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Neu auf dem Markt

LEUKOTRIEN-ANTAGONIST MONTELUKAST
(SINGULAIR) GEGEN ASTHMA

Erstmals seit über 20 Jahren kommt mit dem Leukotrien-Rezeptorantagonisten Montelukast (SINGULAIR) ein neues Wirkprinzip als Additivum zur Anfallsprophylaxe bei Asthma bronchiale auf den deutschen Markt. Ganz so einzigartig, wie es im Handelsnamen anklingt, ist Montelukast nicht: In anderen Ländern werden zwei weitere "Lukaste" angeboten: Zafirlukast (USA: ACCOLATE) und Pranlukast (Japan: ULTAIR). In den USA ist außerdem der Leukotrien-Synthesehemmer Zileuton (ZYFLO) im Handel.

Leukotriene, wie die Prostaglandine Abkömmlinge der Arachidonsäure, werden fast ausschließlich von Entzündungszellen wie Mastzellen und eosinophilen Granulozyten synthetisiert. Die sogenannten Cysteinyl-Leukotriene, früher als "Slow reacting substance of anaphylaxis" beschrieben, lösen bereits in tausendfach geringerer Konzentration als Histamin Bronchokonstriktion aus.1 Außerdem fördern sie Gefäßpermeabilität, Schleimsekretion und Anreicherung eosinophiler Granulozyten in den Atemwegen. Sie könnten an der Hyperplasie der Bronchialmuskulatur und des Atemwegsepithels bei Asthma beteiligt sein.2

Leukotrienantagonisten schwächen die asthmatische Frühreaktion nach Allergenexposition ab, in geringerem Ausmaß auch die Spätreaktion. Sie hemmen die durch Kälte provozierte Bronchokonstriktion sowie das Anstrengungsasthma, wobei hier offenbar ein Teil der Patienten nicht anspricht. Bei Asthmapatienten mit Analgetikaintoleranz sollen sich Überempfindlichkeitsreaktionen auf Azetylsalizylsäure (ASPIRIN u.a.) und andere nicht steroidale Entzündungshemmer mit Leukotrienantagonisten verhindern lassen. Die bronchodilatatorische Wirksamkeit scheint schwächer zu sein als die der Betamimetika. Die Effekte sollen sich aber addieren. Leukotrienantagonisten dämpfen darüber hinaus die bronchiale Hyperreaktivität und haben möglicherweise auch antientzündliche Effekte.3

Montelukast wird einmal täglich per os eingenommen. Das Mittel darf nur vorbeugend, nicht aber zur Behandlung eines akuten Anfalls verwendet werden.

KLINISCHER NUTZEN: Eine Phase-III-Studie mit 336 an Asthma erkrankten Kindern zwischen 6 und 14 Jahren ist veröffentlicht. Täglich 5 mg Montelukast als Kautablette zur Nacht bessern die Atemfunktion, gemessen an der Zunahme des forcierten exspiratorischen Volumens, deutlicher als Plazebo (8,2% vs. 3,6%). Der Bedarf an Betamimetika, Tage und Anteil der Kinder mit Verschlechterung des Asthmas sowie eosinophile Granulozyten im Blut nehmen ab. Die Lebensqualität steigt. Die Autoren selbst schätzen die Veränderungen als mäßig ein. Die Wirksamkeit setzt innerhalb eines Tages ein und hält während des achtwöchigen Studienverlaufs unverändert an. Auch Anwender inhalativer Kortikosteroide profitieren, ein möglicher Hinweis auf additiven Effekt.4

Drei zwölfwöchige plazebokontrollierte Prüfungen mit insgesamt 1.000 erwachsenen Asthmatikern wurden vor einem Jahr auf einem Kongress in San Franzisko vorgestellt.5 Danach soll sich die Dosis inhalativer Kortikoide durch täglich 10 mg Montelukast um 47% senken lassen im Vergleich zu 30% unter Scheinmedikament.5,6 Beschwerdefreie Tage sollen um 37% zunehmen, Tage mit Verschlechterung des Asthmas um 31% abnehmen. Montelukast soll deutlich besser vor Anstrengungsasthma schützen als Plazebo.5

Doppelblinde Vergleichsstudien mit den wichtigsten Asthmamitteln, den Kortikosteroiden, liegen offenbar gar nicht vor, sind aber zur Einschätzung der Zuverlässigkeit unabdingbar. Nach einem unveröffentlichten offenen Vergleich soll die Wirksamkeit von 10 mg Montelukast pro Tag einer Tagesdosis von 400 µg inhaliertem Beclometason (SANASTHMAX u.a.) entsprechen.7 Die Fachinformation zitiert jedoch eine vergleichende Untersuchung, in der Beclometason in dieser Dosierung besser abschneidet.8

UNERWÜNSCHTE EFFEKTE: Erwachsene klagen unter Montelukast häufig über Kopf- und Bauchschmerzen, Schwäche, Fieber, Verdauungsstörungen, Magen-Darm-Infektionen, Schwindel, Husten, Zahnschmerzen, behinderte Nasenatmung, Hautausschlag u.a. Bei Kindern stehen Kopfschmerzen, Fieber, Durchfall, Übelkeit, Pharyngitis und Sinusitis im Vordergrund.8

Als Ursache eines in Verbindung mit Zafirlukast beschriebenen CHURG-STRAUSS-Syndroms wird die Demaskierung einer vorbestehenden eosinophilen Vaskulitis vermutet, wenn bei Zusatzbehandlung die Dosis oraler Kortikosteroide gesenkt wird.9 Unter Montelukast ist das Syndrom bislang nicht dokumentiert. Da Daten fehlen, dürfen systemische Kortikoide bei Komedikation mit Montelukast nur äußerst vorsichtig reduziert werden.8

Montelukast wird durch das Zytochrom P450-3A4-Enzym verstoffwechselt. Enzyminduktoren wie Phenytoin (ZENTROPIL u.a.) können den Abbau beschleunigen.6

Langzeiterfahrungen mit Leukotrienantagonisten wie Montelukast sind sehr begrenzt. In klinischen Studien haben bisher 480 Patienten Montelukast über ein Jahr, 49 das Mittel über zwei Jahre eingenommen.10

KOSTEN: Der Leukotrien-Rezeptorantagonist Montelukast (SINGULAIR) wird bei einer Tagesdosis von 10 mg mit monatlich 117 DM zum Drei- bis Vierfachen der Kosten für täglich 500 µg inhaliertes Beclometason angeboten (monatlich 38 DM [SANASTHMAX] bzw. 30 DM [AEROBEC]).

FAZIT: Der Leukotrien-Rezeptorantagonist Montelukast (SINGULAIR) ist als Zusatzbehandlung bei Patienten mit mildem bis mäßigem Asthma zugelassen, die mit Betamimetika und inhalierten Kortikosteroiden nicht auskommen. Der Bedarf für eine zusätzliche Medikation bei dieser Patientengruppe erscheint uns jedoch nicht plausibel. Montelukast wird vorbeugend eingenommen. Es darf nicht zur Behandlung des akuten Asthmaanfalls verwendet werden. In der einzigen vollständig veröffentlichten klinischen Studie bringt das neue Wirkprinzip einen mäßigen Nutzen, der sich möglicherweise zu dem der Kortikosteroide addiert. Der therapeutische Stellenwert lässt sich noch nicht hinreichend beurteilen. Insbesondere fehlen doppelblinde Vergleichsstudien mit Kortikosteroiden. Angesichts mangelnder Langzeiterfahrungen erscheint uns Zurückhaltung bei der Verordnung außerhalb klinischer Untersuchungen angebracht.


© 1998 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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