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Nebenwirkungen

FEHLBILDUNGEN DURCH PAROXETIN (SEROXAT U.A.) IN DER SCHWANGERSCHAFT

In Kanada und den USA hat GlaxoSmithKline (GSK) Ende September die Fachkreise ausführlich über Risiken der Einnahme des selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers (SSRI) Paroxetin (SEROXAT u.a.) im ersten Schwangerschaftsdrittel informiert.1,2 Die Hinweise stammen aus einer firmeneigenen retrospektiven Beobachtungsstudie3 mit 3.581 Schwangeren, die Paroxetin oder andere Antidepressiva eingenommen haben. Demnach ist das Risiko größerer Fehlbildungen unter Einnahme von Paroxetin im ersten Trimenon im Vergleich zur Anwendung anderer Antidepressiva in dieser Zeit insgesamt etwa verdoppelt (Odds Ratio [OR] 2,20; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,34-3,63). Verdoppelt ist auch das Risiko kardiovaskulärer Fehlbildungen, hauptsächlich Ventrikelseptumdefekte (OR 2,08; 95% CI 1,03-4,23). Die Prävalenz beträgt 4% bzw. 2% im Vergleich zu 3% bzw. 1%, die in der Allgemeinbevölkerung zu erwarten wäre.1,2

Die Datenlage ist widersprüchlich: Eine Auswertung des schwedischen Geburtsregisters und drei kleine Fallkontrollstudien lassen kein erhöhtes Risiko schwerer Fehlbildungen unter Paroxetin erkennen.1,2 Auch in einer Auswertung mehrerer tausend Schwangerschaften im Rahmen des Europäischen Netzwerkes teratologischer Beratungszentren (ENTIS) soll sich kein Hinweis auf teratogene Effekte unter SSRI ergeben haben.4 Nach der US- amerikanischen National Birth Defects Prevention Study werden Kinder von Frauen, die SSRI eingenommen haben, häufiger mit Nabelschnurbruch (Omphalozele) geboren, am häufigsten in Verbindung mit Paroxetin (OR 6,3; CI 2,0-19,6).1,2 Auch nach einer weiteren Studie erscheint das Fehlbildungsrisiko unter SSRI erhöht (OR 1,4; CI 1,1-1,9).1,2

In Deutschland will GlaxoSmithKline erst dann Warnhinweise in die Fach- und Gebrauchsinformationen aufnehmen, wenn diese mit den an der europäischen Zulassung beteiligten Behörden abgestimmt sind.5 Wie dabei die angestrebte "adäquate und zeitnahe"5 Information der Fachkreise gewährleistet sein soll, lässt sich nicht nachvollziehen. In Österreich scheint keine Abstimmung mit Behörden erforderlich zu sein: Dort informierte GSK zumindest die Presse.6 In der Schweiz wurden die Fachkreise rasch direkt in Kenntnis gesetzt.7

Die Abstimmung mit der nicht gerade schnell arbeitenden europäischen Behörde scheint für GSK/Deutschland nur als vorgeschobenes Argument für verschleppte Risikoabwehr zu dienen. Aus § 25 Abs. 10 Arzneimittelgesetz (AMG) ist zu folgern, dass der Hersteller "haftungsrechtlich informieren muss, will er sich nicht der Haftung aussetzen. Sicherheitsrechtlich ist er aufgrund von § 5 AMG ebenfalls öffentlich-rechtlich zur Information verpflichtet, und die Information über nicht in der Packungsbeilage oder der Fachinformation enthaltene Risiken ist nicht behördlich zustimmungs- bzw. genehmigungspflichtig".8

 

1

GlaxoSmithKline (USA): Dear Healthcare Prof. Letter, Sept. 2005

 

2

GlaxoSmithKline (Kanada): Dear Healthcare Prof. Letter, 29. Sept. 2005

 

3

http://ctr.gsk.co.uk/Summary/paroxetine/epip083.pdf

 

4

SCHAEFER, C., WEBER- SCHÖNDORFER, C.: Dt. Ärztebl. 2005; 102: A-2480-9

 

5

GlaxoSmithKline (Deutschland): Schreiben vom 20. Okt. 2005

 

6

GlaxoSmithKline (Österreich): Pressemitteilung, Okt. 2005

 

7

swissmedic: "Risiko für angeborene Missbildungen unter der Anwendung von Paroxetin", Mitteilung vom 4. Okt. 2005

 

8

HART, D. (Inst. f. Gesundheits- und Medizinrecht, Universität Bremen): Schreiben vom 19. Sept. 2005

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