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fsme-impfstoff ticovac - maßnahmen des paul-ehrlich-institut unzureichend, verbot erforderlich
 
FSME-IMPFSTOFF TICOVAC - MASSNAHMEN DES PAUL-EHRLICH-INSTITUT UNZUREICHEND,
VERBOT ERFORDERLICH


Das Paul-EHRLICH-Institut (PEI) hat unzureichend auf die Flut von Unverträglichkeitsreaktionen (a-t 2000; 31: 39 und 55; blitz-a-t vom 30. Mai 2000) nach Gebrauch des FSME-Impfstoffes TICOVAC reagiert (1):

  1. Kinder bis zu drei Jahren dürfen nicht mehr mit TICOVAC geimpft werden.
  2. Bei älteren Kindern bis 15 Jahre muss bei der ersten Immunisierung die Dosis halbiert werden (0,25 ml).
  3. Der Impfstoff darf nur für Impflinge älter als 36 Monate verwendet werden, die sich in einem FSME-Hochrisikogebiet aufhalten.
  4. Sollte das Fieber nach der Impfung über 39 Grad Celsius steigen, wird eine fiebersenkende Behandlung angeraten.

Diese Massnahmen werden nicht greifen, wie die vorliegenden Berichte über Unverträglichkeiten des Impfstoffs zeigen. Neun der im NETZWERK dokumentierten Kinder mit zum Teil drastischem Fieberanstieg über 40 Grad Celsius und anhaltenden Kopfschmerzen, starkem Erbrechen und/oder Gliederschmerzen erhielten bereits die reduzierte TICOVAC-Dosis von 0,25 ml. Die Massnahme schützt somit nicht vor den gravierenden Impffolgen. Dass für die Halbierung der Dosis der Impfstoff tropfenweise abgezählt werden oder nach jüngster Empfehlung durch Vergleich der Spritze mit einer Schablone aus der Packungsbeilage ermittelt werden soll (1), erscheint angesichts heutiger Anforderungen an die Dosierungsgenauigkeit von Arzneimitteln vorsintflutlich und grotesk (a-t 2000; 31: 39).

Seit Markteinführung von TICOVAC vor fünf Monaten liegen uns Meldungen über 83 Patienten vor - 27 (33%) betreffen Kinder, 56 (67%) Erwachsene -, die mit Fieber (n=52), Schüttelfrost (n=32), Kopfschmerzen (n=43) und Gliederschmerzen (n=14) auf die Impfung reagieren.

Die Schwere der Reaktion charakterisiert der Bericht über ein Ehepaar, das nach Impfung der elfjährigen Tochter mit TICOVAC ein "furchtbares Wochenende" erlebt. Das Mädchen fantasiert mit Schüttelfrost und Fieber um 40 Grad Celsius und ist gangunsicher und geschwächt. Die Impfung erfolgte mit TICOVAC, weil der Alternativimpfstoff ENCEPUR, mit dem sich die Eltern komplikationslos impfen liessen, erst für Kinder ab vollendetem zwölften Lebensjahr zugelassen ist (NETZWERK-Bericht 10.649).

Der Rat des PEI zur fiebersenkenden Behandlung bei Temperaturen über 39 Grad Celsius ist keine Schadensvermeidung und entspricht nicht den Grundprinzipien des vorbeugenden Verbraucherschutz.

Die einzige logische Konsequenz ist, den unkontrollierten Feldversuch abzubrechen und TICOVAC schleunigst vom Markt zu nehmen. Bei dem unzureichend geprüften und schädlichen Nachfolgeimpfstoff von FSME-IMMUN ist selbst nach Einschätzung des PEI die Zahl der gemeldeten starken Fieberreaktionen nach der ersten Immunisierung "ungewöhnlich hoch" (1). Wenn jetzt angesichts des eingetretenen Desasters erst "Dosisoptimierungsstudien" geplant (a-t 2000; 31: 55) werden, ist das ein Skandal.

TICOVAC bietet keinen besseren Impfschutz als das Konkurrenzprodukt ENCEPUR. Es ist aber beträchtlich schlechter verträglich. Somit sehen wir für die Impfung von Erwachsenen mit TICOVAC keine Rechtfertigung mehr.

Das PEI behauptet, dass TICOVAC "trotz der ungewöhnlich hohen Zahl von Nebenwirkungsmeldungen" erforderlich sei, weil es keinen anderen für Kinder zugelassenen Impfstoff gibt (1). Diese Einschätzung berücksichtigt nicht die Seltenheit einer gravierenden FSME-Erkrankung. Deren Schwere ist zudem altersabhängig (2). Weil "die FSME im Kindesalter generell gutartiger verläuft", wurde die Impfung erst schrittweise auf Kinder ausgedehnt (3). Dabei beruht der Wirksamkeitsnachweis nicht auf kontrollierten Studien, in denen Komplikations- und Erkrankungsraten von Geimpften und Nichtgeimpften verglichen werden, sondern allein auf dem Surrogatkriterium Titeranstieg (4). Angeblich sei eine Vergleichsstudie zwischen Impfstoff und Plazebo unethisch. Wir erachten die Empfehlung zur Impfung von Kindern mit diesem risikoreichen Impfstoff für mindestens ebenso unethisch. Um ein extrem seltenes Ereignis mit einer infektionsbedingten bleibenden Schädigung beim Kind zu verhindern, akzeptiert das PEI regelmässig auftretende, zum Teil Tage anhaltende gravierende Impfreaktionen. Da stimmt die Nutzen-Schaden-Bilanz nicht. Diese erachten wir für TICOVAC eindeutig als negativ.

(1) Paul-EHRLICH-Institut: Pressemitteilung vom 21. Juni 2000
(2) Deutsches Grünes Kreuz (Hrsg.): "Krankheitsüberträger Zecke", 1. Aufl. 1997, Verlag im Kilian, Marburg
(3) SPORK, E., SPORK, D.: päd.prax. 2000; 57: 613-7
(4) DEMICHELI, V. et al.: "Vaccines for preventing tick-borne encephalitis", Cochrane Library 2000, Issue 1

 
© Redaktion arznei-telegramm
blitz-a-t 21. Juni 2000

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