Tetrahydrobiopterin bei milder Phenylketonurie: Die Hyperphenylalaninämie ist der häufigste genetische Defekt im
Aminosäurestoffwechsel (Inzidenz 1 : 6.500 Neugeborenen). Zu 98% liegen Mutationen im Gen der Phenylalaninhydroxylase vor. Minderung oder
vollständiger Verlust der Aktivität des Enzyms, das in Verbindung mit dem Kofaktor Tetrahydrobiopterin Phenylalanin zu Tyrosin oxidiert, ist die Folge. Ohne
Behandlung kumuliert Phenylalanin und führt zu geistiger Behinderung und neurologischen Symptomen.
Unmittelbar nach der Diagnose muss daher eine strikt Phenylalanin-arme Diät begonnen werden. Mit zunehmendem Alter wird diese jedoch von Kindern und
Jugendlichen schlechter befolgt (MELI, C., BIANCA, S.: Lancet 2002; 360: 2075-6). Nur wenige der Patienten (1-2%) haben einen Kofaktormangel. Substitution von
Tetrahydrobiopterin erweist sich dann als wirksam. Inzwischen werden jedoch auch bei Patienten mit normaler Biosynthese des Kofaktors unter pharmakologischen
Dosierungen in kleinen Untersuchungen und Erfahrungsberichten günstige Effekte beobachtet (SEASHORE, M.R.: N. Engl. J. Med. 2002; 347: 2094-5). Eine
Münchener Arbeitsgruppe bestätigt jetzt in einer Studie, die ohne Sponsoring durch die Pharmaindustrie zustande gekommen ist, den Nutzen von
Tetrahydrobiopterin (Schircks Laboratories, Schweiz). 10 mg/kg/Tag senken die Phenylalaninspiegel bei 27 (87%) von 31 Kindern mit milder
Hyperphenylalaninämie bzw. milder Phenylketonurie. Jedoch spricht keiner von sieben Patienten mit klassischer Phenylketonurie (Phenylalanin im Plasma
über 1.200 ?mol/l) an. In einem im Mittel siebenmonatigen Versuch mit fünf Kindern (4 bis 14 Jahre) mit milder Erkrankung wird Phenylalanin-arme
Diät durch Tetrahydrobiopterin per os ersetzt. Darunter nimmt die Eiweiß (Phenylalanin)-Toleranz deutlich zu. Die mittleren Phenylalaninkonzentrationen
unterscheiden sich dabei unter Diät oder Tetrahydrobiopterin nicht. Bei milder Erkrankung könnte somit eine Lockerung der Diät möglich sein,
die die Lebensqualität erhöht. Die Ergebnisse müssen durch größere kontrollierte Studien bestätigt werden. Auch sind die geeignete
Dosierung und die Sicherheit der Langzeiteinnahme zu prüfen (MUNTAU, A.C.: N. Engl. J. Med. 2002; 347: 2122-32). Schlafstörungen, exzessive
Harnproduktion und weiche Stühle sind als Störeffekte beschrieben. Angesichts der unbekannten Risiken ist derzeit von der Anwendung des für
diese Indikation nicht zugelassenen Mittels außerhalb kontrollierter Studien dringend abzuraten, -Red.
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