logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2014; 45: 55nächster Artikel
Kurz und bündig

Gesundheits-Apps können Risiken bergen

Weltweit sollen etwa 100.0001 bis 200.0002 gesundheitsbezogene Apps in iOS- und Android-Stores erhältlich sein, geschätzt ein Zehntel davon in deutscher Sprache. Neben eher unbedenklichen Angeboten wie Kalorienzähler, GPS-basierte Lauf- und Fitness-Apps oder solchen, die das Leben von Diabetikern mit Tagebuch und Statistiken vereinfachen sollen wie die DiabetesPlus-Typ-2-App („mit freundlicher Unterstützung von MSD”), gibt es auch Apps mit Gefährdungspotenzial, die medizinische Behandlungen beeinflussen können. So berechnen Apps beispielsweise den aktuell benötigten Insulinbolus oder die Dosierung anderer Arzneimittel. Allgemeingültige Regeln für die inhaltliche Qualität von Apps fehlen jedoch, oft auch Angaben, wer für die Funktionalität verantwortlich ist. Bislang sind qualitätsbedingte Rückrufe von Apps selten. Bereits 2011 hat Pfizer den „Pfizer Rheumatology Calculator” zurückgezogen, weil dieser einen der berücksichtigten Scores fehlerhaft berechnete.3 Der zur Teva-Gruppe gehörende Schweizer Pharmaanbieter Mepha ruft aktuell die erst seit zwei Wochen in App-Stores angebotene „MEPHA-APP HCP für Fachpersonen” zurück, mit der die Dosis peroraler Antibiotikasuspensionen der Firma berechnet werden sollte. Die Kalkulation der Dosierstärken habe sich „in gewissen Fällen” als fehlerhaft erwiesen.4 Die App war zudem nicht – wie eigentlich erforderlich – als Medizinprodukt zertifiziert.5 Da fehlerhafte Apps, beispielsweise solche, die die Dosierung von Arzneimitteln beeinflussen, für Patienten gefährlich sein können, sieht die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA vor, gesundheitsbezogene Apps mit Risikopotenzial zu überprüfen.6 Bei dem dezentralen Verfahren zur Zertifizierung von Medizinprodukten in Europa durch „benannte Stellen” (vgl. a-t 2012; 43: 89-90) fehlt allerdings jeglicher Überblick, wie viele und welche Apps als Medizinprodukt zertifiziert sind. Eine effektive zentrale Behörde für Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten ist in Europa derzeit weder für Gesundheits-Apps mit Gefährdungspotenzial noch für andere Risikomedizinprodukte wie Implantate politisch erwünscht, erscheint uns jedoch dringend erforderlich. App-Nutzer sollten derzeit selbst prüfen, ob zumindest grundlegende Anforderungen erfüllt werden, beispielsweise ob Hersteller und Verantwortliche genannt werden (Impressum), auf bekannte oder behobene Störungen hingewiesen wird und ggf. auch, ob Angaben zum Datenschutz vorhanden sind.2

1 test 11/2013: 84-8
2 Zentrum für Telematik unf Telemedizin GmbH: Gesundheits-Apps: Genau hingucken lohnt sich! Pressemitteilung vom 13. Nov. 2013 http://www.a-turl.de/?k=tams
3 Pfizer: Ärzteanschreiben, Nov. 2011; http://www.a-turl.de/?k=anzi
4 Mepha Pharma AG (Schweiz): Rückruf der Mepha-App HCP für Fachpersonen, Schreiben vom 16. Apr. 2014; über: http://www.a-turl.de/?k=enzk
5 Dr. M. LUTHER, Mepha Pharma GmbH, tel. Auskunft vom 2. Mai 2014
6 FDA u.a.: Guidance for Industry and Food und Drug Administration Staff, 25. Sept. 2013; http://www.a-turl.de/?k=hnsb

© 2014 arznei-telegramm, publiziert am 9. Mai 2014

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.