Die kürzlich publizierte PREVENT*-Studie1 zur Rezidivprophylaxe nach idiopathischer venöser Thromboembolie belegt den Vorteil
einer langjährigen niedrig dosierten oralen Antikoagulation (INR 1,5-2) gegenüber Plazebo. Offen blieb, ob die niedrige Dosis bei hohem Rezidivrisiko eine
langfristige Antikoagulation in konventioneller Dosierung (INR 2-3) ersetzen kann (siehe a-t 2003; 34: 28).
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PREVENT = Prevention of Venous Thromboembolism
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Jetzt vergleicht die kanadische ELATE**-Studie2 die Sicherheit einer niedrig dosierten mit konventionell dosierter Antikoagulation bei idiopathischer
Thromboembolie (keine aktive Tumorerkrankung, Operation oder Fraktur, kein Trauma). Alle 738 Patienten sind zunächst mindestens drei, im Mittel zwölf
Monate lang auf eine Antikoagulation in üblicher Dosis (INR 2-3) eingestellt, die dann nach Randomisierung unter doppelter Verblindung weitergeführt
oder auf geringe Intensität (INR 1,5-1,9) umgestellt wird. 69% haben in der Anamnese mehr als eine Thromboembolie, 11% mehr als einen Risikofaktor für
Blutungen wie Alter über 64 Jahre, Insult, Ulkus oder Magen-Darm-Blutung in der Vorgeschichte, Nieren- oder Leberfunktionsstörung, Anämie,
Thrombopenie, Diabetes oder Einnahme von Thrombozyten-Aggregationshemmern. Die mittlere Beobachtungsdauer beträgt 2,4 Jahre.
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ELATE = Extended Low-Intensity Anticoagulation for Thrombo-Embolism;
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Die staatlich finanzierte Studie erscheint methodisch valide durchgeführt. 63% bzw. 69% der INR-Werte liegen im angestrebten Bereich. Der Nachweis einer
besseren Verträglichkeit der niedrigen Dosis (Prüfhypothese) misslingt. Unter niedrig dosierter Antikoagulation kommt es in 100 Behandlungsjahren zu 1,1
Blutungskomplikationen (Hb-Abfall um mehr als 2 g/dl, mehr als ein Erythrozytenkonzentrat erforderlich, kritische Organeinblutung), unter konventioneller Dosierung
zu 0,9. Auch Blutungen insgesamt sind in der Niedrigdosisgruppe eher häufiger (4,9 vs. 3,7 in 100 Patientenjahren; nicht signifikant). Rezidive symptomatischer
venöser Thromboembolien (1,9 vs. 0,7; p=0,03) und Todesfälle (1,9 vs. 0,9; p=0,09) sind als sekundäre Endpunkte definiert und unter konventionell
dosierter Antikoagulation tendenziell seltener. Die Ereigniskurve für Thromboembolien steigt unter niedrig dosierter Antikoagulation deutlich steiler an.
Offen bleibt weiterhin die optimale Dauer der Antikoagulation. Nach derzeitigem Kenntnisstand aus kontrollierten Studien1,3-5 erscheinen
mindestens zwölf Monate erforderlich. Bei Entscheidungen über eine längere Therapie sind individuelles Blutungs- und Rezidivrisiko,
Präferenzen und Compliance des Patienten und nicht zuletzt die Überwachungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.6
Die ELATE-Studie schließt eine Wissenslücke: Nach idiopathischer
Thromboembolie ist eine niedrig dosierte Langzeit-Antikoagulation nicht sicherer, aber weniger wirksam als konventionelle Dosierungen.
Zur Rezidiv-Prophylaxe nach idiopathischen Thromboembolien sollten in der Regel
INR-Werte von 2-3 angestrebt werden.
Die optimale Dauer der Antikoagulation bleibt weiter offen. Sie soll mindestens
zwölf Monate betragen. Die Entscheidung für oder gegen eine längere Therapie richtet sich nach individuellem Blutungs- und Rezidivrisiko sowie
Sicherheit der Therapiekontrolle, Compliance und Präferenzen der Patienten.
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