Screening-Tests auf Prostata-spezifisches Antigen (PSA) zur Früherkennung des Prostatakarzinoms werden in Deutschland von den gesetzlichen
Krankenkassen (GKV) bislang nicht bezahlt. Diese Regelung wird dem internationalen Kenntnisstand gerecht: Ein Nutzen des Screenings im Sinne eines
verlängerten Überlebens der Männer ist nicht belegt.1,2 Dessen ungeachtet wird in der aktuellen Debatte, die durch eine Ende letzten
Jahres vorgelegte Leitlinie3 mit positiver Bewertung des PSA-Tests als Früherkennungsmaßnahme angestoßen wurde, die Einführung
eines allgemeinen PSA-Screenings mit Kostenübernahme durch die GKV gefordert.
Konzepte zur Früherkennung von Krebs können eine hohe Plausibilität für sich beanspruchen. Es scheint unmittelbar evident, dass eine
frühzeitige Diagnose und Behandlung auch von klinisch unauffälligen malignen Erkrankungen Gesundheit und Leben rettet. Dass die gezielte Suche
nach Krebs bei gesunden Menschen keinen Gewinn im Sinne einer Morbiditäts- und Mortalitätssenkung bringen und somit keine anderen Konsequenzen
haben könnte als die Risiken der Verängstigung und gefährlicher diagnostischer und therapeutischer Folgeeingriffe, will nur schwer einleuchten. In
der öffentlichen Diskussion um Screening-Programme wird ein Nutzen häufig mit fragloser Gewissheit als gegeben vorausgesetzt, während die
Schädigungspotenziale nicht wahrgenommen werden.
Das Prostatakarzinom ist heute einer der am häufigsten diagnostizierten Tumoren bei Männern. Die meisten Männer mit Prostatakrebs sterben jedoch
mit und nicht an dem Karzinom. Nach US-amerikanischen Daten beträgt die Lebenszeitwahrscheinlichkeit eines 50-Jährigen, ein mikroskopisch fassbares
Prostatakarzinom zu entwickeln, 42%, das Lebenszeitrisiko, an Prostatakrebs zu versterben, aber nur 3%.4 Welcher mikroskopische Tumor einen
aggressiven Verlauf nimmt, lässt sich nicht vorhersagen. Neben den Problemen durch falsch positive, falsch negative und unsichere Befunde gilt daher als das
Hauptproblem des Screenings auf Prostatakrebs die so genannte Überdiagnostik - die Entdeckung von Krebs, der unentdeckt und unbehandelt den
betroffenen Mann zeitlebens nicht beeinträchtigt hätte. Einer Schätzung zufolge wären bis zu 44% der durch Screening entdeckten
Prostatakarzinome in dem Sinne "überdiagnostiziert", dass sie ansonsten nur bei Autopsie entdeckt worden wären.5 Die von Überdiagnostik
betroffenen Männer haben nur die Nachteile des Screenings, darunter insbesondere Impotenz und Inkontinenz als häufige und belastende Folgen der
radikalen Prostatektomie oder Störungen der Sexual- und Darmfunktion als Folge einer Strahlentherapie. Hinzu kommt die psychische Belastung durch eine
Krebsdiagnose, auch bei denen, die sich für kontrolliertes Abwarten entscheiden. Da andererseits auch von den durch gezielte
Früherkennungsmaßnahmen entdeckten Tumoren nicht alle heilbar sind - nach Angaben der aktuellen Leitlinie sind bis zu 25% von vornherein nicht
kurativ behandelbar3 - lässt sich ohne Prüfung in randomisierten kontrollierten Studien ein Überwiegen von Nutzen oder Schaden des
Screenings nicht abschätzen.
Einen solchen Nutzennachweis im Sinne verminderter Morbidität und Mortalität gibt es für das PSA-Screening nicht. Die einzige abgeschlossene
randomisierte kontrollierte Studie kann bei methodisch korrekter Auswertung keinen Effekt nachweisen.6,7 Ergebnisse von zwei laufenden Studien sind erst
in einigen Jahren zu erwarten. Befürworter berufen sich auf die sinkende Sterblichkeit in den USA nach Einführung des PSA-Screenings. Vergleichende
epidemiologische Studien ergeben aber eine ähnliche Entwicklung der Sterblichkeit in Regionen mit intensivem und wenig intensivem Screening.1,2
Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin hat sich in einer aktuellen Stellungnahme gegen die breite Einführung des Screenings
ausgesprochen.1
Ob das PSA-Screening zur Früherkennung des Prostatakarzinoms das
Überleben von Männern verlängert, ist nicht erwiesen.
Das Screening kann schaden, vor allem durch die Folgen der
Überdiagnostik.
Die Screeningmaßnahme sollte unseres Erachtens bis zum Vorliegen von
aussagekräftigen Nutzenbelegen nicht aktiv angeboten werden.
Männer, die das Screening wünschen, sollten sorgfältig über
den fehlenden Nutzennachweis und die potenziellen Risiken aufgeklärt werden.
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