ANTIDEPRESSIVA-KRITIK: WAS TUN? |
Noch nie wurde im a-t wie jetzt in Ihrem Artikel zu Antidepressiva (a-t 2005; 36: 45-7) eine
gesamte - soweit an der Basis bekannt, auch anerkannte - Indikationsgruppe zu einer Plazebomaßnahme degradiert. Ihre Aussagen beziehen sich nicht auf
einzelne Medikamente, sondern auf alle Antidepressiva. Ist diese Aussage nicht zu weit gegriffen? Ist es Stand der Wissenschaft, bei allen Patienten jetzt die
Antidepressiva abzusetzen? In unserem Artikel rücken wir eine Diskussion in den Blickpunkt (a-t 2005; 36: 45-7), die im
angelsächsischen Bereich seit mehreren Jahren geführt wird und sowohl Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie auch trizyklische Antidepressiva
betrifft.1-5 Dass Antidepressiva im Vergleich zu Plazebo als wirkschwache Arzneimittel gelten, wird zuweilen als "dirty little
secret"bezeichnet.3 Die Autoren einer Kurzübersicht im Deutschen Ärzteblatt zur Anwendung von Antidepressiva kommen zu einer
ähnlichen Einschätzung der Wirkstärke.6 Aggressives Marketing, selektive Publikation von positiven Studien und unbefriedigende
Zulassungspraxis sind für das beschönigende Bild der Wirksamkeit in der Öffentlichkeit verantwortlich. Als Folge erleben wir in Deutschland eine
drastische Ausweitung der Verordnungen für antidepressive Arzneimittel: Vom Jahr 2000 (105 Mio. definierte Tagesdosierungen [DDD]) bis 2003 (214 Mio.
DDD) verdoppelt sich die Häufigkeit der Verordnungen von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (unabhängig von der Indikation). Im gleichen Zeitraum
nimmt auch die Verschreibung trizyklischer Antidepressiva von 243 Mio. auf 275 Mio. Tagesdosierungen zu.7 Hinzuzurechnen sind zudem rezeptfreie
pflanzliche Mittel wie Johanniskraut (JARSIN u.a.). |
| ( M = Metaanalyse)
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M | 1 | KIRSCH, J. et al.: Prevention and Treatment 2002; 5: Article 23: http://journals.apa.org/prevention/volume5/pre0050023a.html |
2 | THASE, M.E.: Prevention and Treatment 2002; 5: Article 32: http://journals.apa.org/prevention/volume5/pre0050032c.html | |
3 | HAYDEN, M. et al.: HOLLON, S.D. et al.: Prevention and Treatment 2002; 5: Article 28: http://journals.apa.org/prevention/volume5/pre0050028c.html | |
4 | MONCRIEFF, J.: BMJ 2005; 330: 420 | |
5 | MONCRIEFF, J.: Br. J. Psychiatry 2002; 180: 193-4 | |
6 | OELJESCHLÄGER, B., MÜLLER-OERLINGHAUSEN, B.: Dt. Ärztebl. 2004; 101: A-1337-40 | |
7 | LOHSE, M.J. et al.: in SCHWABE, U., PAFFRATH, D. (Hrsg.): "Arzneiverordnungs-Report 2004", Springer, Berlin, Seite 769-81 | |
8 | ZIMMERMANN, M. et al.: J. Clin. Psychopharmacol. 2005; 25: 105-10 |
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