoll festgehalten und die Studien in ein öffentliches Register aufgenommen werden. Diese Schritte reduzieren die Möglichkeit späterer Einflussnahmen auf Ergebnisauswertung und Publikation. Primäre Endpunkte werden allerdings häufig geändert, wenn die Studien bereits laufen. Nach einer Querschnittsstudie aus den USA, in der 755 Krebsstudien erfasst werden, die bis Februar 2020 in ClinicalTrials.gov registriert wurden, ist dies bei etwa jeder fünften (19%) dieser randomisierten Phase-III-Studien der Fall:
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Wiederholt haben Kolleginnen und Kollegen die Rubrik „PHARMA“ des deutschen Ärzteblatts beanstandet, in der kritik- und kommentarlos werbende Firmenmitteilungen veröffentlicht werden (a-t 2009; 40: 82 und 2020; 51: 22). Und wiederholt haben wir deshalb bei den Herausgebern, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesärztekammer (BÄK), nachgefragt, weshalb sie es für erforderlich halten, dort monatealte Pressemitteilungen von pharmazeutischen Anbietern zu verbreiten – insbesondere ohne redaktionelle Stellungnahme.
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Eine Pharma-Vertreterin hat mir ein „Informationsblatt“1 zu Desvenlafaxin (DESVENEURAX) dagelassen. Darin wird es unter anderem beworben mit den Aussagen:
Sind diese Aussagen vor dem Hintergrund der im a-t 2022; 53: 83-4 dargestellten Fakten noch legal oder liegt hier bereits irreführende Werbung vor, die auch gemeldet werden sollte?
N.N. (Name etc. in a-t 7/2023 genannt)
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Neuraxpharm: „DESVENEURAX – Depressionstherapie neu denken, anders verordnen“, undatiert
Unseres Erachtens handelt es sich bei dem „Informationsblatt“ zu Desvenlafaxin (DESVENAURAX; a-t 2022; 53: 83-4) um irreführende Werbung. In der Fachinformation des zur Behandlung einer „Major Depression“ bei Erwachsenen zugelassenen selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmers (SNRI) wird vor sexuellen Funktionsstörungen unter SNRI gewarnt, die ggf. lang anhalten und trotz Absetzen bestehen bleiben können. Erektile Dysfunktion, verzögerte Ejakulation und Ejakulationsschwäche sind dort als häufige Störwirkungen aufgeführt.
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Nach einer am Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführten Auswertung von 14 Studien mit insgesamt 105.000 Teilnehmern soll die tägliche Einnahme von Vitamin D die Krebssterblichkeit verringern. Bislang war mein Stand immer, dass Vitamin D diese Erwartungen nicht erfüllen konnte.
N.N. (Name etc. in a-t 7/2023 genannt)
In der 2018 publizierten VITAL-Studie mit mehr als 25.000 mindestens 50 Jahre alten gesunden Teilnehmern haben täglich 2.000 I.E. Vitamin D im Vergleich zu Plazebo keinen Effekt auf Krebsinzidenz und schwere kardiovaskuläre Ereignisse (primäre Endpunkte) sowie Krebs- und Gesamtsterblichkeit. Bei Ausschluss der ersten 2 von 5,3 Studienjahren ergibt sich in explorativen Analysen im Verumarm jedoch eine nominell signifikant verringerte Krebssterblichkeit. Demgegenüber findet sich in der 2022 publizierten D-Health-Studie mit monatlichem Bolus von 60.000 I.E. Vitamin D und mehr als 21.000 Teilnehmern, in der sich im primären Endpunkt Gesamtmortalität sowie in der kardiovaskulären und Krebssterblichkeit ebenfalls kein Vorteil ergibt, bei Ausschluss der ersten zwei Studienjahre ein nominell signifikanter Anstieg der Krebssterblichkeit unter dem Vitamin (a-t 2022; 53: 36-7). Die beiden Untersuchungen sind zwei der größten der insgesamt 14 doppelblinden plazebokontrollierten randomisierten Studien der Metaanalyse des Deutschen Krebsforschungszentrums zu Vitamin D3, die über einen Zeitraum von 1 bis 7 Jahren durchgeführt wurden und in denen pro Studienarm mindestens ein Krebstod aufgetreten ist.
