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Im Blickpunkt

COPD: KORTIKOID UND LANG WIRKSAMES BETAMIMETIKUM ALS FIXKOMBINATION?

Nach den GOLD*-Empfehlungen1 sollen inhalative Kortikoide bei mäßiggradiger oder schwerer chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) erwogen werden, wenn ein oder zwei Bronchodilatatoren nicht ausreichen, ein Versuch über sechs bis zwölf Wochen die Lungenfunktion nachweislich verbessert und/oder häufige Exazerbationen Antibiotika und orale Steroide erfordern. Erreicht wird eine Besserung der Symptomatik. Ob das Fortschreiten der COPD verzögert wird, ist unbekannt, die optimale Therapiedauer offen. Als Bronchodilatatoren werden je nach Situation und individuellem Ansprechen kurz oder lang wirksame Betamimetika, Anticholinergika und Theophyllin (SOLOSIN u.a.) genannt. Mit Budesonid/Formoterol (SYMBICORT) ist seit Februar die erste Fixkombination aus Steroid und lang wirksamem Betamimetikum für die COPD zugelassen, die Zulassung von Fluticason/Salmeterol (ATMADISC, VIANI) wird in den nächsten Monaten folgen. Zwei von den Herstellern gesponserte Studien bilden die Grundlage für diese Entscheidung.

In einer vierarmigen Studie wird Budesonid/Formoterol (2 x tgl. 160/4,5 µg) bei 812 Patienten mit seit Jahren bestehender mäßiger oder schwerer COPD und häufigen Exazerbationen zwölf Monate lang mit Budesonid (PULMICORT u.a.; 2 x tgl. 200 µg) oder Formoterol (FORADIL, OXIS; 2 x tgl. 4,5 µg) allein und mit Plazebo verglichen.2 Vormedikationen mit systemischen Kortikoiden und Antibiotika müssen vier Wochen, inhalative Kortikoide (25%) zwei Wochen, alle Bronchodilatatoren (17% bis 69%) 6 bis 48 Stunden vor Beginn abgesetzt werden. Während der Studie sind zur COPD- Therapie neben der Prüfmedikation nur kurz wirksame Betamimetika erlaubt. 34% der Patienten brechen die Studie vorzeitig ab, vorwiegend wegen Verschlechterung. Primärer Endpunkt ist die Häufigkeit schwerer Exazerbationen (Bedarf an oralen Kortikoiden und/oder Antibiotika und/oder Klinikeinweisung). Budesonid/Formoterol mindert die Rate mit 1,42/Patient/Jahr signifikant gegenüber Plazebo (1,87; p = 0,035) und Formoterol (1,84; p = 0,043), nicht aber gegenüber Budesonid (1,59). Wie die Prüfhypothese lautet und ob eine Korrektur für multiples Testen erfolgt ist, wird nicht angegeben. Die behauptete Auswertung nach "Intention-to-treat" ist nicht überprüfbar, ebenso wenig die Gewährleistung einer verblindeten Zuteilung und Behandlung. Bei einigen Parametern zum exspiratorischen Flow schneidet die Kombination besser ab als die Einzelkomponenten und diese wiederum besser als Plazebo. Wegen unzulänglicher Methodik und des praxisfernen Konzeptes kann die Studie den Nutzen der Fixkombination unseres Erachtens nicht belegen. Vor dem Hintergrund etablierter Therapieempfehlungen bei COPD bestehen außerdem Zweifel an ihrer ethischen Vertretbarkeit.

In der methodisch valideren TRISTAN**-Studie3 wird Fluticason/Salmeterol (2 x tgl. 500/50 µg) bei 1.465 Patienten mit ähnlich schwerer COPD zwölf Monate lang mit Fluticason (ATEMUR, FLUTIDE; 2 x tgl. 500 µg), Salmeterol (AEROMAX, SEREVENT; 2 x tgl. 50 µg) oder Plazebo verglichen. Systemische oder höhere Dosierungen inhalativer Kortikoide (täglich mehr als 500 µg Fluticason oder 1.000 µg Budesonid) oder Antibiotika in den letzten vier Wochen sind Ausschlussgrund. Inhalative Kortikoide (52%) und lang wirksame Betamimetika (40%) werden zwei Wochen vor Beginn abgesetzt, kurz wirksame Betamimetika, Anticholinergika und Theophyllin können weiter verwendet werden. 31% der Patienten brechen die Studie vorzeitig ab. Die exspiratorische Einsekundenkapazität (primärer Endpunkt, Surrogatparameter) nimmt im Verlauf der Studie sowohl unter der Fixkombination (+10%) als auch unter Fluticason (+2%) bzw. Salmeterol (+2%) zu, unter Plazebo (-5%) dagegen ab. Alle drei Verum-Regime schneiden besser ab als Plazebo, die Fixkombination außerdem besser als die Einzelsubstanzen. Bei anderen Funktionstests zeigen sich ähnliche Ergebnisse. Akute Exazerbationen (orale Kortikoide und/oder Antibiotika erforderlich) pro Patient und Jahr werden nur als sekundärer Parameter untersucht. Sie sind unter Fluticason/Salmeterol (0,97), Fluticason (1,05) und Salmeterol (1,04) seltener als unter Plazebo (1,30). Zwischen den aktiven Therapien lassen sich aber keine signifikanten Unterschiede nachweisen. Dies gilt auch für die Zeit bis zur ersten Exazerbation, die Notwendigkeit stationärer Aufnahmen und Symptome wie Husten, Sputumproduktion und -farbe. Die Fixkombination wirkt sich geringfügig besser auf die Lebensqualität aus als Fluticason, verhindert nächtliches Erwachen etwas besser als Salmeterol und senkt die nötige Bedarfsmedikation etwas stärker als beide Einzelsubstanzen. Einen klaren Vorteil der Fixkombination belegen die Daten jedoch nicht.

In beiden Studien werden hoch selektierte Patienten untersucht und vor Beginn medikamentöse Behandlungen ganz oder teilweise beendet. Therapieerfolge nach Verschlechterung einer Erkrankung infolge Entzug wirksamer Behandlungen sind jedoch als Wirksamkeitsbeleg nicht zu akzeptieren.4 Klinische Vergleiche mit Anticholinergika und Theophyllin liegen nicht vor. Der Gebrauch von Kortikoid/Betamimetikum-Fixkombinationen würde individuelle Therapien mit den Einzelsubstanzen blockieren, die vor allem für inhalative Kortikoide wegen ihrer unklaren Risiko/Nutzen-Bewertung bei COPD dringend notwendig sind.

 Der therapeutische Stellenwert von Fixkombinationen aus inhalativem Kortikoid und lang wirksamem Betamimetikum bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ist unklar.

 Ein Wirksamkeitsvorteil gegenüber den Einzelsubstanzen ist auch bei schwerer COPD nicht belegt.

 Falls Bronchodilatatoren einschließlich Anticholinergika nicht reichen, sollte ein inhalatives Kortikoid in freier Kombination und zunächst befristet ergänzt werden. Die optimale Dauer ist offen.

 Häufige Exazerbationen und eine nachgewiesene Besserung der Lungenfunktion unter Inhalation eines Kortikoids sind dabei Voraussetzung für die Verordnung.


© 2003 arznei-telegramm

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