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Korrespondenz

"WURM-COCKTAIL" BEI MORBUS CROHN?

In "SPIEGEL-ONLINE" erschien ein Beitrag zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen mit einem "Wurm-Cocktail". Gibt es Erkenntnisse zu Nutzen und Schaden dieser Behandlungsmethode bzw. eventuell sogar kontrollierte Studienergebnisse?

Dr. med. S. ZERWECK (Facharzt für Allgemeinmedizin)
D-71083 Herrenberg
Interessenkonflikt: keiner

Die Firma BioCure hat in Schleswig-Holstein einen Antrag auf Herstellungserlaubnis für Kapseln mit Eiern des Schweine-Peitschenwurms Trichuris suis eingereicht, die als nicht zulassungspflichtiges Rezeptur-Arzneimittel zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen vertrieben werden sollen. Das Genehmigungsverfahren ist nicht abgeschlossen.1 Hintergrund sind Spekulationen über den Einfluss einer verbesserten Hygiene, die zu einer Zunahme von Morbus CROHN und Colitis ulcerosa beigetragen haben soll.2 Die fehlende Auseinandersetzung mit Parasiten wird als Erklärung für ein Versagen des Immunsystems und Ausbruch der chronischen Erkrankungen herangezogen.3 Der für den Menschen apathogene Schweine-Peitschenwurm soll sich im Dünndarm anlagern und das Immunsystem "aktivieren". Er soll nach 8 bis 10 Tagen wieder ausgeschieden werden.

Lediglich eine unkontrollierte Anwendungsbeobachtung an vier Patienten mit Morbus CROHN und drei mit Colitis ulcerosa ist publiziert.4 Sie eignet sich ebenso wie eine auf einem Kongress präsentierte unveröffentlichte offene Studie mit 29 Morbus-CROHN-Patienten5 wegen fehlender Kontrollen nicht zum Beleg der Wirksamkeit. Nach Angaben der Firma sind zwei plazebokontrollierte doppelblinde Studien mit Peitschenwurmpräparaten durchgeführt worden, hierzu finden sich jedoch keine konkreten Hinweise. Der Hersteller übt sich in Geheimniskrämerei: Auskünfte zu diesen Arbeiten, die möglicherweise einen gewissen Aufschluss über die Wirksamkeit geben könnten, werden verweigert, mit dem Argument, dass ansonsten "die für unsere Professoren überaus wichtige Publikation gefährdet wäre".6

Für die "Therapie" mit dem Schweine-Peitschenwurm Trichuris suis, die mit Spekulationen über die Begünstigung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen durch verbesserte Hygiene begründet wird, fehlen Wirksamkeitsbelege. Wir raten von der Verwendung ab.

Eine Herstellungserlaubnis für Kapseln mit Peitschenwurmeiern ist bis dato von der zuständigen Landesbehörde nicht erteilt worden. Das als Rezeptur-Arzneimittel geplante Präparat ist somit nicht verkehrsfähig.

© 2004 arznei-telegramm

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