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Originalarbeit

SIND DIE AUSSAGEN MEDIZINISCHER WERBEPROSPEKTE KORREKT?

T. KAISER, H. EWERS, A. WALTERING, D. BECKWERMERT, C. JENNEN, P.T. SAWICKI*

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Korrespondenz an Prof. Peter T. Sawicki, St. Franziskus Hospital, Abt. für Innere Medizin, Schönsteinstr. 63, 50825 Köln, Tel. (02 21) 55 91 11 01. Peter.Sawicki@online.de

DIeM - Institut für evidenzbasierte Medizin, Köln (http://www.di-em.de)

Ärztliche Entscheidungen in der Praxis werden weniger durch eine kritische eigenständige Bewertung der wissenschaftlichen Literatur als vielmehr durch aufbereitete externe Informationen, die meist von der Pharmaindustrie über ihre Referenten vermittelt werden, determiniert.1 Somit haben die Werbeaussagen von Pharmareferenten eine entscheidende steuernde Funktion im Gesundheitswesen und beeinflussen die Qualität und Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Handlungen.2,3 Wiederholt sind erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Korrektheit der Aussagen in Publikationen der pharmazeutischen Industrie geäußert worden.3-5 Aussagen in Werbeanzeigen in internationalen Fachzeitschriften entsprechen in vielen Fällen nicht den Ergebnissen der diesbezüglichen wissenschaftlichen Originalpublikationen.6

Die Evaluation der Einflüsse von pharmazeutischen Unternehmen auf ärztliches Verschreibungsverhalten bezieht sich weitgehend auf Daten aus den Vereinigten Staaten von Amerika und aus England. Untersuchungen aus Deutschland liegen dazu nicht vor. Die direkt in der ärztlichen Praxis weitergegebenen Werbeinformationen sind unseres Wissens noch nie auf ihre Transparenz und Validität untersucht worden. Wir haben daher eine Studie in ärztlichen Praxen im Raum Nordrhein durchgeführt, mit dem Ziel, die Nachprüfbarkeit und die Zuverlässigkeit von schriftlichen Werbeaussagen, die niedergelassenen Ärzten per Post zugeschickt oder von Vertretern der pharmazeutischen Industrie ausgehändigt werden, zu beschreiben.

METHODEN: 54 zufällig ausgesuchte Praxen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte im Bereich Allgemeinmedizin und Innere Medizin im Raum Nordrhein wurden bezüglich einer Studienteilnahme angesprochen. Davon äußerten 43 Praxen (80%) Interesse und nahmen an der Evaluation teil. Sie wurden gebeten, alle in der Praxis im Juni des Jahres 2003 abgegebenen oder zugesandten schriftlichen Informationen der pharmazeutischen Industrie zu sammeln.

Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 293 unterschiedliche Werbeprospekte abgegeben. 118 Prospekte enthielten keine inhaltliche medizinische Aussage (z.B. Reiseinformationen, Preisvergleiche) und wurden von der Auswertung ausgeschlossen. In die Evaluation wurden also 175 Prospekte mit mindestens einer konkreten medizinischen Aussage eingeschlossen. Für alle inhaltlichen medizinischen Aussagen wurden in den Prospekten Literaturangaben oder andere Quellenangaben gesucht. Alle zitierten und auffindbaren Originalarbeiten wurden herausgesucht und inhaltlich mit den korrespondierenden Aussagen der Prospekte verglichen. Die Materialien wurden von zwei speziell ausgebildeten Reviewern unabhängig voneinander nach einer strukturierten Bewertungstabelle bezüglich ihrer Transparenz und Kongruenz mit der Originalliteratur beurteilt.

Als transparent wurden Werbebroschüren eingestuft, die ihre Aussagen mit einem Literaturzitat belegten, das dem Leser ermöglichte, in der Originalpublikation die Informationen der Werbebroschüre nachzuvollziehen.

Als kongruent mit der Originalliteratur wurden Aussagen und Prospekte eingestuft, die bezüglich der untersuchten prädefinierten Patientengruppe, des Studiendesigns, der statistischen Signifikanz und der Effektgröße der Ergebnisse mit der korrespondierenden Originalpublikation ganz übereinstimmten, sodass sich die Hauptaussage bzw. Einzelaussage aus der zitierten Literatur zweifelsfrei ableiten ließ.

