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LEUKOTRIEN-ANTAGONIST MONTELUKAST (SINGULAIR): STELLENWERT BEI ASTHMA

Leukotrien-Antagonisten hemmen die Synthese oder Rezeptorbindung von Cysteinyl-Leukotrienen, Entzündungsmediatoren bei Asthma. Sie dürfen im Rahmen der Asthmabehandlung nur vorbeugend verwendet werden, nicht aber im akuten Anfall. In Deutschland ist nur der Leukotrienrezeptor- Antagonist Montelukast (SINGULAIR, a-t 1998; Nr. 5: 46-7; 1999; Nr. 1: 20) zugelassen - als Zusatzmedikation, wenn leichtes bis mittelschweres chronisches Asthma mit inhalativen Kortikosteroiden und kurz wirksamen Betamimetika allein nicht zufriedenstellend kontrolliert werden kann. Montelukast wird außerdem vorbeugend bei belastungsinduziertem Asthma angeboten.1

ERSATZ FÜR INHALATIVE STEROIDE? Als Mittel der ersten Wahl zur vorbeugenden Behandlung des chronischen Asthmas bei Erwachsenen und Kindern werden in Leitlinien inhalative Kortikosteroide empfohlen.2,3 In randomisierten kontrollierten Studien bessern sie Lungenfunktion und Symptomatik, erhöhen die Lebensqualität und senken die Exazerbationsrate.2 Die Schwelle für den Beginn der regelmäßigen Inhalation von Glukokortikoiden wird nicht einheitlich angegeben: Die Häufigkeit der Symptomatik, die in Leitlinien den Beginn dieser Therapie begründet, reicht von mindestens einmal wöchentlich mit Auswirkung auf Schlaf und Aktivitäten bis hin zu mehr als einmal täglichem Gebrauch von kurzwirksamen Betamimetika.2,3

Montelukast versus inhalative Kortikosteroide: Nach einer systematischen Übersicht von 14 4- bis 37-wöchigen randomisierten kontrollierten Studien kommt es unter Dauertherapie eines leichten bis mäßigen chronischen Asthmas mit Leukotrien-Antagonisten signifikant häufiger als unter regelmäßigem Gebrauch inhalativer Kortikosteroide zu Exazerbationen, die systemische Kortikoide erfordern (relatives Risiko [RR] 1,61; 95% Vertrauensintervall [CI] 1,15 bis 2,25).4 Acht dieser Studien mit insgesamt mehr als 3.600 Patienten prüfen Montelukast,4 darunter eine mit Kindern zwischen sechs und elf Jahren.5 Inhalative Kortikosteroide, meist 400 µg Beclometason-Äquivalent pro Tag, beeinflussen auch die Einsekundenkapazität (FEV1), Symptome wie nächtliches Erwachen, Bedarf an Notfallmedikamenten sowie die Lebensqualität besser. Studienabbrüche sind unter Leukotrien-Antagonisten signifikant häufiger, insbesondere wegen schlechter Asthmakontrolle.4 Wegen zu kurzer Dauer und erheblicher methodischer Mängel können zwei neuere sechswöchige Studien, die eine ähnliche Wirkung von Montelukast und Budesonid behaupten, keine Gleichwertigkeit belegen.6,7

ZUSÄTZLICH ZU INHALATIVEN STEROIDEN? Eine optimale Therapie bei unzureichender Wirksamkeit eines inhalativen Kortikosteroids in niedriger bis mittlerer Dosierung - Stufe 3 des Asthmastufenschemas - fehlt. In Leitlinien wird derzeit für Erwachsene als zusätzliches Mittel der ersten Wahl ein langwirksames inhalatives Betamimetikum wie Salmeterol (SEREVENT) empfohlen.2,3 Zusatz von Salmeterol beeinflusst bei diesen Patienten in drei- bis sechsmonatigen Studien Lungenfunktion, Symptomatik und Exazerbationsrate besser als die Steigerung der Kortikosteroid-Dosis.8 Ob auch schwere Exazerbationen, die orale Kortikoide oder Krankenhausaufenthalte erfordern, vermindert werden, bleibt offen. Angesichts erhöhter Asthmasterblichkeit unter Salmeterol in zwei großen randomisierten Studien, zu der möglicherweise die unzureichende Basistherapie mit Kortikoiden beigetragen hat,9,10 bleibt die Sicherheit der langwirksamen Betamimetika zu klären (a-t 2003; 34: 90-1). Leukotrien-Antagonisten wie Montelukast werden auf Stufe 3 der Asthmatherapie als Zusatzmittel der Reserve empfohlen.2,3

Montelukast versus Plazebo: In zwei 16-wöchigen Studien mit insgesamt mehr als 1.000 Patienten hat Montelukast zusätzlich zu inhalativen Kortikoiden auf Lungenfunktion und Asthmasymptomatik am Tage bzw. auf einen weitgefassten Sammelendpunkt "Tage mit Asthmaexazerbationen", der auch Steigerung des Betamimetikagebrauchs um 2 Hub umfasst, einen stärkeren Einfluss als Plazebo. Sekundär geprüfte Parameter werden nur zum Teil beeinflusst, eine Senkung der Rate schwerer Asthmaanfälle ist nicht belegt.11,12 Gleiches gilt für eine kleine vierwöchige Studie mit 80 Asthmapatienten und ASS-Intoleranz.13 Hinreichende Belege für einen besonderen Vorteil von Montelukast bei ASS-sensitivem Asthma finden wir nicht.

