Blasenkarzinome gehen zu über 90% vom Übergangsepithel der Blasenschleimhaut aus und zeigen meist ein papilläres Wachstum. Die
nichtinvasiven oberflächlichen Stadien (Tis = Carcinoma in situ, Ta = oberflächliches papilläres Karzinom, T1 = Tumorinfiltration bis Lamina propria)
gehen abhängig vom Differenzierungsgrad (G1 - G3) mit einem 5-Jahresüberleben von 60 - 90% einher. Rezidive treten bei etwa 70% der
Betroffenen auf, die Hälfte schon im ersten Jahr. Primärtherapie bei den Frühstadien ist eine meist transurethral durchgeführte Resektion des
Tumors. Die intravesikale Gabe von Zytostatika (Anthrazykline, Thiotepa [THIOTEPA LEDERLE], Mitomycin C1 [MITOMYCIN MEDAC]) zur Nachbehandlung senkt
zwar die Rezidivrate, ist jedoch aufwendig, toxisch und bringt gegenüber wiederholten Resektionen keine Lebensverlängerung. Sie gilt daher nicht als
Standardtherapie.1
WIRKUNGSWEISE: Aus tierexperimentellen Untersuchungen stammen Hinweise für eine antitumoröse Wirkung von Bacillus-Calmette-
Guérin (BCG)-Impfstoff. Als Mechanismus wird möglicherweise vermittelt durch Interleukin-II eine vermehrte Expression tumorspezifischer
zytotoxischer T-Zellen vermutet. Klinische Relevanz hat BCG bisher nur beim Blasenkarzinom erlangt.2
KLINISCHE STUDIEN: Erste positive Berichte zur wirksamen Rezidivprophylaxe mit der intravesikalen Gabe von BCG-Suspension bei frühen
Tumorstadien3,4 blieben zunächst ohne Beachtung. Neuere kontrollierte Studien bestätigen die Wirksamkeit von BCG und zeigen eine
Überlegenheit im Vergleich zur lokalen Therapie mit Mitomycin C, Doxorubicin und Thiotepa.5,6 Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 3 Jahren
treten unter lokaler BCG-Therapie weniger Rezidive auf (9 von 67 Patienten) als unter Thiotepa (20 von 56) oder Doxorubicin (23 von 53). Auch der Rezidiv-Index
pro 100 Patientenmonate (0,53 gegenüber 1,55 bzw. 1,7) und die Rate an Tumorprogressionen nach 31 Monaten (1,5% gegenüber 3,6% bzw. 7,5%) sind
unter BCG günstiger als unter Thiotepa bzw. Doxorubicin. Insbesondere bei oberflächlichen Blasenkarzinomen mit ungünstigeren Prognosekriterien
(T1,G3, multilokuläres Wachstum) zeigen sich Vorteile.5
Erfahrungsberichte über Langzeiteffekte deuten auf eine anhaltende Wirksamkeit hin, die über ein Hinauszögern der Rezidive unter der Behandlung
hinausgeht. Nach im Mittel 5,5 Jahren sind noch 78 % der behandelten Patienten rezidivfrei. Durch Nachresektion und eine intensivierte BCG-Therapie sind auch
beim initialen Rezidiv die Erfolgsraten günstig. Werden allerdings mehrere Rezidive derart behandelt, besteht die Gefahr, ein progredientes Tumorwachstum
verspätet zu erkennen.7
DOSIERUNG: Unklarheiten bestehen noch über das optimale Regime und die Dauer der BCG-Behandlungen. 6 Instillationen (120 - 150 mg BCG-
Impfstoff in 50 ml Kochsalz) in wöchentlichen Abständen reichen nicht aus. Meist werden weitere 6-Wochenregime nach 3, 6 und 12 Monaten
vorgenommen oder zunächst 4 Instillationen in wöchentlichen Abständen und dann einmal im Monat für ein Jahr.5,7
STÖRWIRKUNGEN: Die Behandlung geht mit einem beträchtlichen Spektrum an Störwirkungen einher. Zystitiden sind häufig (bis
90%), meist jedoch nur kurzdauernd und blande. Eine symptomatische Therapie evtl. mit Isoniazid (ISOZID u. a.) für drei Tage erscheint nur bei
chronischer Anwendung notwendig, wenn die Beschwerden zunehmen und länger anhalten. Fieber für wenige Tage tritt bei 3,9% der Patienten auf und
sollte stationär mit Tuberkulostatika behandelt werden, da initial systemische Infektionen nicht auszuschließen sind. Eine granulomatöse Prostatitis
(1,3%) ist meist asymptomatisch, andernfalls mit Isoniazid und Rifampicin (RIFA u. a.) zu behandeln. Arthralgien, Arthritiden und Exantheme sind seltener (unter 1%).
Diese Störwirkungen sind wahrscheinlich allergischen Ursprungs und meist durch prophylaktische Gabe von Isoniazid und Antihistaminika zu beherrschen.
Gelegentlich (0,3%) kommt es zu einer meist sich selbstlimitierenden (potentiell jedoch gefährlichen) Harnröhrenobstruktion.
Zu den schweren Komplikationen gehören systemische BCG-Infektionen (0,9%) mit Pneumonitis, Hepatitis und Zytopenien, die nach traumatischer
Harnröhrenkatheterisierung oder nach ausgedehnten Tumorresektionen auftreten. Meist reicht eine Therapie mit Isoniazid und Rifampicin, bei akutem
Krankheitsbild initial über drei Tage mit Cycloserin (CYCLOSERINE ROCHE [Großbritannien], in Deutschland nicht mehr im Handel) kombiniert.8
Todesfälle durch BCG-Septikämien nach intravesikaler Applikation sind bekannt.7
FAZIT: Beim oberflächlichen Blasenkarzinom erscheint die wiederholte intravesikale Gabe von BCG-Suspensionen nach initialer Resektion derzeit als die
wirksamste Rezidivprophylaxe. Eine Lebensverlängerung ist bisher nicht bewiesen. Wegen des Aufwandes und der gelegentlich sehr schwerwiegenden
Störeffekte erscheint die routinemäßige Verwendung bei Tumorstadien mit bekannt niedrigen Rezidivrisiken (z.B. Ta, G1, unilokulär) jedoch
nicht gerechtfertigt.
Richtigstellung: Im Fazit des Übersichts-Artikels zur
BCG-Behandlung von Blasenkarzinomen in a-t 9 (1991),75 muß die Beispielangabe in der vorletzten Zeile korrekt
lauten (z.B. Ta, G1, unilokulär) statt (z.B. Tis, G1, unilokulär).
Von dem oberflächlichen papillären Karzinom (Ta) ist
ein niedriges Rezidivrisiko bekannt. Das Carcinoma in situ
(Tis) zählt neben den T1 G3-Tumoren zu den aggressivsten
oberflächlichen Urothelkarzinomen (–Red.).
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