Das zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose eingeführte i.v.-Hypnotikum Propofol (DISOPRIVAN) besitzt keine Strukturverwandtschaften
mit bewährten Mitteln wie Thiopental (TRAPANAL u.a.). Weil es als Phenolderivat in Wasser nahezu unlöslich ist, wird Propofol in einer Emulsion aus
Sojaöl und Eiphosphatid angeboten. Auf eine ältere Formulierung mit dem Hilfsstoff Cremophor EL wurde wegen des erhöhten Risikos
pseudoallergischer Reaktionen einschließlich Schock verzichtet. Nach Herstellerangaben ist Propofol "gut steuerbar und zeichnet sich durch geringe
Nebenwirkungen aus".1
Die hypnotische Wirkung setzt rasch ein, meist innerhalb 30-50 Sekunden nach Beginn der Dosistitration mit jeweils 20-40 mg alle 10 Sekunden. Die kurze
Wirkdauer von drei bis fünf Minuten beruht hauptsächlich auf rascher Umverteilung aus dem Zentralnervensystem in andere Gewebe sowie auf raschem
Abbau. Die terminale Eliminationshalbwertszeit liegt normalerweise im Bereich von drei bis acht Stunden, kann jedoch bei älteren Patienten und nach
längerer Infusion verlängert sein.2
Die Qualität der Narkoseeinleitung ohne ausgeprägte exzitatorische Effekte entspricht mehr der Einleitung mit Thiopental als der mit Methohexital
(BREVIMYTAL) oder Etomidat (HYPNOMIDATE).3 Die Patienten wachen rascher und mit weniger Beschwerden aus der Narkose auf.2 Allerdings
ist zu berücksichtigen, daß sie nach Mehrfachgabe das Bewußtsein erst nach einer Stunde oder später wiedererlangen oder es nach
anfänglichem Erwachen wieder verlieren können4 (vgl. a-t 5 [1989], 51).
40 Minuten nach ambulanten gynäkologischen Eingriffen erholten sich die Patientinnen nach Verwendung von Propofol besser und litten weniger unter Ataxie
als nach Methohexital. 60 Minuten postoperativ bestand kein Unterschied mehr. Während unter Thiopental die psychomotorischen Funktionen erst nach 60
Minuten wiederhergestellt waren, normalisierten sie sich unter Propofol bereits nach 30 Minuten.
Patienten, die zuvor bei anderer Gelegenheit ein älteres Anästhetikum erhielten, ziehen Propofol als angenehmere Alternative vor. Einige
Anästhesisten vermuten für Propofol stimmungshebende Eigenschaften. Zur Klärung dieses Phänomens fehlen kontrollierte
Studien.4
Dosisabhängige Störwirkungen sind Atemdepression, einschließlich Apnoe, bisweilen bedrohliche Bradykardie sowie Myokarddepression.
Stärker als bei anderen Injektionsanästhetika fällt der Blutdruck ab, bei alten Patienten um mehr als 40 mmHg. Wegen des Risikos
anaphylaktischer Reaktionen, schwerer Bronchospasmen und Herzstillstand, ist bei Anwendung Notfallbereitschaft erforderlich.
Schmerzen an der Injektionsstelle treten bei etwa einem Drittel der Patienten auf. Durch Injektion in große Venen oder durch Vorinjektion von Lidokain
(XYLOCAIN u.a.) unmittelbar vor der Injektion des Anästhetikums läßt sich dies vermindern.5 Die Propofol-Emulsion darf nach
Herstellerangaben nicht mit anderen Injektionslösungen gemischt werden. Übelkeit und Erbrechen kommen offenbar unter Propofol seltener vor als nach
Anwendung von Methohexital oder Etomidat.4 Vorsicht empfiehlt sich bei bestehender Epilepsie. Nahezu jede dritte von 37 Meldungen epileptischer
Anfälle in Verbindung mit Propofol betrifft Epileptiker (vgl. a-t 5 [1989], 51).
FAZIT: Das kurzwirkende i.v.-Hypnotikum Propofol (DISOPRIVAN) eignet sich zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose. Vor allem schnelles und
vergleichsweise angenehmes Wiedererlangen des Bewußtseins ist ein Pluspunkt. Eine Stunde nach dem Eingriff besteht kein Unterschied mehr zu
bewährten Injektionsnarkotika und so rasch sollten Patienten nach ambulanten Eingriffen nicht aus ärztlicher Obhut entlassen werden. Schmerzen
bei der Injektion und unerwünschte kardiovaskuläre Effekte begrenzen bisweilen die Anwendung der vergleichsweise teuren Neuerung.
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