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MANIPULATION BEI "PILLEN" DER DRITTEN GENERATION:
WYETH HÄLT STUDIE ZU RISIKEN ZURÜCK


Die Firma Wyeth war bereits 1997 in Besitz einer Studie, die einen deutlichen Anstieg des Risikos tiefer Venenthrombosen unter der Einnahme von Kontrazeptiva der dritten Generation belegen soll. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden nie veröffentlicht. Dies deckt der holländische Radiosender VPRO auf (1,2).

Pillen mit den Gestagenen Desogestrel (in DESMIN, LOVELLE, MARVELON u.a.) und Gestoden (in FEMOVAN, MINULET u.a.) verdoppeln das Risiko venöser Thromboembolien im Vergleich zu Kontrazeptiva der zweiten Generation mit Gestagenen wie Levonorgestrel (z.B. in MINISISTON, MICROGYNON u.a.; a-t 1999; Nr. 10: 111 und 2000; 31: 101-2). In mehreren Studien bestätigen Untersuchungen unabhängiger Forscher die Gefährdung, während Hersteller-gesponserte Studien kein erhöhtes Risiko erkennen lassen (1). "Jetzt wissen wir warum," kommentiert ein klinischer Epidemiologe der Universität Leiden: "Unbequeme Studien werden offensichtlich von den Herstellern nicht veröffentlicht" (2). So wird die Risikobilanz der Drittgenerationspillen geschönt.

Erst 1999 hat Wyeth die Daten der Europäischen Arzneimittelbehörde EMEA überlassen (2) - vermutlich auf Druck der britischen und deutschen Gesundheitsbehörden. Wyeth (UK) rechtfertigt die Nichtveröffentlichung: "Die Studie liefert keine neuen wissenschaftlichen Informationen" (1). Firmen erachten wissenschaftliche Daten offensichtlich als Privatbesitz. Unterbleibt jedoch die Veröffentlichung von Negativergebnissen, fallen Auswertungen der zugänglichen Studien falsch positiv aus ("Veröffentlichungs-Bias"; a-t 1996; Nr. 6: 56). Besonders relevant ist dies für den sensiblen Bereich der Risikoabschätzung und -abwehr. So konnten 1998 die Hersteller von "Pillen" der dritten Generation beim Verwaltungsgericht Berlin die Aufhebung von Anwendungseinschränkungen für Desogestrel- und Gestoden-haltige Kontrazeptiva durchsetzen. Das "vermeintliche Risiko" sei "reine Spekulation", so die Urteilsbegründung (a-t 1998; Nr. 1: 1-2).

Nach Hochrechnungen auf der Basis unabhängiger Untersuchungen erhöhen Drittgenerationspillen pro eine Million Anwenderinnen und Jahr das Risiko um 100 tiefe Venenthrombosen, 20 Lungenembolien und 4 Todesfälle (a-t 1997; Nr. 5: 52). Deshalb fällt die Abwaegung von Nutzen und Schaden für Drittgenerationspillen negativ aus.

1

VAN HETEREN, G.: Brit. Med. J. 2001; 322: 571

2

WEBER, W.: Lancet 2001; 357: 779



© Redaktion arznei-telegramm
blitz-a-t 15. März 2001

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