"Es erscheint schwierig, die Entwicklung von zahllosen ACE-Hemmern mit praktisch derselben Wirkungsweise und nur geringen Unterschieden zu
rechtfertigen" so ein Editorial im Lancet 1989 über ACE-Hemmer: "Das Rinnsal wird zur Flut."1 Mindestens 650.000 Patienten
wurden 1989 in Deutschland mit ACE-Hemmer-haltigen Präparaten behandelt. Obwohl diese die teuersten Hochdruckmittel sind, werden sie als einzige Gruppe
mit +30% deutlich häufiger verordnet.2
Im Oktober 1990 führte die Hoechst AG in Deutschland mit Ramipril (DELIX, im Ausland TRITACE/TRIATEC) den fünften ACE-Hemmer ein mit dem
Slogan: "Behutsamer kann der Therapiebeginn mit einem ACE-Hemmer kaum werden."3
WIRKUNGEN: Ramipril wird ähnlich wie das strukturverwandte Enalapril (PRES, XANEF) erst in der Leber zum Wirkprinzip Ramiprilat aktiviert. Ramipril
hemmt das Angiotensin-Konversionsenzym kompetitiv, reversibel und stärker als Enalapril. Der stabile Enzym/Inhibitor-Komplex dissoziiert nur langsam, so
daß eine deutliche ACE-Hemmung nach einer Einzeldosis bis zu 48 Stunden nachweisbar ist. Nach Gaben von 2,5-20 mg nehmen diastolischer und systolischer
Blutdruck dosisabhängig um 10-25% ab. Der drucksenkende Effekt ist nach 4 Stunden maximal. Eine 24 Stunden anhaltende blutdrucksenkende Wirkung
wurde mit kontinuierlicher Blutdruckmessung nachgewiesen. Der renale Blutfluß nimmt um ca. 25% zu, glomeruläre Filtration und Herzfrequenz ändern
sich nicht.4
EIGENSCHAFTEN: Ramipril wird nach Einnahme per os unabhängig von der Nahrungsaufnahme zu 56% absorbiert. Die Aktivierung zu Ramiprilat in
der Leber verläuft dosislinear zum eingenommenen Ramipril. Ramipril ist zu 73%, Ramiprilat zu 56% an Plasmaeiweiß gebunden. Die Ausscheidung erfolgt
größtenteils als Ramiprilat und dessen inaktive Metaboliten über die Nieren. Sie ist polyphasisch. Nach einer schnellen Phase (Halbwertszeit [HWZ]:
1,5-4,5 Stunden) beträgt die terminale HWZ ca. 110 Stunden und spiegelt die Bindung der Substanz am Enzym wider. Die effektive Halbwertszeit nach
Mehrfachgabe beträgt ca. 13-17 Stunden. Ramipril und Ramiprilat sind kaum dialysabel oder plazentagängig (unter 1%). In der Muttermilch finden sich nur
Spuren (unter 0,25%).4
WIRKSAMKEIT: In Dosisfindungs- und plazebokontrollierten Studien ließen sich 50-70% der Patienten mit essentiellem Bluthochdruck allein mit Ramipril
einstellen. Tagesdosen von 1,25-20 mg als Einzelgabe senken den Blutdruck um 5-25%. Die minimal effektive Dosis beträgt bei anderweitig gesunden
Hypertonikern 2,5 mg.4-6
In randomisierten doppelblinden Vergleichsstudien erwiesen sich 10 mg Ramipril gleich blutdrucksenkend wie 2 x 50 mg Captopril (LOPIRIN, TENSOBON
u.a.).7 5-10 mg Ramipril entsprechen 10-20 mg Enalapril.8 Nach unveröffentlichten Daten des Herstellers sollen 10 mg Ramipril so wirksam
sein wie 100 mg Atenolol (TENORMIN u.a.). Die zusätzliche Gabe von 3 mg Piretanid (ARELIX) zu 5 mg Ramipril soll nur eine geringe weitere Drucksenkung
bewirken.
In offenen, ebenfalls nicht veröffentlichten Studien soll bei ca. 50% der mit 5-10 mg Ramipril nicht einstellbaren Patienten der Blutdruck durch ein
zusätzliches Diuretikum ausreichend gesenkt worden sein. Für die Langzeitanwendung (über 12 Wochen) bei arterieller Hypertonie liegen Daten aus
unkontrollierten9 oder nicht veröffentlichten Studien vor. Der antihypertensive Effekt blieb über 2 Jahre ohne Toleranzentwicklung erhalten, die
Initialdosis von 5 mg mußte häufiger reduziert (43%) als gesteigert (15%) werden. Die Verwendung von Ramipril bei Patienten mit schwerem Hypertonus,
eingeschränkter Nierenfunktion oder Diabetes mellitus ist u. E. bisher nur begrenzt untersucht.
Zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz ist Ramipril wie auch Lisinopril (ACERBON, CORIC) und Perindopril (COVERSUM) nicht zugelassen. Erste
Studienergebnisse deuten bei schwerer Herzinsuffizienz auf gleich günstige hämodynamische Akutwirkungen hin wie unter Captopril,10 die wie
eine Besserung der klinischen Symptomatik auch nach 7-12 Wochen noch nachweisbar sind.11
In unkontrollierten Studien führte Ramipril bei Patienten mit nephrotischem Syndrom zu einer geringen Abnahme der Proteinurie, bei Diabetikern zur Verringerung
der Mikroalbuminurie und bei Hypertonikern zur Reduktion der linksventrikulären Hypertrophie.12,13 Diese Wirkungen sind bei anderen ACE-Hemmern
besser dokumentiert. Einflüsse auf das Fortschreiten einer chronischen Niereninsuffizienz oder auf die linksventrikuläre Dilatation nach Myokardinfarkten
wurden nicht untersucht.
DOSIS: Ramipril "ist der erste ACE-Hemmer, bei dem die Therapie mit der kleinsten bisher denkbaren Dosis beginnt",3 wirbt die Hoechst
AG. Dies ist kein Ausdruck eines "behutsamen" Therapiebeginns, sondern der im Vergleich zum Enalapril auf Gewichtsbasis vermutlich doppelten
Wirkstärke, mit der erwünschte wie unerwünschte Effekte eintreten. Die Anfangsdosis beträgt üblicherweise 2,5 mg morgens und kann in
mindestens dreiwöchigen Abständen auf 5 bis maximal 10 mg/Tag erhöht werden. Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko
erhalten jeweils die halbe Initial- und Erhaltungsdosis.
STÖRWIRKUNGEN: Soweit nach bisherigen Daten abschätzbar (nach Angaben von Hoechst ca. 3.500 Studien-Patienten), entsprechen Art
und Schwere der unerwünschten Wirkungen denen von Enalapril und Captopril. Am häufigsten sind Schwindel, Kopfschmerz, Schwäche und
Übelkeit. Die für ACE-Hemmer klassenspezifischen Störeffekte wie quälender und therapierefraktärer Reizhusten, Exanthem, Juckreiz,
Angioödem, Geschmacksstörungen und Diarrhoe werden ebenfalls beobachtet. Die einzelnen Häufigkeiten bleiben noch zu klären. Genauso
muß mit Neutropenie, Proteinurie und immunallergischen Reaktionen gerechnet werden.
Wegen der längeren Wirkdauer dürfte bei Ramipril im Vergleich zu Enalapril und Lisinopril (ACERBON, CORIC) die ausgeprägtere
Gefahr anhaltender Hypotonien bestehen, die insbesondere unter Praxisbedingungen bei älteren Patienten die Gefahr von kardialen (Myokardinfarkte) und
zerebralen Mangeldurchblutungen (Insulte) während der nächtlichen Ruhephase erhöhen könnte. Anstiege der Retentionswerte sind
besonders bei Herzinsuffizienz, Volumenmangel oder gleichzeitiger Diuretika-Therapie zu befürchten. In diesen Situationen sollte mit 1,25 mg pro Tag begonnen
werden.
Akutes Nierenversagen kann bei doppelseitiger Nierenarterienstenose oder bei anatomischer oder funktioneller Einzelniere auftreten. Die Gefahr einer
Hyperkaliämie besteht vor allem bei gleichzeitiger Kaliumsubstitution, Therapie mit kaliumsparenden Diuretika oder Antiphlogistika. Während
Schwangerschaft und Stillzeit ist Ramipril wie alle ACE-Hemmer kontraindiziert.4
FAZIT: Ramipril (DELIX) ist ein typischer ACE-Hemmer mit mutmaßlich nachteiliger langer Wirkdauer. Eine Zulassung besteht lediglich zur Behandlung des
essentiellen Bluthochdrucks. Hier sollte es u. E. wie die übrigen ACE-Hemmer als Reservemittel betrachtet werden. Nach bisher noch vergleichsweise
spärlichen und nicht vollständig veröffentlichten Daten senkt Ramipril zuverlässig den Blutdruck.
Das Spektrum der Störeffekte ist für ACE-Hemmer typisch. Die Häufigkeiten lassen sich bei dem geringeren Erprobungsgrad der Substanz nicht
abschätzen. Wie für Lisinopril (ACERBON, CORIC) und Perindopril (COVERSUM) sehen wir auch in Ramipril keine Bereicherung der Therapie mit ACE-
Hemmern. Mit dem kurzwirkenden Captopril (LOPIRIN, TENSOBON u.a.) und dem längerwirkenden Enalapril (PRES, XANEF) stehen zwei gut erprobte Mittel
zur Verfügung.
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