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Mein letzter Stand zu Febuxostat (ADENURIC, Generika) war die Übersterblichkeit und der darauf folgende Rote-Hand-Brief. Doch jetzt stolpere ich über eine Lancet-Studie, nach der Febuxostat dem Allopurinol hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse nicht unterlegen und nicht mit erhöhter Sterblichkeit assoziiert ist. Was ist da dran?
In Zulassungsstudien ergab sich für den Xanthinoxidasehemmer Febuxostat (ADENURIC, Generika) im Vergleich mit dem älteren Allopurinol (Generika) ein Risikosignal für vermehrte schwere kardiovaskuläre Komplikationen (a-t 2010; 41: 25-7). Sowohl die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA als auch die europäische Arzneimittelagentur EMA haben daraufhin eine kardiovaskuläre Sicherheitsstudie für das Gichtmittel gefordert. In den USA, Mexiko und Kanada wurde seit April 2010 die randomisierte doppelblinde CARES-Studie durchgeführt, in Großbritannien, Schweden und Dänemark seit Dezember 2011 die ebenfalls randomisierte, aber offene FAST-Studie. Die jeweils geprüften Febuxostat-Dosierungen entsprechen den in den USA (CARES: 40 mg bis 80 mg/Tag) bzw. den höheren in Europa (FAST: 80 mg bis 120 mg/Tag) zugelassenen.
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In Deutschland wird nach jahrelang rückläufiger Tendenz wieder deutlich mehr geraucht. Parallel hat sich der Gebrauch von E-Zigaretten (Vapes, Dampfer) bei jungen Erwachsenen und insbesondere Jugendlichen „seit2021 mehr als verdoppelt“, obwohl der Verkauf an Jugendliche seit Jahren verboten ist. Nach US-amerikanischen Erhebungen ist von 2014 bis 2021 das Einstiegsalter für Zigaretten gleich geblieben, bei E-Zigaretten hat es sich hingegen auf Jüngere verschoben. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene sind eine Zielgruppe der Anbieter.
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Süßstoffe* sind zulassungs- und deklarationspflichtige, in üblicher Dosierung kalorienarme oder -freie Zusatzstoffe, die zum Süßen vorgefertigter Lebensmittel oder in flüssiger bzw. Tablettenform als Zuckerersatz verwendet werden. Die elf europaweit zugelassenen Süßstoffe sind 30- bis 30.000-fach süßer als Zucker. Am häufigsten werden AcesulfamK, Aspartam, Cyclamat, Saccharin und Sucralose eingesetzt – in vorgefertigten Lebensmitteln oft auch in Kombination. Sie werden zunehmend häufiger konsumiert: In den USA ist der Anteil der Kinder, die süßstoffhaltige Lebensmittel zu sich nehmen, von 2000 bis 2012 von 8% auf 26%, bei Erwachsenen von 27% auf 42% gestiegen.
*
In der EU werden unter der Funktionsklasse Süßungsmittel Zuckeraustauschstoffe (Polyole wie Sorbitol) von den hier besprochenen Süßstoffen unterschieden.
Nutzen und Risiken der Zuckerersatzstoffe hinsichtlich Gewichtskontrolle und Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen werden kontrovers diskutiert.
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Wie schätzen Sie den Impfstoff HEPLISAV B ein? Als Arbeitsmediziner habe ich Neu-Impflinge, die sich über weniger Spritzen freuen würden, und Non-/Low-Responder, denen ich auch etwas anbieten möchte.
