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                            a-t 1998; Nr. 8: 69-70nächster Artikel
Im Blickpunkt

BEZAHLTE "FORTBILDUNG" UND REISEN:
GEZIELTER EINKAUF VON VERORDNERN

Der Leserbrief zu einem mit 300 DM honorierten "Fortbildungs"-Angebot (Gesprächskreis "LORZAAR im Focus") in a-t 4 (1998), 42 stimuliert Kollegen, uns ähnliche Offerten zu überlassen. So sollen im Auftrag von Glaxo Wellcome Hausärzte "Optimierungsvorschläge für die Praxis" der medikamentösen Migräne-Therapie erarbeiten ("Ärzte-Dialog Migräne", Honorar 250 DM). Im Auftrag von Hoechst Marion Roussel sollen Klinikärzte "Behandlungsrichtlinien zur effektiven Therapie der Herzinsuffizienz" unter "Mittelpunkt"-Fragen wie "Was spricht für den Einsatz von DELIX bei Postinfarktpatienten?" entwickeln (DELIX-Konzeptboards, Aufwandsentschädigung 400 DM). Mit 350 DM honoriert Hoechst Marion Roussel unter dem Motto "Ich überzeuge mich von MUNOBAL" eine "einfach durchzuführende Dokumentation von zehn Behandlungen" mit dem Kalziumantagonisten Felodipin. Die Lilly GmbH lässt für das Kunstinsulin HUMALOG (a-t 6 [1996], 57) honorierte Erfahrungsberichte anfordern, um diese zu einer Publikation umzuarbeiten.

Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn ist von solchen Werbeaktionen nicht zu erwarten. Die "Honorare" sind nicht üppig, doch geht es Marketingagenturen und Herstellern um Langzeiteffekte: die Bindung von Verordnern an ihre Produkte, über die diskutiert wird oder die "dokumentiert" werden sollen. Moderatoren, die mit ihrem Thema von Ort zu Ort reisen, tragen hierzu steuernd bei.

Wer ein langes Wochenende auf der englischen Kanalinsel Guernsey mit touristischem Programm genießen will, kann sich beispielsweise vom 18. bis 21. September dem "Reiseteam der Strathmann AG" anschließen. Die Teilnahmebedingungen erläutert uns ein niedergelassener Kollege aus Norddeutschland: "Bei Abnahme von mindestens 500 Ampullen THYM-UVOCAL ist ein ,Fortbildungswochenende' auf Guernsey automatisch als Belohnung enthalten. Die erste Reise sei aufgrund vieler Anmeldungen bereits ausgebucht", zitiert er einen Pharmareferenten der Firma.

Die Gewinnspanne der Produkte der Strathmann AG scheint enorm zu sein. Sie erlaubte der Firma 1996 bei einem Umsatz über öffentliche Apotheken von 150 Millionen DM (Herstellerabgabepreis), 60 Millionen DM für Werbung in den Medien auszugeben.1 Für THYM-UVOCAL erzielt Strathmann im Jahr 8 Millionen DM. Behandlungszyklen mit 12 bis 48 Injektionen und Kosten zwischen 100 DM und 500 DM sollen der "spezifischen Immunstimulierung" dienen: bei Immunschwäche, Tumoren, Präkanzerosen und in der Geriatrie. Einen wissenschaftlichen Nutzenbeleg für das Thymus-Produkt finden wir nicht.

Das israelische Gesundheitsministerium versucht, den "Fortbildungs"-Tourismus einzudämmen. 200 Ärzte, die zu einer viertägigen Veranstaltung der Firma Teva zum Pfizer-Antihypertensivum Doxazosin (CARDULAR) in die Türkei eingeladen waren, müssen wenige Stunden vor der Abreise die Koffer wieder auspacken: "Wir wollen nicht, dass öffentlich angestellte Ärzte auf Herstellerkosten in die Ferien reisen, auch wenn sie sich ein paar Alibi-Vorträge anhören".2

FAZIT: 500 anzeigenabhängige Zeitschriften richten sich in Deutschland mit einer Auflage von 4 Millionen Exemplaren an Ärzte und Apotheker. Auffällig häufig suchen Firmen jetzt den direkten Kontakt, um unter dem Deckmantel der Fortbildung Verordner in angenehmer Atmosphäre und beim obligatorischen "Imbiss" gezielt beeinflussen zu können. Der Finanzrahmen für solche Veranstaltungen scheint immer noch immens zu sein, zum Beispiel bei der Strathmann AG, die 40% ihres Umsatzes über öffentliche Apotheken für Werbung in den Medien ausgeben kann. Nebenbei: Wo liegt die Grenze zwischen Bewerben und Bestechen?

1  intern. prax. 37 (1997), 909
2  SIEGEL-ITZKOVICH, J.: Brit. Med. J. 317 (1998), 370


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