Derzeit kann der Arzt unter knapp 20 Präparaten wählen, die 20 mg Piroxicam (FELDEN u.a.) enthalten. Das zu Jahresbeginn
eingeführte BREXIDOL enthält Piroxicam-Cyclodextrin, eine physikalische Einschlußverbindung, in der das nichtsteroidale Antirheumatikum über
elektrostatische Bindungen von dem zyklischen Oligosaccharid β-Cyclodextrin umgeben ist. Durch diese "technologische Innovation"1 soll
"der altbekannte Nachteil des späten Wirkungseintritts nach oraler Verabreichung reinen Piroxicams umgangen und ein ebenso schneller Wirkungseintritt
erreicht werden wie nach intramuskulärer Applikation eines nichtsteroidalen Antirheumatikums", betont die Farmitalia GmbH.2
BESONDERE EIGENSCHAFTEN: Aus der Einschlußverbindung wird Piroxicam in den ersten Stunden nach der Einnahme rascher und mit
höheren Blutspiegeln absorbiert als nach konventionellen Piroxicam-Zubereitungen.1,3 Blutspiegel und klinischer Effekt dürfen jedoch nicht
gleichgesetzt werden. Die Konzentration in der Synovialflüssigkeit, die nach Einnahme nichtsteroidaler Entzündungshemmer mit langer Halbwertszeit wie
Piroxicam (ca. 40 Stunden) langsamer aufgebaut wird, gilt als wichtiger Faktor für den klinischen Erfolg. Hierbei unterscheidet sich die Einschlußverbindung
nicht von konventionellem Piroxicam.4
Der theoretische Vorteil der raschen Wirkstoffanflutung scheint zudem bei wiederholter Einnahme bedeutungslos zu sein. Er dürfte sich innerhalb weniger
Einnahmetage verlieren, wenn ein Steady state mit den für Stoffe mit langer Halbwertszeit typischen geringen Spiegelschwankungen erreicht wird. Zur
Behandlung akuter Schmerzzustände, vor allem auch nach Traumata, sind kurzwirkende Antirheumatika wie Diclofenac (VOLTAREN u.a.) oder Ibuprofen
(BRUFEN u.a.) besser steuerbar und geeigneter.
BESSERE VERTRÄGLICHKEIT? Bislang wurde praktisch jedes "neue" Antirheumatikum als besonders gut magenverträglich
eingeführt. So betont auch Farmitalia, daß die neue Technologie "bei Piroxicam zu einer Senkung der Rate gastrointestinaler Nebenwirkungen nach
oraler Applikation"2 geführt habe. Nach dem wissenschaftlichen Prospekt soll BREXIDOL die Häufigkeit von Störwirkungen am
Magen-Darm-Trakt im Vergleich zu normalem Piroxicam halbieren und praktisch auf Plazebo-Niveau senken.4
Solche Angaben erscheinen wenig plausibel. Neben Absorptionsvorgängen sind zahlreiche Faktoren an der Entwicklung gastrointestinaler Störeffekte
beteiligt, darunter auch die lange Halbwertszeit von Piroxicam, die zu einem vergleichsweise erhöhten Risiko von Ulkusblutungen führt.5 Zum Teil
stehen sie in engem Zusammenhang mit dem Wirkmechanismus, so daß auch die parenterale Gabe nichtsteroidaler Entzündungshemmer und im Einzelfall
sogar die externe Anwendung Magen-Darm-Störungen auslösen kann. Potentielle Verträglichkeitsvorteile müssen durch Langzeitanwendung
außerhalb der begrenzten klinischen Studien bestätigt werden. Die schwerwiegenden Verträglichkeitsprobleme des Piroxicam bleiben durch die neue
Technologie unbeeinflußt: Kumulation und Toxizität besonders bei alten und mehrfach kranken Menschen sowie schwere Hautreaktionen
einschließlich LYELL-Syndrom (vgl. Arzneimittelkursbuch '92/93, Seite 1004).
FAZIT: Das Antirheumatikum BREXIDOL enthält eine Piroxicam-Einschlußverbindung. Wir sehen jedoch keinen besonderen klinischen Vorteil
dieser teuren Variation des insgesamt vergleichsweise schlecht verträglichen Reserve-Antirheumatikums Piroxicam (FELDEN u.a.). Die behauptete bessere
Magen-Darm-Verträglichkeit bedarf der Bestätigung.
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