N.N. (Name etc. in a-t 7/2023 genannt)
Der Hepatitis-B-Impfstoff HEPLISAV B ist seit 2021 in der EU zur Immunisierung Erwachsener zugelassen. Er enthält einen neuartigen Wirkverstärker und fällt durch ein im Vergleich zu anderen Hepatitis-B-Vakzinen (ENGERIX-B, HBVAXPRO) kürzeres Impfschema mit lediglich zwei statt drei Dosierungen auf. Einen ersten Antrag auf Zulassung hatte der Hersteller Dynavax 2014 zurückgezogen, nachdem die europäische Arzneimittelagentur EMA angesichts von Verstößen gegen Good Clinical Practice (GCP)-Regeln in einer Studie ernsthafte Zweifel an der Verlässlichkeit der eingereichten Daten geäußert und zudem die Datenbasis als unzureichend für die Bewertung der Sicherheit eingestuft hatte. In den USA, wo HEPLISAV B seit 2017 zugelassen ist, wurde ein erster Antrag ebenfalls aufgrund nicht ausreichender Sicherheitsdaten abgelehnt, und auch im zweiten Verfahren hatten sich die zuständigen klinischen Reviewer der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA dagegen ausgesprochen.
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Seit Anfang 2023 steht mit dem Rho-Kinase (ROCK)-Hemmer Netarsudil (als Fixkombination mit dem Prostaglandinderivat Latanoprost in ROCLANDA Augentropfen) erstmals seit über 25 Jahren ein neues Wirkprinzip zur Senkung des Augeninnendrucks bei Erwachsenen mit primärem Offenwinkelglaukom oder erhöhtem intraokulären Druck zur Verfügung. Zugelassen ist er als Reserve, wenn eine Monotherapie mit Netarsudil (RHOKIINSA, derzeit in Deutschland nicht im Handel) oder einem Prostaglandin allein nicht ausreicht. Gemäß internationalen Leitlinien wird der Zieldruck bei Glaukom und erhöhtem intraokulären Druck individuell abhängig unter anderem von der Progressionsrate der Erkrankung festgelegt und kann im Verlauf angepasst werden. In der Regel wird mit einer medikamentösen Monotherapie gestartet, bei Nichtansprechen oder Unverträglichkeit sollte ein Wechsel auf eine andere Wirkstoffgruppe, bei unzureichender Drucksenkung auch der Zusatz eines weiteren Mittels erfolgen.
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Ich habe eine Frage zu BETADINE BV Vaginalgel: Was halten Sie davon? Gibt es dazu Studien oder gar Metaanalysen?
N.N. (Name etc. in a-t 6/2023 genannt)
Bei BETADINE BV Vaginalgel handelt es sich um ein Medizinprodukt, das zur Behandlung und Vorbeugung einer bakteriellen Vaginose vorgesehen ist. Als Wirkstoff ist Astodrimer deklariert. Das Polymer soll nicht systemisch absorbiert werden und die Anheftung von Bakterien an die Vaginalschleimhaut sowie Bildung von Biofilmen verhindern. Zwei bereits 2012 abgeschlossene, aber erst 2020 gemeinsam publizierte randomisierte doppelblinde Phase-III-Studien liegen zur Therapie der bakteriellen Vaginose vor. 250 bzw. 251 Frauen und Mädchen ab 12 Jahre mit dieser Diagnose, definiert als NUGENT-Score von wenigstens 4 und Vorhandensein der vier AMSEL-Kriterien Ausfluss, vaginaler pH über 4,5, mindestens 20% Clue Cells und Amingeruch bei Zugabe von 10%iger Kalilauge, nehmen teil. Sieben Tage lang wenden sie einmal täglich 5 g 1%iges Astodrimer-Gel oder Plazebo vaginal an.
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Erneut macht uns ein Leser auf ein Rundschreiben der BARMER aufmerksam (vgl. a-t 2016; 47: 96,
2022; 53: 15-6). Im April 2023 informiert die Krankenkasse Ärztinnen und Ärzte über vermeintliche Vorteile von Cariprazin (REAGILA). Das zur Behandlung Erwachsener mit Schizophrenie zugelassene atypische Neuroleptikum sei das „einzige Produkt mit Zusatznutzen in der Schizophrenietherapie“.
Ob ein Zusatznutzen vorliegt, wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) allerdings erst seit 2011 im Rahmen von Nutzenbewertungsverfahren bewertet. Bisher hat er nur Cariprazin und Lurasidon (LATUDA, außer Handel, kein Zusatznutzen) bewertet, nicht aber die bereits vor 2011 zugelassenen und als zweckmäßige Vergleichstherapie herangezogenen Neuroleptika.
