VORHOFFLIMMERN: FREQUENZKONTROLLE DER RHYTHMUSKONTROLLE ÜBERLEGEN |
Die optimale Behandlungsstrategie bei älteren Patienten mit chronischem und/oder rezidivierendem Vorhofflimmern ist unklar (a-t 2000; 31: 35-7). Mit initialer Rhythmisierung und anschließender medikamentöser Rezidivprophylaxe wird
eine bessere Symptomkontrolle (Palpitationen, Belastbarkeit, Lebensqualität), Vorbeugung embolischer Insulte und Vermeidung dauerhafter Antikoagulation
angestrebt. Ein dauerhafter Sinusrhythmus lässt sich jedoch selbst mit wirksamsten Antiarrhythmika nur bei ca. 50% länger als ein Jahr aufrecht erhalten.
Die Strategie birgt zudem die Gefahr potenziell lebensbedrohlicher Arzneimittel-Störwirkungen. Wird nur die Kammerfrequenz kontrolliert, scheinen sich
Symptome ebenso gut zu bessern. Das Vorgehen scheint verträglicher und langfristig meist praktikabler zu sein.1 Es erfordert aber eine
antithrombotische Begleittherapie. In einer nordamerikanischen (AFFIRM*)2,3 und einer holländischen (RACE*)4 Studie wird jetzt erstmals
untersucht, ob sich die beiden Behandlungsstrategien im Langzeitverlauf hinsichtlich klinisch harter Endpunkte unterscheiden. In die AFFIRM-Studie werden 4.060 Patienten mit chronischem oder rezidivierendem Vorhofflimmern aufgenommen, die entweder älter als 65 Jahre
sind oder mindestens einen weiteren Risikofaktor für Insulte wie frühere Insulte, Hypertonie oder Herzinsuffizienz haben. In den sechs Monaten vor
Aufnahme muss mindestens sechsstündiges Vorhofflimmern nachgewiesen sein, die letzte Episode darf nicht länger als sechs Wochen
zurückliegen, und es muss
hohe Rezidivgefahr mit Behandlungsbedarf bestehen. Bei 36% der Patienten ist es die erste Episode. Zur Frequenzkontrolle (in Ruhe unter 80/min, bei
Belastung unter 110/min) sind Digoxin (LANICOR u.a.), Betablocker und Verapamil (ISOPTIN u.a.) oder Diltiazem (DILZEM u.a.) allein oder in Kombination erlaubt.
Zur Rhythmuskontrolle können Mittel der Klasse I wie Propafenon (RYTMONORM u.a.), Chinidin (CHINIDIN DURILES u.a.), Flecainid (TAMBOCOR)
u.a., der Klasse III wie Amiodaron (CORDAREX u.a.), Sotalol (SOTALEX u.a.) oder Kombinationen gewählt werden. Permanenter Sinusrhythmus ist nicht das
Hauptziel, Kardioversionen sind auch wiederholt erlaubt. In beiden Gruppen können nicht-medikamentöse Verfahren (Ablation u.ä.) eingesetzt
werden, wenn die Therapieziele nach mehr als zwei Versuchen nicht erreicht sind. Orale Antikoagulation (INR**2-3) ist bei Frequenzkontrolle vorgeschrieben und
wird bei Rhythmuskontrolle empfohlen, so lange der Sinusrhythmus nicht mindestens 12 Wochen lang stabil ist.2,3 Für die Mortalität (primärer Endpunkt) ist mit 25,9% unter Frequenz- und 26,7% unter Rhythmuskontrolle nach durchschnittlich 3,5 Jahren kein
Unterschied nachweisbar (p = 0,08). Bei über 65-Jährigen, Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder ohne Herzinsuffizienz (zuvor definierte Subgruppen)
schneidet die Frequenzkontrolle signifikant besser ab. Dauer des Vorhofflimmerns und Anzahl der Episoden vor Studienbeginn haben keinen Einfluss auf das
Ergebnis. Unter den beiden Strategien kommt es gleich häufig zu Herzstillstand, hypoxischem Hirnschaden, schweren Blutungen, Insult mit bleibender
Behinderung und/oder Tod (kombinierter sekundärer Endpunkt). Insbesondere hinsichtlich ischämischer und hämorrhagischer Insulte ergibt sich kein
Unterschied. Krankenhausaufnahmen (73% vs. 80%) und Störwirkungen (rhythmogene, pulmonale, gastrointestinale und andere) sind unter Frequenzkontrolle
jedoch seltener.2 Klinische Vorteile von Strategien mit dem Ziel, unter Einsatz von Kardioversion und Antiarrhythmika der Klasse I und III Sinusrhythmus wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten, lassen sich nicht belegen. Bei klinisch relevanten Endpunkten ergeben sich deutliche Tendenzen zu Gunsten der Frequenzkontrolle mit Betarezeptorenblockern, Kalziumantagonisten oder Digoxin (LANICOR u.a.), vorwiegend durch deren bessere Verträglichkeit. Besonders ältere sowie Patienten mit koronarer Herzkrankheit und Hypertonie scheinen von alleiniger Frequenzkontrolle zu profitieren. Blutungskomplikationen, Insulte und Progredienz einer Herzinsuffizienz treten unter beiden Strategien ähnlich häufig auf. Unabhängig von der Behandlungstrategie scheint meist eine dauerhaflte Antikoagulation erforderlich. Das optimale Vorgehen für junge herzgesunde Patienten mit erster Flimmerepisode oder anhaltenden Symptomen durch Rhythmusstörung bleibt zu klären.5 |
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