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Hydroxycarbamid (LITALIR) - besser als Anagrelid (XAGRID) bei essenzieller Thrombozythämie: Die essenzielle Thrombozythämie ist eine myeloproliferative Erkrankung, bei der sich im Verlauf bei jedem Dritten thrombotische oder hämorrhagische Komplikationen entwickeln. Die Lebenserwartung ist jedoch nicht wesentlich eingeschränkt. Hydroxycarbamid (LITALIR) reduziert die Zellzahl und gilt bei Risikopatienten z.B. mit Thrombosen in der Vorgeschichte oder hohem Alter als Mittel der Wahl. Seit Anfang des Jahres ist der Thrombozytenhemmstoff Anagrelid (XAGRID) europaweit als Reservemittel auf der Grundlage von Beobachtungsstudien als "orphan drug"* zugelassen. Er soll spezifischer auf Thrombozyten wirken und im Gegensatz zu Hydroxycarbamid Leukämien nicht fördern. Jetzt erscheint der erste randomisierte offene Vergleich von Anagrelid und Hydroxycarbamid bei 809 Patienten zwischen 22 und 88 Jahren mit essenzieller Thrombozythämie und Thrombozytenwerten um 1 Million/µl. Die vom britischen Medical Research Council finanzierte Studie wurde nach einer medianen Beobachtungszeit von 39 Monaten aufgrund einer Zwischenanalyse abgebrochen. Bis zu diesem Zeitpunkt trat der primäre Endpunkt (Blutung, arterielle/venöse Thrombose, Tod durch Blutung oder Thrombose) bei 13,6% der Patienten unter Anagrelid und bei 8,9% unter Hydroxycarbamid auf (Odds Ratio 1,57, 95% Konfidenzintervall 1,04 bis 2,37; Number Needed to Harm [NNH] = 21). Insbesondere arterielle Thrombosen wie Herzinfarkte, transitorische ischämische Attacken (9,1% vs. 4,2%; NNH = 20) sowie schwere Blutungen (5,4% vs. 1,9%; NNH = 29) sind unter Anagrelid deutlich häufiger, ebenso der Übergang in eine Myelofibrose (4% vs. 1,2%; NNH = 36). Venöse Thromboembolien, die bei der Erkrankung insgesamt geringere Bedeutung haben, kommen hingegen unter Hydroxycarbamid häufiger vor (0,7% vs. 3,4%; NNH = 37). Die Thrombozytenzahlen sind im Verlauf in beiden Gruppen gleich. Unter Anagrelid brechen deutlich mehr Patienten die Behandlung aufgrund von Störwirkungen ab (21% vs. 11%). Im Vordergrund stehen kardiovaskuläre Nebenwirkungen wie Herzinsuffizienz und Arrhythmien, vermutlich bedingt durch vasodilatierende Eigenschaften von Anagrelid. Störwirkungen an der Haut sind unter Hydroxycarbamid häufiger (7,1% vs. 11,1%; NNH = 25; HARRISON, C.N. et al.: N. Engl. J. Med. 2005; 353: 33-45). Hydroxycarbamid bleibt Mittel der ersten Wahl bei behandlungsbedürftiger essenzieller Thrombozythämie.

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Orphan drug = Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen (Prävalenz unter 6 von 10.000).

© 2005 arznei-telegramm

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