Lebensbedrohliche Hautschäden wie toxische epidermale Nekrolyse ("Syndrom der verbrühten Haut") und Erythema exsudativum
multiforme (STEVENS-JOHNSON-Syndrom) kennt man für das als Muskelrelaxans angebotene Chlormezanon (MUSKEL TRANCOPAL u.a.) spätestens
seit Beginn der 80er Jahre (a-t 12 [1984], 100; 1 [1991], 6). Jetzt rät Sanofi Winthrop in einer Pressemitteilung von
der gleichzeitigen Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika ab, weil diese ein gleichartiges Risiko bergen und die Gefährdung erhöhen
können.1 Dies betrifft besonders Oxicame wie Piroxicam (FELDEN u.a.) und Tenoxicam (LIMAN, TILCOTIL).2 Aus dieser Gruppe mußte
Isoxicam (PACYL) 1985 wegen toxischer epidermaler Nekrolyse aus dem Handel gezogen werden (a-t 10 [1995], 82).
Sanofi Winthrop vermengt Warnung und Werbung: Der von der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker kommentarlos in der Rubrik
"Information" veröffentlichte Pressetext nennt die Chlormezanon-Parazetamol (-Kodein)-Fixkombinationen MUSKEL TRANCOPAL COMPOSITUM
und MUSKEL TRANCOPAL CUM CODEINO "therapeutisch sinnvolle" Alternativen.1 Parazetamol scheint hingegen nach Erfahrungen aus
mehreren europäischen Ländern ein höheres Risiko schwerer Hautreaktionen zu besitzen als Diclofenac (VOLTAREN u.a.) oder Salizylate.2
Chlormezanon erachten wir wegen des Risikos schwerer Leber- und Hautschäden auch in Kombinationen als überholt und ziehen bei
Muskelverspannungen Diazepam (VALIUM u.a.) als unterstützende Maßnahme zur Physiotherapie vor (Arzneimittelkursbuch '96/97, A.V.I. Berlin, 1996,
Seite 1319). In Norwegen darf Chlormezanon nur noch in Packungen mit 20 Tabletten "zur kurzzeitigen Behandlung schmerzhafter Muskelspasmen in der
Akutphase des akuten Hexenschuß" angeboten werden.3 In den USA gilt Chlormezanon, dessen schwach muskelrelaxierende Wirkung
möglicherweise lediglich auf sedativen Effekten beruht, hingegen ausschließlich als Tranquilizer zur Behandlung milder Angst- und
Spannungszustände.
FAZIT: Den in den 60er Jahren eingeführten schwach muskelrelaxierend wirkenden Tranquilizer Chlormezanon (MUSKEL TRANCOPAL u.a.) betrachten
wir wegen des Risikos seltener, aber lebensbedrohlicher Haut- und Leberschäden als Altlast. Belege für Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei
chronischem Gebrauch als Muskelrelaxans fehlen.3
1 | Pharm. Ztg. 141 (1996), 3410 |
2 | ROUJEAU, J. C. et al.: N. Engl. J. Med. 333 (1995), 1600 |
3 | GADEHOLT, G.: Nytt fra Statens legemiddelkontroll Nr. 4 (1994), 13 |
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