Bei 72 Patienten mit mäßigem bis schwerem Asthma, von denen viele neben inhalativen Kortikosteroiden regelmäßig weitere Asthmamittel verwenden, wirkt Montelukast nicht besser als Plazebo.14

Montelukast versus Betamimetika: In drei zwölfwöchigen, vom Salmeterol-Hersteller GlaxoWellcome gesponserten Studien15-17 mit insgesamt 2.200 Patienten wirkt die Kombination von inhalativen Kortikosteroiden mit Salmeterol auf Lungenfunktion und Asthmasymptome besser als eine Kombination mit Montelukast. In zwei Studien wird auch die Exazerbationsrate gesenkt,15,17 bei schweren Exazerbationen ergibt sich jedoch kein signifikanter Unterschied.17

Nach einer aktuellen Studie mit 1.490 Patienten soll die Kombination von zweimal täglich 100 µg Fluticason (ATEMUR, FLUTIDE) mit 10 mg Montelukast der mit zweimal täglich 50 µg Salmeterol gleichwertig sein. Primärer Endpunkt sind schwere Asthmaexazerbationen, die Vorstellung beim Arzt oder in der Notfallambulanz, Krankenhausaufnahme oder systemische Kortikoide erfordern. Im Montelukast-Arm erleiden 20,1% der Patienten mindestens einen solchen Anfall im Vergleich zu 19,1% im Salmeterol-Arm (relatives Risiko 1,05; 95% Vertrauensintervall 0,86 bis 1,29).18 Der für Nichtunterlegenheit festgelegte Grenzwert beim Vertrauensintervall (1,33) wird nicht überschritten, erscheint uns aber zu weit: Die Studie kann eine Zunahme schwerer Asthmaanfälle um 29% unter Montelukast nicht ausschließen.

Montelukast versus erhöhte Kortikoiddosis: Gleichwertigkeit ist unseres Erachtens auch in einer zwölfwöchigen Studie mit knapp 900 Patienten nicht hinreichend belegt, in der die Zusatztherapie mit Montelukast den Atemspitzenfluss (Peak flow) am Morgen um durchschnittlich 33,5 l/min erhöht im Vergleich zu 30,1 l/min unter verdoppelter Kortikoiddosis.19 Neben der kurzen Dauer und dem Surrogatparameter als primärem Endpunkt ist ein wichtiger Validitätsmangel der Untersuchung, dass Angaben darüber, wie viele Patienten die Studie protokollgemäß beenden bzw. vollständig nachbeobachtet werden, fehlen (vgl. a-t 2003; 34: 108-9).

Reduktion der Kortikoiddosis: In einer zwölfwöchigen Studie mit 226 stabil auf inhalative Kortikosteroide eingestellten Patienten lässt sich die Kortikoiddosis durch Montelukast um 18% mehr reduzieren als unter Plazebo.20 In einer 24-wöchigen Studie mit 191 Teilnehmern unterscheidet sich der tolerierte Kortikoidentzug nicht von dem unter Plazebo.21 Neben der Widersprüchlichkeit der Daten bleibt unklar, ob die Dosisreduktion inhalativer Steroide durch Zusatz von Montelukast bei klinisch stabilen Patienten ein sinnvolles Therapieziel darstellt.

BEI KINDERN: Drei größere plazebokontrollierte vier- bis zwölfwöchige Studien22-24 mit 279 bis 689 Kindern liegen vor, darunter eine mit zwei- bis fünfjährigen Kindern, die primär auf Sicherheit angelegt ist.24 Primärer Endpunkt in den beiden Wirksamkeitsstudien,22,23 von denen eine Montelukast bei unzureichender Wirksamkeit von inhalativen Kortikosteroiden prüft,23 ist die FEV1. Der Effekt von Montelukast fällt hier jeweils sehr viel geringer aus als erwartet.22,23 Bei Kombination mit inhalativen Kortikosteroiden ergibt sich in der Intention-to-Treat-Analyse kein signifikanter Unterschied zu Plazebo.23 Sekundäre klinische Endpunkte werden nur zum Teil günstig beeinflusst, der Bedarf an oralen Kortikosteroiden bzw. die Häufigkeit schwerer Asthmaanfälle wird nicht gesenkt.22,23 Die Hinweise auf Besserung der Asthmasymptomatik aus der Sicherheitsstudie bei Zwei- bis Fünfjährigen bedürfen der Bestätigung in einer auf Wirksamkeit angelegten Studie.24

Gleichwertigkeit mit inhalativen Kortikosteroiden ist auch bei Kindern nicht belegt. Der einzige randomisierte direkte Vergleich,5 den wir finden, ist methodisch mangelhaft und mit 124 Kindern für eine solche Aussage zu klein.