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Angesichts der Opioid-Krise in den USA präzisiert die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die Produktinformationen von Opioid-Analgetika, unter anderem mit dem Ziel, die Häufigkeit unnötiger Verordnungen zu reduzieren. Neu – und auch für den europäischen Raum relevant – ist die Warnung vor Opioid-induzierter Hyperalgesie. Diese ist in Betracht zu ziehen, wenn eine Dosiserhöhung von Opioid-Analgetika eine paradoxe Verstärkung der Schmerzen auslöst bzw. Schmerzen abnehmen, sobald die Opioid-Dosis verringert wird.
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Die kanadische Gesundheitsbehörde Health Canada informiert die Fachkreise über das Risiko von Sehnenerkrankungen – Tendinitis, Tenosynovitis und Sehnenruptur – in Verbindung mit Anastrozol (ARIMIDEX, Generika), Exemestan (AROMASIN, Generika) und Letrozol (FEMARA, Generika). Die Aromatasehemmer dienen zur Behandlung von Brustkrebs bei Frauen in der Postmenopause. Die Sicherheitsüberprüfung durch Health Canada wurde durch eine von der europäischen Arzneimittelagentur EMA 2019 erfolgte Aktualisierung der europäischen Fachinformationen von Letrozol ausgelöst, in denen seitdem auf gelegentliche (0,1% bis 1%) Tendinitis und seltene (unter 0,1%) Sehnenruptur als unerwünschte Wirkungen hingewiesen wird.
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2019 hat die europäische Arzneimittelagentur EMA auf der Basis einer EU-weiten Sicherheitsüberprüfung für systemische und inhalative Gyrasehemmer (Fluorchinolone) beträchtliche Anwendungsbeschränkungen formuliert (a-t 2018; 49: 87-8). Dennoch werden – so der europäische Pharmakovigilanzausschuss PRAC 2023 – Gyrasehemmer EU-weit weiterhin außerhalb der zugelassenen Indikationen verordnet. Dies lässt eine aktuelle Analyse der EMA von Verschreibungsraten für Gyrasehemmer der Jahre 2016 bis 2021 in sechs EU-Ländern, darunter Deutschland, erkennen.
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Im Mai wurden die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zur Immunisierung gegen SARS-CoV-2 in den Standard-Impfkalender aufgenommen. Gleichzeitig hat die Kommission ihre Empfehlungen aktualisiert. Für gesunde Kinder und Jugendliche wird aufgrund des sehr geringen Risikos eines schweren Krankheitsverlaufs und einer hohen Seroprävalenz keine Impfung mehr angeraten. Allen Erwachsenen ab 18 Jahren wird eine Basisimmunität empfohlen, bestehend aus drei SARS-CoV-2-Antigenkontakten, davon mindestens zwei in Form einer Impfung und unter Beachtung bestimmter Mindestabstände.
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Die Firma Sanofi stellt die Produktion des Humaninsulins INSUMAN (basal, rapid, comb, jedoch nicht von INSUMAN Infusat) weltweit dauerhaft ein. Vorausgegangen sind seit 2022 Lieferengpässe, die nach Angaben des Anbieters auf Verzögerungen bei der Lieferung von Pen-Komponenten und „Problemen bei der Abfüllung, Montage und Verpackung“ beruhen. Mit der Produktionseinstellung des Humaninsulins will Sanofi die Produktion der häufiger verordneten Insuline der Firma absichern, um „mehr Menschen mit Diabetes zuverlässiger versorgen zu können“. Dies kommt unseres Erachtens dem Versuch der Umsatzsteigerung durch Produktionseinstellung eines offensichtlich weniger lukrativen Präparates gleich.
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Nachdem in den letzten Jahren die Optionen zur Erstlinientherapie der mittelschweren bis schweren Psoriasis Erwachsener um mehrere überwiegend hochwirksame Biologika erweitert wurden (vgl. a-t 2019; 50: 33-6, a-t 2021; 52: 91-2 u.a.), ist mit Deucravacitinib (SOTYKTU) in dieser Indikation seit März 2023 ein Mittel im Handel, das nicht subkutan appliziert, sondern per os eingenommen wird. Der kleinmolekulare Wirkstoff hemmt die Tyrosinkinase (TYK) 2, die zur Familie der Januskinasen gehört.
