Wenn Glücksspiel zwanghafte Züge annimmt, dem Impuls, beispielsweise ein Spielkasino aufzusuchen, nicht widerstanden werden kann,
obwohl schwere persönliche, familiäre oder berufliche Folgen drohen, wird das als pathologisches Spielen oder Spielsucht bezeichnet. Es handelt sich
dabei um eine Störung der Impulskontrolle, deren Ursachen weitgehend unbekannt sind. Vermutet werden u.a. Störungen in serotonergen und
dopaminergen Neurotransmittersystemen.1
Neurologen und Psychiater der US-amerikanischen Mayo Clinic berichten jetzt über elf Patienten mit idiopathischem Morbus PARKINSON, bei denen im
Rahmen einer Routineuntersuchung zufällig die Diagnose Spielsucht gestellt wird. Die neun Männer und zwei Frauen leiden seit 2 bis 17 Jahren an der
neurodegenerativen Erkrankung und nehmen alle die Dopaminagonisten Pramipexol (SIFROL, 9) oder Ropinirol (REQUIP, 2) ein, acht außerdem Levodopa plus
Carbidopa (NACOM u.a.). Bei sieben Personen setzt die Spielsucht innerhalb von ein bis drei Monaten nach Erreichen der Erhaltungsdosis oder Dosissteigerung des
Dopaminagonisten ein, bei den anderen innerhalb von 12 bis 30 Monaten nach Therapiebeginn. Alle haben zuvor nur gelegentlich oder gar nicht gespielt. Bei
keinem finden sich Hinweise auf eine Demenz. Die Patienten berichten, plötzlich "unbeherrscht" zu spielen und dabei zum Teil beträchtliche
Summen zu verlieren. Sechs der elf Betroffenen entwickeln gleichzeitig weitere Verhaltensauffälligkeiten wie Hypersexualität (vgl. a-t 2004; 35: 36), Kaufzwang, Essstörungen mit exzessiver Nahrungsaufnahme und deutlichem Gewichtszuwachs
oder gesteigerten Alkoholkonsum. Von acht Patienten ist der weitere Verlauf bekannt: Bei allen bilden sich Spielsucht und begleitende Beschwerden nach
Dosisreduktion oder Absetzen des Dopaminagonisten innerhalb von drei Monaten zurück oder bessern sich zumindest deutlich. Zum Teil verschwinden die
Verhaltensstörungen innerhalb von 48 Stunden, was die Patienten als "wie ein Schalter, der umgelegt wird" beschreiben.1
Nach einer Literaturrecherche der Autoren gibt es insgesamt 28 Berichte über pathologisches Spielen in Verbindung mit der Einnahme eines Dopaminagonisten,
19 (68%) davon betreffen Pramipexol, daneben werden Ropinirol (4), Pergolid (PARKOTIL u.a., 3), Cabergolin (CABASERIL, 1) und Bromocriptin (PRAVIDEL u.a., 1)
genannt. Eindeutige Hinweise auf Spielsucht unter Levodopa-Monotherapie, also ohne Kombination mit einem Dopaminagonisten, finden sich dagegen nicht. Fast
alle Patienten haben aber zusätzlich Levodopa genommen, einige auch Selegilin (MOVERGAN u.a.), Amantadin (PK-MERZ u.a.) oder einen COMT (Katechyl-
O-Methyltransferase)-Hemmer wie Entacapon (COMTESS).1,2 Zeitgleich mit der aktuellen Fallserie veröffentlicht die australische
Arzneimittelbehörde vier weitere Berichte über Spielsucht, zum Teil ebenfalls begleitet von anderen Verhaltensstörungen, in Verbindung mit
Cabergolin.3 Pramipexol und Ropinirol sind in Australien nicht auf dem Markt.
Warum pathologisches Spielen anscheinend besonders häufig unter Pramipexol auftritt, bleibt unklar. Möglicherweise spielt die vergleichsweise hohe
Affinität zu Dopamin-D3-Rezeptoren eine Rolle, die überwiegend im limbischen System lokalisiert sind.1
| 1 | DODD, M.L. et al.: Arch. Neurol. 2005; 62:
elektronische Vorabpublikation |
| 2 | DRIVER-DUNCKLEY, E. et al.: Neurology
2003; 61: 422-3 |
| 3 | Austr. Adv. Drug Reactions Bull. 2005; 24:
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