Bei 79% der Prospekte und 81% der Aussagen stimmten die voneinander unabhängigen Reviewer in der Einstufung miteinander überein. Bei nicht- übereinstimmender Beurteilung wurde ein drittes unabhängiges Review durchgeführt. Das Gesamtergebnis der drei Reviews war in diesen Fällen für die endgültige Beurteilung ausschlaggebend.

ERGEBNISSE: 27 (15%) der 175 Werbeprospekte mit mindestens einer medizinischen Aussage enthielten kein einziges wissenschaftliches Literaturzitat, das die Prospektaussagen belegen würde. 38 der 175 Werbeprospekte (22%) enthielten zwar eine oder mehrere Quellenangaben, ein Auffinden der Originalpublikation war aber in keinem Fall möglich (z.B. "data on file" oder nicht eindeutige Zitierweise). Insgesamt fehlten somit in 65 von 175 Prospekten (37%) jegliche überprüfbaren Literaturzitate (siehe Tabelle 1).

Von den verbliebenen und inhaltlich bewerteten 110 Prospekten waren 49 vollständig aussagentransparent, d.h. sie enthielten ausnahmslos mit auffindbaren Literaturzitaten hinterlegte medizinische Aussagen. Die in den übrigen 61 Prospekten getroffenen Aussagen waren nur zum Teil mit auffindbaren Literaturzitaten versehen. 126 (65 + 61; 72%) der 175 Werbebroschüren enthielten somit mindestens eine Aussage, die sich nicht durch ein auffindbares Zitat überprüfen ließ.

11 der 110 bewerteten beziehungsweise 7 der 49 vollständig aussagentransparenten Prospekte stimmten bezüglich o.g. Kriterien mit der zitierten Originalliteratur überein (kongruent). Bezogen auf die Grundgesamtheit von 175 evaluierten Werbeprospekten waren also 6% der Werbeprospekte (n = 11) in ihren Quellenangaben zumindest teilweise transparent und entsprachen in ihren Aussagen nachvollziehbar der zugrundeliegenden und im Prospekt zitierten Originalliteratur (siehe Tabelle 2).

In den 175 Werbeprospekten waren insgesamt 520 verschiedene konkrete medizinische Aussagen enthalten (range: 1-23; Mittelwert 3). Von diesen 520 Aussagen waren 218 (42%) durch Quellenangaben belegt und wurden bezüglich ihrer Validität beurteilt. 41 Werbeprospektaussagen stimmten inhaltlich mit den Aussagen der zitierten Originalliteratur überein. Dies entspricht 8% bezogen auf die Gesamtzahl aller 520 Werbeprospektaussagen beziehungsweise 19% der 218 Aussagen mit hinterlegten Literaturzitaten.

Wir haben in unserer Untersuchung in keinem Werbeprospekt eine hinreichende Übersicht der themenrelevanten wissenschaftlichen Literatur gefunden. Falls sich überhaupt Literaturzitate finden, ist die Auswahl meist auf solche beschränkt, die für das betreffende Produkt zumindest teilweise positive Aspekte enthalten. Darüber hinaus fällt in vielen Werbeprospekten auf, dass Hauptaussagen, die nicht durch wissenschaftliche Zitate belegt werden können, mit angeblich durch Literatur belegten Fakten vermischt sind. Dadurch entsteht der Eindruck von wissenschaftlicher Objektivität für die Gesamtaussage, obwohl diese Behauptungen zum großen Teil selbst nicht wissenschaftlich begründet sind. Aber auch die allermeisten direkt und eindeutig durch Zitate belegten Aussagen entsprechen inhaltlich nicht der Originalliteratur. Diese fehlende Kongruenz der Werbeprospektaussagen mit der zitierten Originalliteratur bezieht sich auf drei Hauptbereiche:

eine direkt falsche Wiedergabe von Inhalten,

Unterschlagung von wesentlichen Aspekten der zitierten Studien und

Aussagen, die sich nicht in der zitierten Originalpublikation finden lassen.

