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Im Blickpunkt

BETASYMPATHOMIMETIKA BEI VORZEITIGEN WEHEN

Der Erfolg geburtshilflicher Vorsorgemaßnahmen läßt sich an der Kindersterblichkeit ablesen. Im August 1980 wurde das Beta2- spezifische Sympathomimetikum Ritodrin (PRE PAR) als Wehenhemmer durch Relaxation der Gebärmuttermuskulatur in den USA zugelassen. Dennoch stieg während der 80er Jahre die Rate Frühgeborener in den USA stetig an.1 Hierzulande wird überwiegend Fenoterol zur Tokolyse verwendet mit einem Marktanteil von 97% (120.000 Packungen PARTUSISTEN Tabletten im Wert von 5,4 Millionen DM Apothekenabgabepreis).

Sowohl eine Metaanalyse an 890 Frauen mit vorzeitigen Wehen, die mit verschiedenen Beta2-Sympathomimetika behandelt wurden als auch eine kontrollierte Studie aus Kanada mit Ritodrin intravenös an 708 Frauen mit drohender Frühgeburt, lassen lediglich eine Verlängerung der Schwangerschaft um 24 bis 48 Stunden erkennen.2,3 Perinatale Morbidität und Mortalität waren gegenüber Plazebo nicht vermindert. Dem marginalen Nutzen für die Neugeborenen steht das Risiko schwerer Lungenödeme der Mutter gegenüber (vgl. a-t 10 [1980], 84 und 11 [1980], 91). Die Häufigkeit dieser durch Betasympathomimetika induzierten Lungenödeme beträgt 3% bis 9%. Als Ursache werden Natrium- und Wasserretention und somit ein möglicher Volumenüberschuß sowie eine erhöhte kapillare Permeabilität in der Lunge diskutiert, möglicherweise im Zusammenwirken mit Herzrhythmusstörungen und Myokardischämien. Mindestens 14 mütterliche Todesfälle wurden auf derartige Komplikationen zurückgeführt. Von 1983 bis 1986 erhielten in den USA pro Jahr etwa 100.000 Frauen Ritodrin wegen vorzeitiger Wehen. Etwa 3.000 bis 9.000 Frauen entwickelten demnach vermutlich pro Jahr infolge dieser Behandlung ein Lungenödem – zum Teil mit tödlichem Ausgang.1

Die orale Tokolyse mit Betasympathomimetika gilt heute als obsolet. Nur bei tokographisch nachgewiesener Unterdrückung der Wehen durch kontinuierliche parenterale Gabe von Betasympathomimetika wäre bei einzelnen Frauen ein Behandlungsversuch berechtigt. Von 521 befragten Gynäkologen verwendeten 88,5 % orale Betasympathomimetika zur Wehenprophylaxe oder als Erhaltungstherapie nach einer Episode mit vorzeitigen Wehen. Nur 4 % der Befürworter dieser Wehenhemmer hielten die Therapie für wirksam.4

FAZIT: Dem fehlenden therapeutischen Nutzen hinsichtlich perinataler Morbidität und Mortalität durch intravenöse Betasympathomimetika wie Fenoterol (PARTUSISTEN) stehen erhebliche mütterliche Risiken, z.B. Lungenödem mit teilweise tödlichem Ausgang, gegenüber. Orale Betasympathomimetika gelten wegen mangelnden Wirksamkeitsnachweises als überholt (vgl. a-t 12 [1983], 109). In Notfallsituationen (vgl. a-t 7 [1980], 54), die ein Überbrücken des Zeitraums bis zur operativen Entbindung oder Zeitgewinn zur Verbesserung der Lungenreife erfordern, kann eine Hinauszögerung der Geburt durch intravenöse Gabe sinnvoll sein. Die prophylaktische Behandlung mit intravenösen Betasympathomimetika bei vorzeitigen Wehen erfordert jedoch eine kritische Neubewertung.

1

LEVENO, K. J., F. G. CUNNINGHAM: N. Engl. J. Med. 327 (1992), 349

2

KING, J. F. et al.: Brit. J. Obstet. Gynecol. 95 (1988), 211

3

Canadian Preterm Labour Investigators Group: N. Engl. J. Med. 327 (1992), 308

4

KEIRSE, M. J. N. C.: Brit. J. Obstet. Gynecol. 91 (1984), 431


© 1992 arznei-telegramm

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