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Therapiekritik

TUMORTHERAPIE IN DER SCHWANGERSCHAFT

Mit einer Tumorerkrankung auf 1.000 Schwangerschaften wird gerechnet. Am häufigsten sind während einer Schwangerschaft gynäkologische Tumoren, allen voran das Mammakarzinom, gefolgt vom Zervixkarzinom. Die Behandlung gynäkologischer Tumoren, des malignen Melanoms, des Schilddrüsenkarzinoms und kolorektaler Karzinome erfolgt gewöhnlich durch chirurgische Entfernung. Zumindest in der Frühschwangerschaft besteht kein Unterschied zur Therapie nichtschwangerer Frauen mit diesen Malignomen. Eine Teratogenität der gängigen Narkosemittel ist derzeit nicht belegt. Tumoren dieser Art sind im allgemeinen keine onkologischen Notfallsituationen.

Akute Leukämien und hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome sowie – mit Einschränkung – der Morbus Hodgkin verlangen hingegen den raschen und aggressiven Einsatz von Zytostatika. Akute Leukämien verlaufen meist so dramatisch, daß selbst ein Schwangerschaftsabbruch mit den beispielsweise zu erwartenden postoperativen Blutungen für die Mutter einen lebensbedrohlichen Zeitverlust bedeuten kann.

Eine Chemotherapie im ersten Drittel der Schwangerschaft beinhaltet ein hohes Mißbildungsrisiko. Besonders gilt dies für die Behandlung mit Folsäure-Antagonisten wie Methotrexat (METHOTREXAT "LEDERLE" u.a.) und Alkylanzien wie Cyclophosphamid (ENDOXAN u.a.). Niedriger ist es dagegen bei Mercaptopurin (PURI-NETHOL) und Vincaalkaloiden wie Vinblastin (VELBE, VINBLASTIN) und Vincristin (VINCRISTIN). Hauptsächlich treten Mißbildungen des Skelettsystems auf, wie kraniale Dysostosen und verzögerte Ossifikation der Knochen sowie mangelnde Sprachentwicklung und andere Intelligenzstörungen.

Im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel können der Zytostatika-Anwendung Abort, Frühgeburt, Wachstumsretardierung sowie perinatale Blutungs- und Infektionszwischenfälle folgen. Über postnatale Spätrisiken lassen sich gegenwärtig keine zuverlässigen Aussagen machen.

Ungeachtet des Stadiums der Schwangerschaft muß im Fall einer kurativen Behandlungschance für die Mutter die sofortige Chemotherapie erwogen werden, insbesondere bei akuten Leukämien, hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen und Morbus Hodgkin. Hier rangiert die Behandlung der Tumorkrankheit vor dem Erhalt der Schwangerschaft. Sind Zytostatika im ersten Schwangerschaftsdrittel erforderlich, wäre nach Erreichen der Vollremission der Schwangerschaftsabbruch zu diskutieren.

FAZIT: Die häufigsten Tumoren in der Schwangerschaft sind gynäkologische Tumoren, die überwiegend operativ entfernt werden. Akute Leukämien, Non-Hodgkin-Lymphome und zum Teil auch Hodgkin-Lymphome erfordern die sofortige Zytostase. Diese geht im ersten Trimenon mit einem relativ hohen Mißbildungsrisiko einher, vor allem bei Therapie mit Folsäure-Antagonisten und Alkylanzien.

Im zweiten und dritten Trimenon können Abort, Frühgeburt, Wachstumsretardierung sowie perinatale Blutungen und Infektionen auftreten. Inwieweit die postnatale Entwicklung beeinflußt wird, läßt sich derzeit nicht zuverlässig beurteilen.


WINKELMANN, M., W. SCHNEIDER: Dtsch. med. Wschr. 116 (1991), 670


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