BEI BELASTUNGSINDUZIERTEM ASTHMA: Bei dieser Indikation ist Montelukast nur in Kurzzeitstudien (maximal 12 Wochen) geprüft. Größere Untersuchungen mit mehr als 100 Patienten gibt es nur mit Patienten zwischen 14 und 45 Jahren und nur im Vergleich zu Plazebo beziehungsweise dem lang wirksamen Betamimetikum Salmeterol.25-27 In zwei Studien sind inhalative Kortikosteroide untersagt,25,26 in einer werden sie von 10% verwendet.27 Bei Studienende ist die Lungenfunktion nach Belastungstest unter Montelukast jeweils deutlich besser als in den Kontrollgruppen. Der Bedarf an kurz wirksamen Betamimetika ist in zwei Studien geringer,25,26 in der dritten ergibt sich kein Unterschied zwischen Montelukast und Salmeterol.27 Auch in einer plazebokontrollierten Cross-over-Studie mit 27 Kindern über zweimal zwei Tage bessert Montelukast die Lungenfunktion nach Belastungstest, hat aber keine Auswirkungen auf den Betamimetika-Gebrauch.28

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Häufigste unerwünschte Wirkungen von Montelukast sind Kopfschmerzen (bis 18%), Magen-Darm- Störungen und Atemwegsinfektionen. Leukotrien-Antagonisten stehen im Verdacht, das seltene CHURG-STRAUSS-Syndrom auszulösen, eine Systemerkrankung, die mit Asthma, Vaskulitis sowie Bluteosinophilie und eosinophilen Gewebsinfiltrationen einhergeht. Da in den meisten Berichten eine vorbestehende Kortikosteroid-Therapie nach Beginn der Behandlung mit Leukotrien-Antagonisten reduziert werden konnte, wird auch die Demaskierung einer durch die Kortikosteroide kontrollierten und somit unerkannt gebliebenen Systemerkrankung statt einer Nebenwirkung in Betracht gezogen. Dagegen spricht, dass inzwischen mehrere Berichte vorliegen, in denen ein CHURG-STRAUSS-Syndrom nach Beginn der Leukotrienblockertherapie auftritt, ohne dass die Steroidtherapie verändert wurde. Als Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang mit den Leukotrien-Antagonisten wird auch diskutiert, dass seit Markteinführung dieser Mittel Berichte über CHURG-STRAUSS-Syndrome zugenommen haben, während dies nach britischen Daten für andere steroidsparende Asthmamittel so offenbar nicht gilt.29 Besserung einer Eosinophilie allein durch Absetzen von Montelukast stützt ebenfalls den Verdacht einer direkten Arzneimittelwirkung.30

Der Leukotrien-Antagonist Montelukast (SINGULAIR) ist kein Ersatz für inhalative Kortikosteroide, wenn bei chronischem Asthma eine vorbeugende Dauertherapie erforderlich ist: Unter der langfristigen Einnahme verschlechtern sich Symptomatik, Lungenfunktion und Lebensqualität im Vergleich mit inhalativen Kortikoiden. Das Risiko schwerer Exazerbationen nimmt zu.

Ob Montelukast bei klinisch stabilen Patienten eine Reduktion der Dosis inhalativer Kortikosteroide ermöglicht, bleibt wegen Widersprüchlichkeit der publizierten Daten offen. Unklar ist zudem, ob dies ein sinnvolles Therapieziel ist.

Als Zusatz bei unzureichender Wirksamkeit von inhalativen Kortikosteroiden bessert Montelukast im Vergleich mit Plazebo nur in einem Teil der Studien einzelne Prüfparameter. Ein konsistenter klinischer Nutzen ist nicht belegt. Insbesondere fehlt der Nachweis einer verringerten Rate schwerer Exazerbationen.

Die Add-on-Therapie mit Montelukast wirkt nach derzeitigem Kenntnisstand weniger zuverlässig als die Zusatzbehandlung mit langwirksamen Betamimetika wie Salmeterol (SEREVENT). Dies entspricht dem Stellenwert von Montelukast als Zusatzmittel der Reserve in internationalen Asthmaleitlinien.

Bei Kindern mit Asthma wirkt Montelukast geringfügig besser als Plazebo. Gleichwertigkeit mit inhalativen Kortikosteroiden ist nicht belegt. Diese bleiben auch bei Kindern Mittel der Wahl.

Bei Patienten mit belastungsinduziertem Asthma, die keine inhalativen Kortikosteroide verwenden, bessert Montelukast die Lungenfunktion und verringert den Bedarf an kurz wirksamen Betamimetika. Ob sich die Lebensqualität dieser Patienten durch regelmäßige Einnahme von Montelukast erhöht und das Exazerbationsrisiko sinkt, ist nicht untersucht.


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