In Ländern wie Deutschland und den USA gehören Schilddrüsenhormone zu den meistverordneten Medikamenten.1,2 In
Deutschland werden sie mit über 800 Millionen Tagesdosen ausreichend für 2,3 Millionen Daueranwender bald doppelt so häufig
verordnet wie zehn Jahre zuvor (s. auch a-t 7 [1989], 63). Häufigste Indikation dürfte hierzulande die Jodmangelstruma sein, die 30% der
Bevölkerung betrifft.2
Langfristige Einnahme von Schilddrüsenhormonen steht seit Jahren im Verdacht, Knochenverlust und die Entwicklung einer Osteoporose zu begünstigen
(a-t 7 [1986], 64).3 Die Ergebnisse einer amerikanischen Studie an 991 Frauen zwischen 50 und 98 Jahren scheinen jetzt das Risiko für Frauen nach
der Menopause zu bestätigen. 196 Teilnehmerinnen nahmen durchschnittlich 20 Jahre lang Levothyroxin (EUTHYROX u.a.) oder Levothyroxin-Liothyronin-
Kombinationen (NOVOTHYRAL u.a.) ein.
Bei einer täglichen Thyroxin-äquivalenten Dosis von 1,6 µg pro kg Körpergewicht (KG) oder höher haben sie eine niedrigere
Knochendichte als 795 Nichtanwenderinnen. Geringere Tagesdosen bleiben ohne Einfluß auf die Knochendichte. Frauen, die neben
Schilddrüsenhormonen zusätzlich Östrogene (PRESOMEN u.a.) verwenden, haben ähnlich dichte Knochen wie Frauen, die nur
Östrogene einnehmen.1 Allerdings werden in der Studie lediglich Veränderungen von Meßwerten der Knochendichte erfaßt und keine
klinischen Endpunkte wie Frakturraten.
Nach Ansicht von Endokrinologen werden Schilddrüsenhormone zu häufig, zu hochdosiert und zu lange verordnet.4,5 Für die
Jodmangelstruma wird heute die Prophylaxe und Behandlung mit Jodid (THYROJOD 200 u.a.) empfohlen. Besteht jedoch Verdacht auf autonome Areale
der Schilddrüse, soll primär mit Schilddrüsenhormonen und nicht mit Jodid behandelt werden (vgl. a-t 8 [1987], 67).6
Für die meisten Hypothyreoten genügt eine Substitutionsdosis, die in der Regel den basalen TSH (Thyreotropin)-Spiegel nicht unterdrückt.
Sie liegt im Bereich von 1,6 µg/kg KG, was etwa 100 µg/Tag für eine 60 kg schwere Person entspricht. Da der Thyroxinabbau mit dem Alter
nachläßt, benötigen über 65jährige eine um 10% bis 15% geringere Dosis.5 Für Frauen nach der Menopause, die z.B. wegen
eines metastasierenden Schilddrüsenkarzinoms höhere, TSH-supprimierende Levothyroxindosen benötigen, kommt die zusätzliche
Östrogen-Substitution in Betracht.4
FAZIT: Verordnungen von Schilddrüsenhormonen (EUTHYROX u.a.) für etwa 2,3 Millionen Personen lassen Verdacht einer Übertherapie
aufkommen. Bei Frauen, die längerfristig Schilddrüsenhormone einnehmen, nimmt die Knochendichte ab. Besonders die ohnehin Osteoporose-
gefährdeten älteren Frauen können betroffen sein.
Auch wenn eine erhöhte Frakturrate durch klinische Studien nicht belegt ist, sollte iatrogener Knochenverlust vermieden werden. Die Hormondosierungen sind
so niedrig wie möglich zu halten, denn bei Zufuhr unter 1,6 µg/kg Körpergewicht soll das Risiko nicht existieren.
Bei Jodmangelstruma wird abgesehen bei Verdacht auf autonome Areale der Schilddrüse die Prophylaxe mit Jodid (THYROJOD u.a.)
empfohlen. Östrogene (PRESOMEN u.a.) schützen offensichtlich auch Frauen nach der Menopause mit höheren Levothyroxin-Dosen vor
Knochenverlust.
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