BIVALIRUDIN (ANGIOX) BEI | ||||||
Seit Oktober 2004 ist Bivalirudin (synonym Hirulog; ANGIOX) in Deutschland zur Antikoagulation bei perkutanen Koronarinterventionen (PCI) im Handel. Mitte der 90er Jahre war die klinische Entwicklung des Hirudin-Analogon zunächst gestoppt worden, nachdem Vergleichsstudien mit Heparin im Rahmen von PCI bei instabiler oder Postinfarkt-Angina oder als Antikoagulans bei der Thrombolyse akuter Infarkte mit Streptokinase enttäuschend verlaufen waren.1,2 Nach Wechsel des Herstellers, Änderung des Produktionsverfahrens und Reanalyse4 früherer Studien5 wurde Bivalirudin 2000 im zweiten Anlauf in den USA für PCI bei instabiler und Postinfarkt-Angina zugelassen. EIGENSCHAFTEN: Das halbsynthetische Polypeptid leitet sich vom natürlichen Hirudin ab. Bivalirudin hemmt direkt und
spezifisch die Aktivität von freiem und an Blutgerinnsel gebundenem Thrombin. Die Spaltung von Bivalirudin durch Thrombin trägt nach anfänglich
kompletter Hemmung zur Reaktivierung des Gerinnungsfaktors bei. WIRKSAMKEIT: Vor 1997 durchgeführte klinische Studien sind für die jetzt zugelassene Indikation nicht aussagekräftig, da sich die
Standardbehandlung bei PCI in den vergangenen Jahren durch Verwendung von Glykoprotein IIb/ IIIa (GP)-Blockern und Ticlopidin (TIKLYD u.a.) oder Clopidogrel
(ISCOVER, PLAVIX) wesentlich verändert hat.6
Bei einer Folgeauswertung von REPLACE-2 nach sechs Monaten findet sich für den kombinierten Endpunkt aus Tod, Infarkt oder Revaskularisation des Zielgefäßes ein Trend zu Ungunsten von Bivalirudin gegenüber Heparin plus GP-Blocker (16,8% vs. 15,1%, p = 0,10).10 STÖRWIRKUNGEN: Blutungskomplikationen sind unter Bivalirudin in PCI-Studien mit insgesamt 12.000 Patienten seltener als unter Heparin (33% vs. 49%).6 Nur jede zehnte ist aber klinisch relevant. In REPLACE-2 treten schwerwiegende Blutungen (intrakraniell, retroperitoneal oder intraokulär, Hb- Abfall um mehr als 3 g/dl, zwei oder mehr Erythrozytenkonzentrate) unter Bivalirudin seltener auf als unter Heparin plus GP-Blocker (2,4% vs. 4,1%; p < 0,001). Nach den strikteren TIMI**-Kriterien11 ergibt sich hier jedoch kein signifikanter Unterschied (0,6% vs. 0,9%, p = 0,30), da in erster Linie punktionsbedingte Blutungen (0,8% vs. 2,5%; p < 0,001) vermindert werden.
Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerz, Blutdruckabfall, Bradykardien sowie Rücken-, Brust- und Bauchschmerzen werden in PCI-Studien unter Bivalirudin ähnlich häufig beobachtet wie unter Heparin-Regimen.3,6 KOSTEN: Bezogen auf 70 kg Körpergewicht (KG) kostet Bivalirudin (ANGIOX) pro PCI-Behandlung (Bolus 0,75 mg/kg KG, Infusion von 1,75 mg/kg KG x Std. bis OP-Ende) 511,36 € bis 1.022,72 €***. Für Abciximab (REOPRO; Bolus 0,25 mg/kg KG, Infusion von 0,125 µg/kg x min. über 12 Std.) sind 1.362,39 € (3 InjFl) aufzuwenden, für Eptifibatid (INTEGRILIN; Bolus 0,18 mg/kg KG, Infusion von 2 µg/kg KG x min. über 20-24 Std.) 267,54 € (3 InjFl zu 75 mg).
Das Hirudin-Analog Bivalirudin (ANGIOX) - kombiniert mit einem Glykoprotein
IIb/IIIa (GP)-Blocker nur im Falle thrombotischer Komplikation - scheint bei perkutaner Koronarintervention (PCI) ähnlich effektiv und mindestens so sicher zu
sein wie Heparin (LIQUEMIN N u.a.) plus regelhafter Gabe von GP-Blockern. |
| (R = randomisierte Studie)
| |
1 | ANTMAN, E.M.: JAMA 2003; 289: 903- 5 | |
2 | SCIULLI, T.M., MAURO, V.F.: Ann. Pharmacother. 2002; 36: 1028-41 | |
3 | Nycomed: Fachinformation ANGIOX, Stand Sept. 2004 | |
R | 4 | BITTL, J.A. et al.: Am. Heart J. 2001; 142: 952-9 |
R | 5 | BITTL, J.A. et al.: N. Engl. J. Med. 1995; 333: 764-9 |
6 | EMEA: Europ. Bewertungsbericht ANGIOX; Sept. 2004;
| |
R | 7 | LINCOFF, A.M. et al.: JAMA 2003; 289: 853-63 |
8 | PATRONO, C. et al.: Eur. Heart J. 2004; 25: 166-81 | |
R | 9 | KASTRATI, A. et al.: N. Engl. J. Med. 2004; 350: 232-38 |
R | 10 | LINCOFF, A.M. et al.: JAMA 2004; 292: 696-703 |
R | 11 | RAO, A.K. et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 1988; 11: 1-11 |
12 | MAHAFFEY, K.W. et al.: J. Invasive Cardiol. 2003; 15: 611-16 |
© 2005 arznei-telegramm |
Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten
Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.