Insbesondere werden Medikamentennebenwirkungen verschwiegen und therapeutische Effekte des beworbenen Präparates übertrieben. Darüber hinaus werden Wirkungen für ein Patientenkollektiv postuliert, bei dem sie gar nicht untersucht worden sind. Basisrisiken und therapeutische Risikoreduktionen werden übertrieben, Ergebnisse aus Tierversuchen werden als Daten aus Humanstudien dargestellt.

Im Folgenden stellen wir zur Verdeutlichung exemplarisch einige Fälle der Faktenmanipulation dar:

Falsche Wiedergabe von Leitlinieninhalten - Auf der ersten Seite eines Werbeprospekts der Firma Cassella-med GmbH zu LIMPTAR N (Chininsulfat) wird angegeben: "Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) empfiehlt: LIMPTAR N." Das Präparat wird als "gut verträglich" bezeichnet. Als Beleg wird die Leitlinie zur Behandlung von Muskelkrämpfen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vom 15. Mai 2002 angegeben. In der zitierten Leitlinie wird zwar Chininsulfat als "wirksam" bezeichnet (ohne Angabe eines Evidenzgrades), jedoch wird dabei auf "seltene schwere Nebenwirkungen" hingewiesen und diese Aussage mit dem höchsten Evidenzgrad versehen. Chininsulfat erhält daher in der Leitlinie keine besondere Empfehlung, sondern eine Warnung vor schwerwiegenden Nebenwirkungen.

Geänderte Leitlinieninhalte - Die Firma Sanofi-Synthelabo schreibt in einem Prospekt für PLAVIX (Clopidogrel) zum Management des akuten Koronarsyndroms: "Fachgesellschaften empfehlen: Langzeittherapie mit Clopidogrel & ASS, Dauer der Therapie mindestens 12 Monate". In der zitierten Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (Eur. Heart J. 2002; 23: 1809-40) wird ein anderer Zeitraum angegeben: "...mindestens 9, evtl. auch 12 Monate...". Die notwendige Mindestverschreibungsdauer wird verlängert.

Verharmlosung von Nebenwirkungen - Über CORIFEO (Lercanidipin) schreibt ucb Pharma: "Verträglichkeit auf Plazeboniveau". Als Beleg wird Cardiovascular Drug Reviews 15 (3); 187-219, 1997 zitiert. Die zitierte Übersichtsarbeit über präklinische und klinische Daten zum Wirkstoff Lercanidipin stellt Verträglichkeitsdaten in einer Tabelle übersichtlich dar. Ein Blick in den Originalartikel zeigt: Kardiovaskuläre Nebenwirkungen (z.B. Ödeme, Tachykardien, Flush und andere) kommen unter Lercanidipin in der beworbenen Dosis 2- bis 20fach häufiger vor als unter Plazebo.

Ausweitung des Indikationsgebiets durch falsche Beschreibung der untersuchten Patientengruppe - Die Firma Aventis führt über DELIX (Ramipril) aus, dass für dieses Präparat eine "signifikante Risikoreduktion von kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall, und Herzinsuffizienz ... als Blutdruck-unabhängige Risikoreduktion" belegt sei. Die im Prospekt zitierte HOPE-Studie (N. Engl. J. Med. 2000 Jan 20; 342 (3): 145-53) schloss nach Angaben der Firma "9297 normotone Atherosklerose-Patienten" ein. Dies ist falsch: Erstens war Bluthochdruck im Studiendesign eine von mehreren Erkrankungen, die Probanden als "Hochrisiko-Patienten" definierten und notwendig für den Einschluss waren, weshalb fast die Hälfte der untersuchten Probanden einen manifesten Hypertonus bei Studienbeginn aufwiesen. Zweitens war der Blutdruck über den Studienverlauf in der Interventionsgruppe signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Folge: Eine Blutdruck-unabhängige Risikoreduktion lässt sich nicht ableiten, insbesondere nicht für normotone Atherosklerose-Patienten.

