TOPISCHE ANTIMYKOTIKUM-KORTIKOID-KOMBINATIONEN BEI HAUTMYKOSEN?
Offensichtlich werden topische Antimykotikum-Kombinationen (Kortikoid plus Antimykotikum) aktuell positiv bewertet, da synergistische Effekte genutzt werden. Was halten Sie davon?
Dr. H. FEHRMANN (Apothekerin)
D-99423 Weimar
Interessenkonflikt: keiner
Etablierte medikamentöse Behandlung oberflächlicher, durch Dermatophyten verursachter Pilzinfektionen der Haut ist die Anwendung topischer Antimykotika wie Clotrimazol (CANESTEN, Generika) oder Terbinafin (LAMISIL, Generika), abhängig von der Lokalisation zwei bis vier Wochen lang. Angewendet werden jedoch neben häufig verordneten Individualrezepten auch Fertigarzneimittel mit topischen Fixkombinationen aus Antimykotikum und Glukokortikoiden – von niedrigpotenten wie Hydrokortison (in BAYCUTEN HC Creme u.a.) bis stark wirkenden Derivaten wie Betamethason (in LOTRICOMB).
Tatsächlich sind in den letzten Jahren vereinzelt Stellungnahmen erschienen, in denen eine Kombinationsbehandlung propagiert wird: In einem 2008 von der Firma Intendis, Hersteller der Antimykotikum-Glukokortikoid-Kombination TRAVOCORT (Isoconazol plus Diflucortolon), publizierten Beitrag1 wird als Vorteil die schnellere Linderung von Juckreiz und Brennen aufgrund der antiinflammatorischen Wirkung der Glukokortikoide angeführt, während es zu Beginn einer alleinigen antimykotischen Behandlung zu einer vorübergehenden Verstärkung der lokalen Symptome kommen könne. Zudem wird eine verlängerte Wirkung des in der Kombination enthaltenen Antimykotikums postuliert, da dieses durch gefäßverengende Eigenschaften des Kortikoids länger in der Haut verbleibe. Als Beleg für diese Behauptung wird jedoch lediglich ein offensichtlich nicht publizierter und daher nicht überprüfbarer Kongressbeitrag aus dem Jahr 1984 aufgeführt. Ob der behauptete „synergistische” Effekt real und von Bedeutung ist, bleibt unklar.
Die Argumente werden aktuell in einem zertifizierten Beitrag zur Fortbildung der Landesärztekammer Baden Württemberg aufgegriffen,2 in dem die Kombinationstherapie bei stark entzündlichen Mykosen sogar zum Verfahren der Wahl erhoben wird. Als klinischer Vorteil wird vor allem eine Verkürzung der Zeit bis zur Linderung lokaler Symptome um durchschnittlich 1,5 bis 2 Tage angegeben. Als Belege dienen wenige, zum Teil 30 Jahre alte Studien.1-5 Bei insgesamt sehr geringer und qualitativ schlechter Datenlage lassen andere Arbeiten jedoch keinen Vorteil für die Kombinationsbehandlung z.B. gegenüber einer Monotherapie mit Naftifin (EXODERIL), wie Terbinafin ein Allylamin, erkennen.6-8 Vergleiche der Kombinationsbehandlung mit etablierten Standardmitteln wie Clotrimazol oder Terbinafin finden wir nicht.
Darüber hinaus ist in seltenen Fällen mit zum Teil gravierenden Störwirkungen zu rechnen, die von den Befürwortern der Kombinationsbehandlung1,2 gerne verschwiegen werden: anhaltendes Therapieversagen, rezidivierende Mykosen, Maskierung klinischer Symptome ohne Ausheilung („Tinea incognito”), Invasion der Pilzerreger in tiefere Hautschichten mit zum Teil schwerem Krankheitsverlauf, Hautatrophie und Striae.9-12 Oft, aber nicht ausschließlich, sind (Klein-)Kinder betroffen. Neben den steroidimmanenten Störwirkungen (z.B. Verringerung der lokalen Abwehr) können hierbei potenzielle Interaktionen zwischen Antimykotikum und Kortikosteroid eine Rolle spielen (Reduzierung der antimykotischen Aktivität durch kortikoidinduzierten Schutz der Pilz-Zellmembran).9
Die zuständige Fachgesellschaft scheint keine Notwendigkeit für die Kombinationsbehandlung zu sehen: In der 2008 veröffentlichten (S1)-Leitlinie13 der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft wird die Kombinationstherapie als Therapieoption noch nicht einmal erwähnt.
Vorteile einer kombinierten topischen Therapie mit Antimykotikum plus Glukokortikoid gegenüber der alleinigen antimykotischen Lokaltherapie sind nicht gesichert.
Aufgrund der mit der Kortikoidanwendung verbundenen Risiken raten wir von der Kombinationsbehandlung ab.
(R =randomisierte Studie) | |
1 | HAVLICKOVA, B., FRIEDRICH, M.: Mycoses 2008; 51 (Suppl. 4): 16-26t |
2 | MAYSER, P.: Topische Kombinationstherapie bei entzündlichen Mykosen, April 2011; http://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/20fortbildung/20 praxis/80dermatologie/1104.pdf |
R 3 | WEITGASSER, H. et al.: Mykosen 1979; 22:177-83 |
R 4 | NOLTING, S., LANGEN, M.L.: Mykosen 1980; 23: 699-706 |
R 5 | NOLTING, S., ROGALLA, K.: Int. J. Dermatol. 1995; 34: 125-8 |
R 6 | NADA, M. et al.: Int. J. Dermatol. 1994; 33: 570-2 |
R 7 | SMITH, E.B. et al.: J. Am. Acad. Dermatol. 1992; 26: 125-7 |
R 8 | TRONNIER, H.: Mykosen 1987; 30: 78-87 |
9 | ERBAGCI, Z.: Am. J. Clin. Dermatol. 2004; 5: 375-85 |
10 | GREENBERG, H.L. et al.: Pediatr. Dermatol. 2002; 19: 78-81 |
11 | BARKEY, W.F.: J. Am. Acad. Dermatol. 1987; 17: 518-9 |
12 | OKLOTA, C.A., BRODELL, R.T.: Postgrad. Med. 2004; 116: 65-6 |
13 | Deutsche Dermatologische Gesellschaft und Deutschsprachige Mykologische Gesellschaft: Tinea der freien Haut, Stand Okt. 2008 http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-002.html |
© 2012 arznei-telegramm, publiziert am 13. Januar 2012
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