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vorsicht: chininanaloge malariamittel bei bestehendem tinnitus meiden
 
VORSICHT: CHININANALOGE MALARIAMITTEL BEI BESTEHENDEM TINNITUS MEIDEN

In der Mitteilung "Chinin-haltige Getränke sind nicht für Schwangere" (1) rät das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auch Patienten mit Tinnitus ab, Chinin-haltige Durstlöscher (Tonics, bittere Zitronenlimonaden) zu trinken. Diese können bis zu 85 mg Chinin pro Liter enthalten. Chininunverträglichkeit, die bei Überempfindlichkeit bereits nach kleinen Chininmengen auftreten kann, macht sich vor allem durch Tinnitus, Sehstörungen, Verwirrtheit sowie Hautblutungen und Blutergüsse bemerkbar. Chinin ist dann strikt zu meiden. Die Anzeichen der Unverträglichkeit sind jedoch - so das BfR - "in der Bevölkerung zu wenig bekannt", sodass bei den Getränken "weitergehende Hinweise für Risikogruppen" erforderlich seien (1,2). Werden die Risikoinformationen bei Chinin-haltigen Getränken realisiert, könnten diese präziser als bei Arzneimitteln sein, die vom Chinin abgeleitete Wirkstoffe enthalten.

In den Fachinformationen des Chinin-haltigen Malariamittels CHININUM HYDROCHLORICUM (3) und des gegen Wadenkrämpfe angebotenen Chininsulfat-haltigen LIMPTAR N (4) sind Ohrgeräusche als Störwirkungen und als Gegenanzeige deklariert. In den Fachinformationen der Chininanaloga Chloroquin (RESOCHIN u.a.) (5), Hydroxychloroquin (QUENSYL) (6) und Mefloquin (LARIAM) (7) wird Tinnitus lediglich als Nebenwirkung erwähnt, nicht jedoch als Gegenanzeige. Veröffentlichte Erfahrungen über die Anwendung von Chininanaloga bei bestehendem Tinnitus finden wir nicht. Verschlechterung bestehender Ohrgeräusche durch die Malariaprophylaxe lässt sich aber nicht ausschließen (8). Die US-amerikanische Produktinformation von Chloroquin warnt vor der Verwendung bei bestehender Schädigung des Gehörs (9).

Ein unter der Malariaprophylaxe mit Mefloquin (Halbwertszeit mehr als drei Wochen) aufgetretener Tinnitus kann nach Absetzen anhalten (10,11). Im NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION berichtet uns eine HNO-Ärztin über eine 25-jährige Frau, die nach dreimonatiger Malariaprophylaxe mit Mefloquin unter Tinnitus und Hörminderung leidet, die zum Berichtszeitpunkt sechs Wochen später fortbestehen (NETZWERK-Bericht 10.319). Nach Wechsel von Mefloquin auf Chloroquin wegen Unverträglichkeit sind Verschlechterung und anhaltende Beeinträchtigung beschrieben. Die Autoren einer Kasuistik raten daher, nicht auf andere Chininanaloga, etwa auf ein Chloroquin-enthaltendes Prophylaxeregime umzustellen, wenn sich unter Mefloquin neuropsychiatrische Störwirkungen (a-t 2002; 33: 89-90) oder andere schwerwiegende Nebenwirkungen wie Tinnitus entwickelt haben (10).

Unter Berücksichtigung von Reiseziel und -dauer sowie der Resistenzsituation kommen bei Patienten mit Tinnitus oder bei Auftreten von Ohrgeräuschen unter der Malariaprophylaxe mit Chininanaloga alternativ die Kombination Atovaquon plus Proguanil (MALARONE; Prophylaxe auf Aufenthalt von 28 Tagen begrenzt; sehr teuer) oder das Tetrazyklin Doxycyclin (DOXY ABZ u.a.; Achtung: keine zugelassene Indikation, Fototoxizität) in Frage (Näheres hierzu beispielsweise in den soeben aktualisierten Empfehlungen zur Malariaprophylaxe der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit e.V.: http://dtg.org). Für Atovaquon plus Proguanil sowie für Doxycyclin finden wir keine Hinweise auf Tinnitus als unerwünschte Wirkung.


1

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): "Chinin-haltige Getränke sind nichts für Schwangere!", Pressemitteilung 17/2005, 7. Juni 2005

2

BfR: "Chininhaltige Getränke können gesundheitlich problematisch sein"; Gesundheitliche Bewertung Nr. 022/2005 des BfR vom 17. Febr. 2005; im Internet unter http://www.bfr.bund.de über A-Z-Index, unter C: Stichwort Chinin

3

MERCK dura: Fachinformation CHININUM HYDROCHLORICUM 0,25 g, Stand Juli 2001

4

cassella med: Fachinformation LIMPTAR N, Stand Mai 2001

5

Bayer: Fachinformation RESOCHIN/RESOCHIN JUNIOR, Stand Sept. 2004

6

sanofi-synthelabo: Fachinformation QUENSYL, Stand Juni 2002

7

Roche: Fachinformation LARIAM, Stand Jan. 2003

8

MAZZOLA, R.: Tinnitus-Forum 2002; Nr. 2: 8-10

9

Eintrag ARALEN (Chloroquinphosphat) in Physicians' Desk Reference 2004, Thompson PDR, Montvale (USA), Seite 3010-1

10

LYSACK, J.T. et al.: Australian Family Physician 1998; 27: 1119-20

11

FUSETTI, M. et al.: Clin. Ter. 1999; 150: 379-82



© Redaktion arznei-telegramm
blitz-a-t 11. Juli 2005

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