Verschweigen von wesentlichen Studienergebnissen - In zwei Prospekten zum Kalziumantagonisten NORVASC (Amlodipin) der Firmen Pfizer, Heinrich Mack Nachf., Gödecke und Parke-Davis werden die Ergebnisse der ALLHAT-Studie zitiert (JAMA 2002; 288: 2981-97). Im ersten Prospekt heißt es: "Mit der ALLHAT-Studie ... wurden die Gleichwertigkeit von Amlodipin und Diuretikum dokumentiert und wichtige Endpunktdaten für Amlodipin erhoben." Als Belege werden in einer Grafik die Ergebnisse des primären und ausgewählter sekundärer Endpunkte dargestellt, bei denen zwischen Amlodipin und dem Diuretikum Chlorthalidon kein signifikanter Unterschied bestand. Nicht genannt werden die Ergebnisse jener sekundären Endpunkte, bei denen Amlodipin signifikant schlechter abschnitt als das Diuretikum: Herzinsuffizienz sowie Tod oder Krankenhauseinweisung wegen Herzinsuffizienz. "Gleichwertigkeit" zwischen Amlodipin und Diuretikum, wie die Firmen im vorliegenden Prospekt propagieren, lässt sich durch die ALLHAT-Studie also nicht darstellen. Im zweiten Prospekt werden wieder die "guten" (da nicht vom Diuretikum signifikant unterschiedlichen) Ergebnisse dargestellt mit der Überschrift: "Überzeugende Ergebnisse". Auf der Folgeseite werden für das Konkurrenzprodukt Lisinopril die "schlechten" (da im Vergleich zum Diuretikum signifikant schlechteren) Ergebnisse genannt mit der Überschrift: "überraschende Ergebnisse".

Übertreibung des therapeutischen Effektes - Dem eigenen Antihypertensivum TARKA (Kombinationsprodukt aus Verapamil und Trandolapril) wird von den Firmen Abbott und Knoll eine gute Blutdruck-senkende Wirkung zugeschrieben. Das "Ausmaß der Blutdrucksenkung" habe im Durchschnitt "6 mmHg bei 391 Probanden nach 8 Wochen Behandlungsdauer" betragen (Zitat: J. Hypertens. 1999; 17: 1917-23). Die Originalpublikation zeigt ein anderes Bild: Von ursprünglich 391 Probanden befanden sich fast ein Drittel (124) nach 8 Wochen nicht mehr in der Studie. Grund: Die meisten dieser Probanden wurden nach 4 Wochen "wegen fehlender Blutdrucksenkung" aus der Studie ausgeschlossen.

Manipulation der Risiken - Sanofi-Synthelabo schreibt über PLAVIX (Clopidogrel): "Jeder zweite AVK-Patient stirbt innerhalb von 5 Jahren an einem kardialen Ereignis." Die zitierte Studie (Int. Angiol. 2000; 19, Suppl. 1: 20-1) zeigt zwar, dass der Tod bei AVK-Patienten in etwa 50% der Fälle kardialer Ursache ist. Innerhalb von 5 Jahren sterben jedoch nach dieser Arbeit selbst in der Hochrisikogruppe der symptomatischen und behandelten AVK-Patienten lediglich 30% insgesamt und nur 16% an einer kardialen Ursache.

Clopidogrel wird auch unter dem Namen ISCOVER von Bristol-Myers Squibb vertrieben. In einem entsprechenden Prospekt wird das Mortalitätsrisiko innerhalb von 5 Jahren bei Post-Infarkt-Patienten mit 6,8% und damit erheblich niedriger als bei AVK-Patienten angegeben. In der zitierten Arbeit (N. Engl. J. Med. 1998; 339: 229-34) werden keine Angaben zur 5-Jahres-Mortalität gemacht. Aus einer Grafik lässt sich diese annäherungsweise ablesen: bei Patienten ohne Diabetes beträgt sie ca. 10%, und bei Patienten mit Diabetes ca. 20%, in beiden Fällen liegt sie also deutlich höher als im Prospekt angegeben.

Angaben von Effekten für statistisch nicht ausgewertete Endpunkte - Zu PLAVIX und ISCOVER wird jeweils angegeben: "Herzinfarkt: 38% Risikoreduktion bei AVK-Patienten im Vergleich zu ASS". In der zitierten Studie (Lancet 1996; 348: 1329-39) war "Herzinfarkt" kein prädefinierter Endpunkt und wurde für die Subgruppe der AVK-Patienten statistisch nicht separat, sondern nur als Teil eines kombinierten Endpunktes ausgewertet.

