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Kurz und bündig

Beispiel topisches Diclofenac – Umweltbelastung durch Arzneimittel reduzieren

Jährlich werden in Deutschland nach Daten des Umweltbundesamtes mehr als 30.000 Tonnen meist synthetisch hergestellter biologisch aktiver Wirkstoffe in der Humanmedizin verwendet. Viele dieser Arzneimittel werden nach der Körperpassage zu einem hohen Prozentsatz unverändert ausgeschieden, gelangen in Umwelt und Nahrungskette und können bei Fischen, Vögeln und anderen „Nichtzielorganismen“ Effekte auslösen, die zum Teil den in der Humanmedizin bekannten unerwünschten Wirkungen entsprechen.1 Wie empfindlich bestimmte Vögel auf das nichtsteroidale Antirheumatikum (NSAR) Diclofenac (VOLTAREN, Generika) reagieren, ist vor rund 25 Jahren z.B. in Spanien durch ein Massensterben von Geiern an Nierenversagen aufgefallen. Sie hatten Fleisch von Rindern verzehrt, die zuvor mit Diclofenac behandelt worden waren.* Auch andere Greifvögel sowie Eulen, Kraniche, Störche u.a. sind gefährdet.2 Der Gesamtverbrauch von Diclofenac sinkt hierzulande seit Jahren zwar langsam, aber kontinuierlich (von 89 t 2011 auf 78 t 2021). Er hat sich inzwischen jedoch überwiegend auf rezeptfreie topische Anwendungen des NSAR verlagert, die sich im gleichen Zeitraum fast verdoppelt haben (von 26 t auf 51 t).1 In manchen europäischen Oberflächengewässern werden inzwischen Diclofenac-Konzentrationen von 4 µg/l gemessen. Diese Werte liegen über dem Zehnfachen der Wirkstoffmenge, die für Tiere und Pflanzen als schädlich erachtet wird.1 Zudem kann Diclofenac in der Galle und anderen Organen von Fischen kumulieren und mehr als 500-fach höhere Konzentrationen als in Gewässern erreichen.3 Laut Fachinformation4 wird topisches Diclofenac aus den häufig verwendeten Gelzubereitungen lediglich zu 6% perkutan absorbiert. Somit gerät die Hauptmenge, ohne je in den Körper gelangt zu sein, durch Waschen der Hände nach dem Auftragen, durch Duschen oder über die Wäsche in das Abwasser. Die in Deutschland existierenden dreistufigen Kläranlagen entfernen jedoch nur 10% bis 50% des NSAR aus dem Abwasser. Anwendende könnten dazu beitragen, den Eintrag in das Wasser zu verringern, indem sie die Hände vor dem Waschen mit einem Papierhandtuch abwischen. So lässt sich – penibles Abwischen vorausgesetzt** – nach einer Untersuchung die Diclofenacmenge, die nach Auftragen des Externums auf den Händen verbleibt und in das Abwasser gelangen würde, um zwei Drittel reduzieren.5 Die verwendeten Papierhandtücher werden mit dem Hausmüll entsorgt, der in den meisten Gemeinden verbrannt wird. In den von uns überprüften Fachinformationen von Diclofenac-Externa4 findet sich kein Hinweis auf die umweltentlastende Maßnahme – auch nicht beim Original VOLTAREN, obwohl zwei der Autoren der Studie Mitarbeiter des Anbieters GSK sind.5 Zusätzlich zu der recht umständlichen Abwischprozedur halten wir es für ratsam, die Anwendung des Externums einzuschränken und zumindest bei banalen Beschwerden auf die viel beworbene Selbstmedikation zu verzichten. Generell sollte in Produktinformationen routinemäßig über die bekannte oder gegebenenfalls ungeklärte Umweltschädlichkeit des jeweiligen Arzneimittels hingewiesen werden müssen, –Red.

*In Deutschland ist Diclofenac nicht als Tierarzneimittel zugelassen.1
**Jeweils nach Abreiben der Handinnenfläche, des Handrückens, der Finger und der Fingerzwischenräume sollte das Papiertuch in der Mitte so gefaltet werden, dass das abgewischte Externum nicht auf den nächsten abzuwischenden Handbereich übertragen werden kann.
1MAACK, G.: UMID (Umwelt und Mensch – Informationsdienst) 2023; Nr. 1: 5-14; https://a-turl.de/jasq
2CUTHBERT, R. et al.: Biol. Letters 2007; 3: 90-3
3MEHINTO, A.C. et al.: Environmental Science Technol. 2010; 44: 2176-82
4z.B. GSK: Fachinformation VOLTAREN Emulgel 1,16% Gel, Stand Juni 2022
5BIELFELDT, S. et al.: Chemosphere 2022; 292: 133350 (4 Seiten)

© 2023 arznei-telegramm, publiziert am 15. Dezember 2023

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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