In Westdeutschland und Westberlin wurden 1989 Antibiotika im Wert von 700 Millionen DM verordnet.
Neueinführungen bieten erweiterte und teure Möglichkeiten des Fehlgebrauchs, wie es Infektiologen der Yale University und anderer
US-amerikanischer Kliniken in bezug auf den Gyrasehemmer Ciprofloxacin (CIPROBAY) an Fallbeispielen belegen.1
Wie in Deutschland gehört auch in den USA Ciprofloxacin zu den umsatzstärksten oralen Antibiotika. Die Ciprofloxacin-Gabe zur Sanierung von
Meningokokkenträgern ist nicht hinreichend belegt, ebensowenig ist sie angezeigt bei akuter Osteomyelitis, Nicht-Gonokokkenurethritis, nicht durch Anaerobier
verursachten Entzündungen des Beckens, Erkrankungen durch Mykobakterien und zur Prophylaxe gramnegativer Infektionen bei neutropenischen Patienten.
Wegen der mäßigen Aktivität gegen verbreitete Atemwegspathogene (Pneumokokken u.a.) eignet sich Ciprofloxacin nicht zur initialen Therapie von
Infektionen ambulanter Patienten mit Pharyngitis, Otitis media, Sinusitis und Pneumonie. Ciprofloxacin soll nicht zur Behandlung von Anaerobierinfektionen dienen.
Penizilline oder ein Cephalosporin der ersten Generation (z. B. Cefazolin [ELZOGRAM, GRAMAXIN]) sind bessere Alternativen zur Behandlung von Pneumokokken-
oder Streptokokken-Infektionen.
Mit Verordnungen im Wert von 200.000 DM/Tag allein in der ehemaligen Bundesrepublik erweist sich das ältere Ofloxacin (TARIVID) bzw. Ciprofloxacin als
Antibiotika des Fehlgebrauchs. Wahrscheinlich wird auch bei uns ein Großteil dieser Summe für falsche Indikationen verschwendet, beispielsweise
für die perioperative Antibiotikaprophylaxe. Mitverantwortlich sind unwissenschaftliche Studien, die nur Marketingzwecken dienen.2
Ein typisches Beispiel einer solchen Arbeit, die noch dazu einen Mitarbeiter der medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung des Herstellers zum Koautor hat, ist die
"Kurzzeit-Sequenzprophylaxe" mit Ciprofloxacin bei plastischen und rekonstruktiven Brustoperationen.3 Ciprofloxacin wird hier ein
"Prophylaxeerfolg" von 98% bescheinigt.
Angeblich spare man bei der Gabe von 2 x 200 mg Ciprofloxacin i.v. und von 2 x 750 mg Ciprofloxacin per os am ersten postoperativen Tag Kosten ein. Dies trifft
nicht zu. Erstens liegt bei plastischen Brustoperationen die postoperative Wundinfektionsrate auch ohne Antibiotikaprophylaxe in den meisten Kliniken unter 1%.
Zweitens spart man durch Gabe überflüssiger Antibiotika keine Kosten. Wäre die Antibiotikaprophylaxe angezeigt, würde eine einzige
präoperative Dosis eines Basis-Cephalosporins (Kosten ca. 40,- DM ) ausreichen. Die Autoren der oben zitierten Empfehlung verbrauchen jedoch am
Operationstag für Ciprofloxacin i.v. bereits über 100,- DM. Eine Antibiotikaprophylaxe am ersten postoperativen Tag ist nutzlos.
Die breite Verordnung von Gyrasehemmern bedingt eine auffallende Verschlechterung der Resistenzsituation (vgl. a-t 11 [1988], 98; 12 [1988],
107; 2 [1989], 27 und 6 [1989], 60). Innerhalb von drei Monaten fanden Ärzte des Easton Hospitals (Pennsylvania, USA) 83 bakterielle Infektionen, deren
Erreger gegen Ciprofloxacin resistent waren. Nach Follow-up-Untersuchungen dieses Jahres weiten sich die Resistenzen aus. Die US-amerikanische Bayer-Tochter
Miles äußert sich "sehr besorgt" über die Verschlechterung der Resistenzlage. Ciprofloxacin werde nicht zur prophylaktischen Anwendung
empfohlen.4 Die Resistenzen betreffen besonders Staphylokokken, ferner Pseudomonas.
Dem Bundesgesundheitsamt sind Todesfälle durch Versagen der Gyrasehemmer z.B. bei Pneumokokkenpneumonien berichtet worden. Therapieversager sind
auch im NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION registriert. Nach Art, Schweregrad und Häufigkeit haben Ofloxacin, Ciprofloxacin und andere
Vertreter der Chinolonreihe unter allen marktgängigen Antibiotika die bedrohlichsten unerwünschten Wirkungen. Eine Analyse der NETZWERK-
Meldungen veröffentlichen wir in Kürze.
FAZIT: Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin (CIPROBAY) und Ofloxacin (TARIVID) gehören zu den am häufigsten verordneten und oft fehlverwendeten
Antibiotika. Resistenzen vor allem gegen Staphylokokken nehmen auffallend zu.
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