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vorheriger Artikela-t 1996; Nr. 10: 104 
Warnhinweis

STÄRKERE GEFÄHRDUNG ALS ERWARTET:
APPETITHEMMER UND LUNGENHOCHDRUCK

Auffällig häufige Lungenhochdruck-Erkrankungen nach Einnahme von Appetithemmern in Frankreich Anfang der 90er Jahre gaben den Anstoß zu einer internationalen Fallkontrollstudie (a-t 9 [1995], 90), deren Auswertung jetzt vorliegt. Nach einer vorläufigen Analyse im vergangenen Jahr war mit einem um das Neunfache erhöhten Risiko der pulmonalen Hypertonie zu rechnen, wenn Mittel wie Fenfluramin (PONDERAX) oder dessen rechtsdrehendes Stereoisomer Dexfenfluramin (ISOMERIDE) länger als drei Monate eingenommen werden. Während die französische Gesundheitsbehörde prompt reagierte und die Anwendungsdauer aller Appetithemmer auf höchstens drei Monate beschränkte, wurde Dexfenfluramin kürzlich in den USA ohne klares zeitliches Limit zugelassen.1,2,3 Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gab vor einem Jahr zu verstehen, daß es einer Entscheidung der europäischen Arzneimittelkommission nicht vorgreifen werde.4 Auch heute noch stehen rechtskräftige Zulassungsänderungen EU-weit aus.5 Nach den jetzt veröffentlichten Daten ist die Gefährdung durch Appetithemmer größer als erwartet: Das Risiko der seltenen, aber stets lebensbedrohlichen Erkrankung (1-2 / Mio Einwohner) steigt ab dem vierten Anwendungsmonat um das 23fache.6 Vorbeugender Verbraucherschutz erfordert daher eine strikte Begrenzung der Einnahme auf weniger als drei Monate. Kommentarlose Hinweise zur Behandlungsdauer ("...soll drei Monate nicht überschreiten")7 ohne Erläuterung des steigenden Erkrankungsrisikos reichen nicht aus, die Gefährdung zu verdeutlichen und die Verbraucher zu schützen. Auch neurotoxische Effekte bei Langzeitgebrauch werden diskutiert.

Redaktionelle Beiträge in der Laienpresse8,9 sorgen derzeit für Nachfrage per Desinformation. Für die "neue Schlankheitspille" ISOMERIDE sei "die gefährliche Blutdruckerhöhung im Lungenkreislauf, die ein anderer, früher gern verordneter Appetitzügler verursachte, ... nicht zu befürchten" – so ein "Experte" in der "Bunte".8

FAZIT: Appetithemmer wie Fenfluramin (PONDERAX) oder Dexfenfluramin (ISOMERIDE) erhöhen das Risiko des stets lebensbedrohlichen Bluthochdrucks im Lungenkreislauf. Werden sie länger als drei Monate eingenommen, steigt die Gefährdung auf das 23fache im Vergleich zu Nichtanwendern. In den Produktinformationen fehlen deutliche Warnhinweise und eine strikte Begrenzung der Anwendung. Allenfalls im Rahmen streng kontrollierter Therapiekonzepte mit Umstellung der Ernährungsgewohnheiten halten wir eine auf drei bis vier Wochen begrenzte Einnahme von Appetithemmern für akzeptabel.


© 1996 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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