logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2001; 32: 119-20nächster Artikel
Korrespondenz

VORBEHALTE GEGEN FENTANYL-TTS

1996 hat die Firma Janssen Fentanyl-TTS (DUROGESIC) auf den Markt gebracht. Sehr schnell kamen mir Zweifel: Mit dem Pflaster applizieren wir im Grunde eine Infusion, die wir nicht so einfach wieder beenden können, da sich ein subkutanes Fentanyl-Depot bildet, aus dem auch nach Entfernen des Pflasters über viele Stunden weiter Wirkstoff abgegeben wird. Dies macht Probleme besonders bei häufig wechselnder Schmerzintensität (und welcher Schmerz ist immer gleich stark?).

Eine (von Janssen unterstützte) randomisierte Doppelblindstudie aus Skandinavien mit Fentanyl-TTS bei Tumorpatienten konnte einen Effekt des Verums nicht nachweisen - "auf Grund eines unerwartet hohen Plazebo-Effektes".1 War es vielleicht vor allem der Effekt der zusätzlich verabreichten Rescue-Medikation mit schnell freisetzendem Morphin?

In den USA kam ein Bestatter ums Leben, der von einer Leiche das Fentanyl-Pflaster entfernt und sich selbst aufgeklebt hatte - in der Absicht, seine eigenen Schmerzen zu lindern.2 In Deutschland hörte man immer wieder, dass Kollegen ihren Patienten rieten, das Pflaster durchzuschneiden - in einem Fall konnte nur das beherzte Eingreifen seiner Freundin den jungen Patienten retten, der eine opiatbedingte Atemdepression entwickelt hatte - offenbar, weil das hoch konzentrierte Fentanyl direkt in die Haut eingedrungen war.3

Wie hoch die Dunkelziffer solcher Vorfälle ist, kann ich nur spekulieren. Ein Kollege berichtete mir von einem alten Patienten, bei dem ein anderer Kollege von Fentanyl-Pflaster auf ein orales retardiertes Opioid umgestellt habe. Da er das Hautdepot nicht berücksichtigte, begann er sofort mit der oralen Gabe. In der folgenden Nacht starb der Patient - wahrscheinlich an einer Opioid-bedingten Atemdepression.

Ein Grund, warum nicht noch mehr Patienten zu Schaden kommen, scheint mir zu sein, dass das Pflaster häufig nicht richtig klebt. Gerade Tumorpatienten schwitzen oft stark. Dadurch hebt sich das Pflaster von der Haut ab und bildet Blasen.

So werden durch unkritischen Einsatz Patienten gefährdet, dennoch ist die Schmerztherapie oft insuffizient. Etlichen Patienten konnte ich durch die Umstellung auf ein orales retardiertes Opioid (Morphin, Hydromorphon oder Oxycodon) eine suffiziente Analgesie verschaffen, die sie ebenso gut vertrugen wie das Fentanyl- Pflaster - oder sogar besser. Auch Tumorpatienten können bis kurz vor ihren Tod sicher oral eingestellt werden. In der letzten Lebensphase ist die s.c.- oder i.v.-Gabe weit sicherer durchführbar als die Pflastertherapie.

Dr. med. M. STIEHL (Facharzt f. Anästhesie, Schmerztherapeut)
D-55743 Idar-Oberstein

© 2001 arznei-telegramm

Autor: angegebene Leser bzw. Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 2001; 32: 119-20nächster Artikel