Akute Pankreatitis - parenterale Ernährung ohne Vorteil: Bis vor kurzem galt die Ruhigstellung des Darms - mit oder ohne parenterale
Ernährung - als Standard in der Behandlung der akuten Pankreatitis. Es wurde befürchtet, dass die Stimulation der Bauchspeicheldrüse durch orale
oder enterale Ernährung den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflusst. Aus Tierversuchen weiß man inzwischen aber, dass unter parenteraler
Ernährung das lymphatische Gewebe des Darms (Gut Associated Lymphoid Tissue, GALT) atrophiert und die Immunabwehr geschwächt wird. Ob die
Bauchspeicheldrüse angeregt wird, hängt offenbar auch davon ab, an welcher Stelle des Magen-Darm-Trakts die Nährstoffe zugeführt werden.
Nach mehreren randomisierten klinischen Studien scheint die enterale Ernährung bei akuter Pankreatitis nicht nur sicher zu sein, sondern auch vorteilhaft
für die Patienten. Für definitive Aussagen sind die bisherigen Arbeiten aber zu klein. In einer systematischen Übersicht werten US-amerikanische
Autoren jetzt die vorliegenden randomisierten und pseudorandomisierten Studien mit insgesamt 263 stationär behandelten Patienten, die an akuter Pankreatitis
erkrankt sind, gemeinsam aus. Die Studien prüfen den Einfluss der Ernährungsform auf die Rate der Infektionen oder nicht infektiösen
Komplikationen und operativen Eingriffe, die Dauer des Krankenhausaufenthaltes sowie die Sterblichkeit. Die Patienten werden entweder parenteral oder über
eine im Jejunum platzierte Nasensonde enteral ernährt. Das Infektionsrisiko sinkt unter enteraler Ernährung signifikant (relatives Risiko [RR] 0,45; 95%
Vertrauensintervall [CI] 0,26-0,78). Die Häufigkeit operativer Eingriffe (RR 0,48; 95% CI 0,23-0,99) und Dauer des Krankenhausaufenthaltes (Reduktion um
durchschnittlich 2,9 Tage; 95% CI 1,6-4,3 Tage) nehmen ebenfalls ab. Nicht infektiöse Komplikationen (RR 0,61; 95% CI 0,31-1,22) und Sterblichkeit (RR 0,66;
95% CI 0,32-1,37) unterscheiden sich nicht signifikant (MARIK, P.E., ZALOGA, G.P.: BMJ 2004; 328: 1407/ati d). Die methodischen Schwächen der Studien
schränken die Aussagekraft der Metaanalyse jedoch erheblich ein. Zwei Studien, darunter die größte mit 89 Patienten, verwenden ein
verzerrungsanfälliges Pseudorandomisierungsverfahren auf der Basis des Geburtstages oder der Krankenhausnummer. Eine ausreichend große,
methodisch einwandfreie randomisierte Studie zu der Fragestellung ist jetzt erforderlich. Da umgekehrt auch ein Vorteil der parenteralen Ernährung nicht belegt
ist, wird für die klinische Praxis inzwischen die enterale Ernährung empfohlen, wenn bei akuter Pankreatitis eine Ernährungstherapie erforderlich ist
(Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin: Leitlinie Enterale Ernährung: Gastroenterologie; Stand Januar 2003).
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