EIGENSCHAFTEN: Januskinasen (JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2) sind paarweise agierende Enzyme, die Signale von Zytokinen vermitteln. Deucravacitinib hemmt in vitro TYK2 stärker als JAK1-3 und wird daher als TYK2-Hemmer bezeichnet, während z.B. der JAK-Hemmer Tofacitinib vor allem JAK1-3 und weniger TYK2 blockiert. TYK2 überträgt Signale von Interleukin (IL)-12, IL-23 sowie Typ-1-Interferonen, die an Entzündungs- und Immunreaktionen beteiligt sind. Der genaue Wirkmechanismus von Deucravacitinib bei Psoriasis ist nicht bekannt.
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Auf einem von der Pharmaindustrie ausgerichteten Kongress wurde über die LDL-Zielwerte der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) berichtet und wiederholt erklärt, dass eine Vielzahl von Studien die Statintherapie im Rahmen einer primärprophylaktischen Anwendung (also in Abwesenheit einer klinisch manifesten Gefäßerkrankung) belegen würde. Wie beurteilen Sie diese Aussage? Existieren gute Studien zum Problem der LDL-Senkung im Rahmen einer Primärprophylaxe?
N.N. (Name etc. in a-t 6/2023 genannt)
In einer ausführlichen Übersicht sind wir 2004 auf die kardiovaskuläre Primärprävention mit Statinen eingegangen (a-t 2004; 35: 56-60). Damals lagen mit WOSCOP, AFCAPS/TexCAPS, PROSPER, ALLHAT-LLT und ASCOT-LLA fünf große randomisierte Studien (mit Teilnehmerzahlen [n] zwischen 5.800 und 10.360) vor, die Atorvastatin (SORTIS, Generika), Lovastatin (LOVABETA) oder Pravastatin (PRAVA-TEVA u.a.) in niedriger bis moderater Dosierung (vgl. Tabelle in a-t 2023; 54: 26-7) gegenüber Plazebo bzw. Nichtbehandlung prüfen. Es nahmen ausschließlich
oder mindestens zur Hälfte Patienten ohne manifeste atherosklerotische Erkrankung teil. Zudem gab es eine Subgruppenanalyse der HPS-Studie (n = 2.912) mit Simvastatin (ZOCOR, Generika), die Patienten mit Diabetes mellitus, aber ohne bekannte atherosklerotische Erkrankung auswertet. Mit Ausnahme der ALLHAT-LLT-Studie konnte konsistent eine Minderung schwerer koronarer Ereignisse – in der Regel definiert als nichttödlicher Herzinfarkt oder Tod aufgrund koronarer Herzkrankheit – gezeigt werden, der absolute Nutzen ist jedoch mit einer Number Needed to Treat (NNT) von bis zu 300 pro Jahr gering. Ein mortalitätssenkender Effekt ließ sich zudem – anders als in der Sekundärprävention – nicht belegen.
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Der zur Notfallbehandlung schwerer akuter allergischer Reaktionen zugelassene Adrenalin-Autoinjektor EMERADE ist bereits mehrfach durch Fehlfunktionen aufgefallen (vgl. a-t 2018; 49: 70-1, 2019; 50: 87 und e a-t 3/2020c). Nun ist Ende Mai 2023 ein weiterer Rote-Hand-Brief erschienen, demzufolge nach einem Falltest aus einem Meter Höhe „einige“ der getesteten Fertigpens nicht aktiviert werden konnten oder vorzeitig auslösten. Die Häufigkeit des Auftretens könne derzeit nicht genau abgeschätzt werden. Alle EMERADE-Fertigpens werden daher jetzt hierzulande bis auf Patientenebene zurückgerufen. Um die Sicherheit der Patienten nicht zu gefährden, sollen die Pens allerdings erst nach Erhalt eines alternativen Adrenalin-Autoinjektors zurückgegeben werden.
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