Nutzenangabe für Populationen ohne Nutzennachweis - Zu ihrem Präparat LOVASTATIN schreibt die Firma ct: "Senkung des Herzinfarktrisikos bei (folgenden) Patienten: Erhöhtes Cholesterin, Raucher, Frauen > 55 Jahre, Diabetiker, Hypertoniker." In der zitierten Studie (JAMA 1998; 279: 1615-22) werden keine Angaben zur Herzinfarktrate bei den genannten Subgruppen gemacht, lediglich über einen kombinierten primären Endpunkt wird berichtet. Und in diesem Endpunkt zeigt sich nur für Raucher, nicht aber für die anderen genannten Untergruppen ein signifikanter Unterschied zu Gunsten von Lovastatin. Im Übrigen wird auch in diesem Prospekt kleingedruckt eine Indikationsausweitung vorgenommen: "Erhöhtes Cholesterin" wird als Kombination aus einem LDL-Wert zwischen 130 und 190 mg/dl und einem HDL-Wert < 50 mg/dl angegeben. In der zitierten Studie war für den Studieneinschluss jedoch bei Männern ein HDL-Wert < 45 mg/dl, bei Frauen < 47 mg/dl notwendig.

Aussagen über Menschen aufgrund von Tierstudien - Über LEVITRA (Vardenafil) sagt Bayer: "Das Zeitfenster: Schnell und bis zu 5 Stunden". Die zitierte Übersichtsarbeit (Drugs Aging 2002; 19: 217-27) gibt diese Wirkdauer jedoch im Zusammenhang mit Tierversuchsstudien an: Es wurden betäubte Hasen untersucht. Studien über Männer mit erektiler Dysfunktion werden hingegen mit einer maximalen Nachuntersuchungszeit von lediglich 2,5 Stunden angegeben.

SCHLUSSFOLGERUNGEN: Unsere Ergebnisse belegen, dass gut ein Drittel des Werbematerials der Pharmaindustrie, das in ärztlichen Praxen abgegeben wird, nicht durch öffentlich zugängliche und auffindbare wissenschaftliche Quellenangaben belegt wird. Mehr als 70% der Materialien enthalten mindestens eine nicht überprüfbare medizinische Aussage. Insgesamt sind 58% aller Aussagen in den Prospekten mangels Literaturangaben nicht überprüfbar.

Da anzunehmen ist, dass die entsprechenden Marketingabteilungen der pharmazeutischen Unternehmen über den Stand der wissenschaftlichen Evaluation des betreffenden Medikamentes gut informiert sind, korrektes wissenschaftliches Zitieren beherrschen und eine wissenschaftliche Quelle angeben würden, wenn sie existierte, nehmen wir an, dass sich mehr als die Hälfte der medizinischen Aussagen in Werbeprospekten nicht durch publizierte wissenschaftliche Untersuchungen belegen lassen.

Von den aufgrund der Quellenangaben nachvollziehbaren Informationen decken sich die meisten Werbeprospekte und die darin enthaltenen Aussagen nicht mit der zugrundegelegten wissenschaftlichen Originalliteratur. Insgesamt werden die Informationen in 94% der Werbeprospekte der pharmazeutischen Industrie nicht durch valide wissenschaftliche Untersuchungen nachvollziehbar belegt. Die Beschreibung der Sicherheit und Wirksamkeit der pharmakologischen Produkte kann auf diese Weise einseitig verzerrt und die medizinische Qualität und Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Verschreibungspraxis wesentlich beeinträchtigt werden. Vor dem Hintergrund der sich daraus ergebenden potenziellen medizinischen Gefährdung und der zunehmenden wirtschaftlichen Belastung der Bevölkerung sind von Seiten des Gesetzgebers und der Selbstverwaltung schnelle und entschiedene Schritte erforderlich, um diesen Missstand zu beheben.

Interessenkonflikt: DIeM führt Projeke durch, die von unterschiedlichen Pharmafirmen, Krankenkassen, kassenärztlichen Vereinigungen und der Europäischen Union finanziert werden. Die genaue Spezifizierung der Projekte und ihrer Förderung ist auf der Webseite (http://www.di-em.de) einzusehen.

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